Goldman Sachs spürt die Krise

Goldman Sachs spürt die Krise

Goldman Sachs-Konzernchef Lloyd Blankfein.

New York – Die Zeiten gigantischer Milliardengewinne scheinen für Goldman Sachs vorerst vorbei. «Im Laufe des zweiten Quartals haben sich die Bedingungen im Markt verschlechtert», erläuterte Bankchef Lloyd Blankfein am Dienstag. Die legendäre US-Investmentbank musste einen Gewinnrückgang im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 12 Prozent auf 927 Millionen US-Dollar hinnehmen. Die Aktie legte zu. Analysten hatten einen noch deutlicheren Gewinnrückgang erwartet.

Die Kunden hätten sich zurückgehalten angesichts der instabilen Verhältnisse in Europa und Sorgen um das globale Wachstum, sagte Blankfein. Das macht auch Milliarden-Übernahmen und Börsengänge schwierig, bei denen Goldman Sachs normalerweise viel Geld verdient. Die Bank hat seit langem damit zu kämpfen, dass angesichts der Unsicherheiten sowie strengerer Finanzmarkt-Vorschriften die Gewinne nicht mehr so wie vor der Finanzkrise sprudeln. Die Konkurrenz kämpft mit den gleichen Problemen.

Rückbesinnung auf klassisches Bankgeschäft
Deshalb besinnt sich Goldman Sachs auf das klassische Bankgeschäft mit Spareinlagen und Krediten. Das Haus hat dabei die wohlhabende Kundschaft im Blick, zu denen sie ohnehin schon gute Kontakte pflegt. «Wir sind eine Bank. Das ist keine blosse Theorie», sagte Blankfein dem «Wall Street Journal». Es gebe aber keine Pläne, Filialen zu errichten, Bankautomaten aufzustellen, Kreditkarten auszugeben oder «Toaster zu verschenken», beteuerte er.

Eine nötige Lizenz besitzt Goldman. Die staatlichen Regulierer hatten das Haus in der Finanzkrise 2008 gedrängt, seinen Sonderstatus als reine Investmentbank aufzugeben und sich den strengeren Regeln einer gewöhnlichen Geschäftsbank zu unterwerfen. «Wir müssen uns den Regeln beugen. Wir haben die Kosten. Wir tragen die Bürden», sagte Blankfein. «Es ist keine Frage, dass wir unser Bankgeschäft ausbauen.»

Vermögen reicher Kunden
Schon seit längerem verwaltet die Bank die Vermögen reicher Kunden. Es ist eine der wenigen florierenden Sparten. Die Einlagen hätten Ende März bei 102 Milliarden Dollar gelegen, sagte eine Sprecherin – damit hat die Bank Zugriff auf frisches Geld unabhängig vom Kapitalmarkt. Nach Angaben des «Wall Street Journal» lagen die vergebenen Kredite dagegen erst bei 12 Milliarden Dollar und sollen nun auf 100 Milliarden Dollar aufgestockt werden.

Blankfein sieht im klassischen Bankgeschäft «eine grosse Möglichkeit», wenngleich das althergebrachte Investmentbanking auch in der absehbaren Zukunft das wesentlich grössere und einträglichere Standbein bleiben dürfte – trotz aller Probleme.

Weniger Geld im Topf für Boni
Die Erträge – die gesamten Einnahmen der Bank – sanken im zweiten Quartal um 9 Prozent auf 6,6 Milliarden Dollar. Entsprechend floss absolut gesehen auch weniger Geld in den Topf für die Boni. Bereits die breiter aufgestellten Rivalen JPMorgan Chase und Citigroup hatten ihre Einnahmen schwinden sehen. Entsprechend vorbereitet waren die Anleger auf die Geschäftszahlen von Goldman Sachs. Letztlich toppte das Wall-Street-Haus sogar die Erwartungen. Im frühen New Yorker Handel stieg die Aktie um 1 Prozent. (awp/mc/pg)

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