Gutachten empfiehlt temporäre Verstaatlichung zur Rettung von Grossbanken

Gutachten empfiehlt temporäre Verstaatlichung zur Rettung von Grossbanken
Ein Fall wie jener der Credit Suisse soll sich in der Schweiz nicht mehr wiederholen können.

Bern – Das bisherige Instrumentarium der Schweizer «Too big to fail»-Regulierung hat sich gemäss einem Gutachten als ungenügend erwiesen. Der von Bund in Auftrag gegebene Bericht der Universität St. Gallen zur Rettung der Grossbank Credit Suisse schlägt deshalb vor, das Instrumentarium um die Möglichkeit einer befristeten Verstaatlichung von Grossbanken zu ergänzen.

Die nach der Finanzkrise geschaffene «Too Big To Fail»-Regulierung habe ihr Ziel nicht erreicht, fallierende Banken geordnet aus dem Markt zu entfernen, hiess es in dem Gutachten von Mitte Mai, über den die «NZZ» am Donnerstag berichtete.

Die Autoren kritisieren darin, dass die Verlustrisiken bei der Rettung der Credit Suisse durch den Staat getragen wurden, während die Gewinnchancen den Aktionären der übernehmenden UBS zukamen. Zudem habe die Übernahme der CS durch die UBS eine noch grössere, systemrelevantere Bank geschaffen. Anpassungen der «Too Big To Fail»-Regulierung seien deshalb notwendig.

«Denn die Entscheidung gegen den Einsatz des Sanierungsverfahrens bei der Credit Suisse hat die Glaubwürdigkeit dieses Mechanismus beschädigt», hiess es in dem Gutachten. Es seien zusätzliche Instrumente nötig.

Vorübergehende Verstaatlichung
Als gangbare Option nennen die Ökonomen eine vorübergehende Verstaatlichung von Grossbanken in der Krise. Dabei sollen in einem ersten Schritt sämtliche Kunden und Geschäftspartner der Bank geschützt und der ordnungsgemässe Betrieb der Bank aufrechterhalten werden.

In einem zweiten Schritt wäre die Bank zu restrukturieren, zu verkaufen, wieder zu privatisieren oder bei Bedarf auch geordnet abzuwickeln. Dies würde die glaubwürdige Weiterführung der Geschäftstätigkeiten unter Schutz sämtlicher Einleger und Gläubiger ermöglichen, hiess es im Gutachten.

«Die Verstaatlichungsoption ist ein mächtiges Instrument, welches das Vertrauen in den Schweizer Finanzplatz und in das regulatorische Rahmenwerk wiederherstellen kann. Sie bietet bei Insolvenzgefahr einen glaubwürdigen Schutz der Gläubiger und deren Einlagen, wenn alle Alternativen ausgeschöpft, nicht vertretbar oder politisch nicht erwünscht sind», schrieben die Finanzexperten der Uni St. Gallen.

Die Verstaatlichung durchbreche das asymmetrische Prinzip «Gewinnchancen privat, Verlustrisiken dem Staat», indem der Staat durch die Eigentümerrolle das bestehende Eigenkapital sowie die Gewinnchancen der verstaatlichten Bank nach deren Sanierung übernehme. Der Staat werde daher auch an einem möglichen zukünftigen Erfolg der übernommenen Bank beteiligt, hiess es.

Höhere Eigenkapitalanforderungen
Zudem empfehlen die Autoren eine Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen. Allerdings sollte die Anforderungen nicht zu hoch geschraubt werden. Eine Erhöhung der minimalen Leverage Ratio auf 15 Prozent, wie vom Nationalrat gefordert, würde bei der UBS allein einen zusätzlichen Kapitalbedarf von circa 96 Milliarden Franken auslösen.

Dies wäre überaus herausfordernd für die kombinierte UBS-Credit Suisse, hiess es. Das Ziel des Nationalrates erscheine deshalb auf absehbare Zeit als allzu ehrgeizig. «Eine minimale Leverage Ratio in der Grössenordnung von 10 Prozent kann aber mittelfristig als realistische betrachtet werden.»

Aufspaltung nicht zielführend
Denkbar sei auch ein Verbot von Banken ab einer gewissen Grösse oder eine Aufspaltung nach Regionen oder nach Funktionen, also ein Trennbankensystem. Das verhindere jedoch nicht, dass einzelne Bankeinheiten isoliert nicht immer noch von systemrelevanter Bedeutung seien.

«Es wäre beispielsweise eine Illusion zu glauben, eine Abtrennung des Investmentbanking-Geschäfts würde in jedem Fall zu einer risikoarmen Bank führen. Denn auch die systemrelevanten Grundfunktionen, insbesondere das Kreditgeschäft, können erhebliche Risiken bergen. In der Schweiz sind in der Vergangenheit die meisten Banken wegen des Kreditrisikos in Schwierigkeiten geraten», hiess es in dem Bericht.

Aus der Sicht des Regulators sei die Identifikation schwierig, welche Einheiten verbunden und welche getrennt werden sollen. «Zudem ist die betriebswirtschaftlich optimale Struktur nicht statisch, sondern ändert sich mit den regulatorischen Rahmenbedingungen, der technologischen Entwicklung und dem wettbewerblichen Umfeld der Bank.»

Abraten von höheren Liquiditätsanforderungen
Auch eine stärkere persönliche Haftung und Bonusbeschränkungen werden erwähnt. Es sei jedoch unklar, ob dies das Risiko einer Bankenkrise mindern würde. Von strengeren Liquiditätsanforderungen raten die Autoren ab, diese seien in der Schweiz schon jetzt höher als im Ausland.

Das Gutachten war Ende März kurz nach der Credit-Suisse-Rettung vom Finanzdepartement in Auftrag gegeben worden. Studienleiter war Manuel Ammann, was für Kritik sorgte, weil Ammanns Forschungsinstitut von der CS gesponsert wird. (awp/mc/ps)

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