Jeder dritte Verkehrsunfall durch Ablenkung des Fahrers verursacht

Jeder dritte Verkehrsunfall durch Ablenkung des Fahrers verursacht

40 Prozent aller Befragten greifen am Steuer zum Handy. (© ptnphotof – Fotolia.com)

Zürich – Nach Ansicht der Unfallforscher im Allianz Zentrum für Technik (AZT) ist die Ablenkung am Steuer das am meisten unterschätzte Risiko im Strassenverkehr. Gerade in der hektischen Vorweihnachtszeit wächst die Gefahr. «Diskussionen oder ein Streit im Auto mit dem Beifahrer über das richtige Geschenk, die verzweifelte Suche nach einem Parkplatz für den Kauf in letzter Minute und der hektische Verkehr erhöhen gerade in der Weihnachtszeit das Unfallrisiko», sagt Dr. Christoph Lauterwasser, Leiter des Allianz Zentrum für Technik.

«Erst denken, dann starten», empfiehlt der Unfallforscher und rät, vor dem Losfahren die Navigationsdaten einzugeben, den richtigen Radiosender zu wählen und Taschen und Einkäufe sicher zu verstauen, damit nicht bereits nach wenigen Metern Fahrt die Aufmerksamkeit vom Strassenverkehr abgewendet werden muss. Fast alle Ablenkungen durch fahrfremde Tätigkeiten kann man mit sorgfältiger Vorbereitung vor dem Beginn einer Autofahrt vermeiden. «Allein das Greifen nach wegrutschenden Objekten erhöht die Unfallgefahr um das Achtfache», so Dr. Lauterwasser.

Die Unfallgefahr durch Ablenkung ist nicht zu unterschätzen. Die Studie des AZT zur Ablenkung am Steuer zeigt, dass in rund 30 Prozent aller Verkehrsunfälle Ablenkung eine Rolle spielt. Diese Grössenordnung wird auch durch die Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) in Bern gestützt. Die bfu-Experten kommen in ihrer Studie aus dem Jahr 2011 des weiteren zum Schluss, dass es dabei keine signifikaten Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt.

Nachdenklich stimmt die Auswertung der durch Ablenkung verursachten tödlichen Unfälle. Rund 26 Prozent aller getöteten Verkehrsteilnehmer sind nach der bfu-Statistik Fussgänger. Davon waren gerade mal 11 Prozent selber unaufmerksam oder abgelenkt.

Ablenkung durch Stress am Steuer
Autofahrern ist es meistens sehr gut bewusst, wenn sie emotional in das Fahrgeschehen involviert sind. Weniger bewusst sind sie sich der eigenen Fahrfehler, die andere Autofahrer oft entschärfen. Deshalb bleibt dieses Fehlverhalten überwiegend folgenlos. Oft sind es daher eher die Beifahrer, denen die unangemessene Fahrweise auffällt. «Ein Mindestmass an Stresstoleranz ist eine der Grundbedingungen der Fahrtüchtigkeit. So muss jeder Lenker fähig sein, ohne unangemessen hohes Stresserleben einen verengten Baustellenfahrstreifen oder einen längeren Tunnelabschnitt zu passieren. Stress entsteht vor allem, wenn zusätzliche, meist persönliche Faktoren dazukommen wie Zeitdruck oder Ärger. Der morgendliche Stau oder die Länge der Fahrstrecke bleiben gleich, aber der Lenker reagiert unbeherrscht, wenn er merkt, dass er zu spät kommt», erklärt Dr. Lauterwasser

Ablenkungsquelle Navigation
Eine der häufigsten ablenkenden Nebentätigkeiten neben dem Handygebrauch ist die Ziel-eingabe in den Navigator. Weit mehr als die Hälfte der Autofahrer (54 Prozent) nimmt sich dazu meist nicht die Zeit vor der Fahrt, und gerade hierbei ist die Gesamtzahl der nötigen Einzelblicke auf das Display von über einer Sekunde viel höher als manchem Fahrer bewusst ist. Eine Ablenkung, die vermeidbar ist. Ein Beispiel: Ein Fahrer legt bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h pro Sekunde einen Weg von 13,8 Meter zurück. Nun dauern viele der Einzelblicke, die der Fahrer bei seinen Nebentätigkeiten verrichtet, beispielsweise bei der Gerätebedienung, zwischen einer und zwei Sekunden. «Bei einer durchschnittlichen Reaktionszeit von einer Sekunde heisst das also mindestens, dass der Fahrer auf eine Gefahr hin erst doppelt so spät bremst, als wenn er nicht abgelenkt wäre», sagt Dr. Lauterwasser.

Ablenkungsquelle Musikgerät
Zwei Drittel (66 Prozent) aller Befragten werden durch die Bedienung von Musikabspielgeräten wie den CD-Player während der Fahrt abgelenkt. Schon wenige Sekunden würden hier ausreichen, um vor dem Anfahren die Lieblings-CD auszuwählen oder die Datei mit den Lieblingsstücken am MP3-Player anzusteuern. Gerade junge Fahrer sind hier besonders gefährdet. So hantieren die 18- bis 24-Jährigen deutlich öfter während der Fahrt am Musikabspielgerät (90 Prozent) im Vergleich zu den 25- bis 64-Jährigen (69 Prozent). Ablenkung durch schlechte Sicht und fremde Autos Genauso wichtig ist es, vor Fahrbeginn für eine gute Sicht an Scheiben und Spiegeln zu sorgen. Gerade in der kalten Jahreszeit beschlägt oft die Scheibe von innen, doch über 40 Prozent der befragten Fahrer schildern, die Scheibe erst während der Fahrt zu wischen. Eine besondere Gefahr sind unvertraute Leihwagen. Kennt der Fahrer das Modell nicht, stellt er oft erst bei der Tunneleinfahrt fest, dass sich die Lichtregler nicht dort befinden, wo er sie gewohnt ist. Wenige Minuten würden reichen, die wesentlichen Bedienelemente vor der Fahrt, wie beispielsweise Licht, Blinker und Scheibenwische, auszuprobieren. In der Fahrerbefragung zur Allianz Studie bekundeten 28 Prozent der Befragten, sich mitunter über Gebühr lange mit Bedienelementen oder Anzeigen während der Fahrt im Auto zu befassen. (Allianz Suisse/mc/ps)

Weitere Informationen zur Allianz Studie Ablenkung am Steuer
Für die Sicherheitsstudie «Ablenkung im Strassenverkehr» führte das Allianz Zentrum für Technik gemeinsam mit den Instituten Mensch-Verkehr-Umwelt und Makam Market Research eine Rep-räsentativerhebung unter Autofahrern in Österreich, der Schweiz und Deutschland durch und analysierte den internationalen Forschungsstand.

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