Griechenland wichtiger für Märkte als Frankreich-Wahl

Griechenland wichtiger für Märkte als Frankreich-Wahl

Kommentar von Stefan Hofrichter, Chefvolkswirt von Allianz Global Investors, zu den Wahlen in Griechenland und Frankreich.

Frankfurt am Main

Griechenland
Die beiden bisher die Reformen in Griechenland tragenden Parteien, die konservative „Nea Demokratia“ (ND) und die sozialistische „PASOK“ mussten bei den Wahlen zum griechischen Parlament herbe Verluste hinnehmen. Nach aktuellem Stand haben sie die erforderliche Mehrheit der Sitze (151 von 300) verpasst, während gleichzeitig Parteien am extremen linken und rechten Rand deutlich Wählerstimmen gewonnen haben. In einem „Best Case-Szenario“ gelingt der ND eine Regierungsbildung gemeinsam mit der PASOK und der Demokratischen Linken (DL). Die DL ist pro-europäisch eingestellt, verweigert sich allerdings der Restrukturierung der griechischen Staatsschulden. Falls dies bis Mittwoch nicht gelingt, geht der Auftrag zur Regierungsbildung an die zweitgrößte Partei, die zum extrem linken Spektrum zählt. In diesem Fall scheint eine Regierungsbildung unwahrscheinlich

Das wahrscheinlichste Szenario aus aktueller Sicht scheinen Neuwahlen innerhalb der nächsten Wochen zu sein. Damit würden die politischen Unsicherheiten weitergehen. Interessanterweise haben zwar ND und PASOK eine schmerzliche Wahlschlappe hinnehmen müssen, dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass 80% der griechischen Wähler im Euro und der EU verbleiben wollen.

Marktimplikationen der Wahlen in Griechenland
Da die Mehrheit der Wähler unverändert Pro-EU und Pro-Euro eingestellt ist, erwarten wir keinen „Opt-Out“ Griechenlands aus der Währungsunion. Allerdings ist das Risiko eines ungeordneten Austritts Griechenlands aus der Eurozone nach den Wahlen deutlich gestiegen. Auf kurze Sicht sind die Marktimplikationen für den Finanzsektor und für stärker risikobehaftete Vermögensklassen als negativ einzuschätzen. Mittel- bis langfristig hängen die Auswirkungen sehr stark von der weiteren Politik der EU und der EZB ab.

Falls es der Politik in der EU gelingt, eine glaubwürdige „Firewall“ um Griechenland aufrecht zu erhalten, sollten die Auswirkungen an den Märkten gedämpft bleiben. Was uns beruhigt ist die Tatsache, dass der jüngste Default Griechenlands im Frühjahr nicht zu größeren Marktverwerfungen geführt hat.

Frankreich
Wie erwartet wird François Hollande  von der Sozialistischen Partei Frankreichs neuer Präsident. Er setzte sich mit einem vergleichsweise engen Stimmenvorsprung (52% vs. 48%) gegen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy durch. Das französische Parlament  wird in wenigen Wochen neu gewählt. Basierend auf den jüngsten knappen Präsidentschaftswahlergebnissen ist der Wahlausgang zur Nationalversammlung aus heutiger Sicht nur schwierig zu prognostizieren. Wir erwarten, dass Hollande am Fiskalpaket festhält, aber versuchen wird, diesen um einen „Wachstumspakt“ zu erweitern. Von größeren politischen Konflikten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gehen wir nicht aus.

Da die  Schuldenkrise nicht alleine nur auf eine unvorsichtige Schuldenpolitik der Staaten zurückgeht (was besonders für Griechenland und Italien zutrifft), sondern auch auf ein Fehlen internationaler Wettbewerbsfähigkeit (besonders was Portugal, Spanien und wiederum Italien betrifft) sowie das Platzen einer Blase bei den Immobilienpreisen (Spanien und Irland), können Wachstumsinitiativen nur willkommen geheißen werden.

Marktimplikationen der Wahlen in Frankreich
Die Präsidentschaftswahlen selbst haben keinen großen Neuigkeitswert. Die Unsicherheiten bzgl. der Richtung der französischen Politik dürften bis zu den Neuwahlen des Nationalparlaments weitergehen. Diese finden in zwei Runden am 10. und 17. Juni statt. Sollte Hollande ultimativ für schuldenfinanzierte Wachstumsinitiativen votieren, dürften die Kapitalmärkte darauf negativ reagieren. Sollte Hollande allerdings statt für mehr Schulden für strukturelle Reformen plädieren, dürfte dies zu positiven Marktreaktionen führen.

In der Gesamtsicht sollten die Ereignisse in Griechenland die Märkte mehr bewegen als die Ereignisse in Frankreich.

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