Schweiz liefert codierte Bankdaten an die USA

Schweiz liefert codierte Bankdaten an die USA

Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf.

Zürich – Die Schweiz liefert erneut Bankdaten an die USA. Es handelt sich um codierte Daten: Den Schlüssel zur Decodierung sollen die USA im Rahmen von Amts- und Rechtshilfeverfahren erhalten – oder wenn eine Lösung im Steuerstreit vereinbart ist. Die jüngste Enwicklung im Steuerstreit mit den USA machten Mitglieder der nationalrätlichen Wirtschaftskommission (WAK) publik, die am Montag von Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf informiert wurden.

Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) bestätigte am Dienstag entsprechende Informationen von Schweizer Radio DRS und der Zeitung «Blick». Offen blieb, welche Banken betroffen sind und was genau den USA ausgehändigt wird. Laut EFD handelt es sich nicht um Kundendaten, sondern um «Daten zum US-Geschäft der Banken». Darunter könnten etwa E-Mails zwischen Bankern und US-Kunden fallen. Kundendaten würden nicht geliefert, sagte EFD-Sprecher Roland Meier.

Auch Mitarbeiter-Daten codiert
Geschützt sind vorerst auch die Bankmitarbeiter: Ihre Namen werden codiert. Der Bundesrat habe letzte Woche beschlossen, dass grundsätzlich auch weiterhin nur codierte Daten geliefert werden dürften, hiess es beim EFD.

Nennung von Namen geplant
Der Schutz ist allerdings nur vorläufig: Die USA sollen den Codierungsschlüssel erhalten, sobald im Steuerstreit eine Globallösung vereinbart ist. Einzelne Namen können schon vorher genannt werden, aber nur im Rahmen eines ordentlichen Aufsichtsamtshilfe- oder Rechtshilfeverfahrens.

Die US-Behörden müssen also darlegen, dass sich Personen strafbar gemacht haben – und zwar sowohl nach amerikanischem als auch nach Schweizer Recht. Wie viele Daten übermittelt werden, ist unbekannt: «Die Menge der bisher konkret zur codierten Übermittlung vorgesehenen Daten beträgt nicht Millionen», hält das EFD dazu fest. Bei einer der Banken stehe eine Lieferung von rund 20’000 Seiten codierter Daten an.

Banken versuchen sich zu retten
Aktuell haben die US-Steuerbehörden elf Scheizer Banken im Visier. Darunter ist die Bank Wegelin, die wegen des Drucks in den USA vor kurzem an die Raiffeisengruppe verkauft wurde – mit Ausnahme des US-Geschäfts. Am Pranger stehen auch die CS, die Bank Julius Bär und die Zürcher Kantonalbank. Diese wollten am Dienstag keine Stellung nehmen zur jüngsten Entwicklung.

Nach Darstellung von Mitgliedern der nationalrätlichen Wirtschaftskommission waren Banken bereit, sich unter Verletzung des Bankgeheimnisses mit einer Datenlieferung retten. Der Bundesrat habe aber ein entsprechendes Gesuch abgelehnt. Er habe auf einer Verschlüsselung der Daten bestanden.

Globallösung in Sicht?
Die Schweizer Behörden suchen seit Monaten nach einer diplomatischen Lösung im Steuerstreit. Sie wollen die Banken davor bewahren, entweder das Bankgeheimnis zu verletzen oder in den USA angeklagt zu werden. Ziel der Verhandlungen ist eine Globallösung für die vergangenen Sünden der Banken. Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf rechnet damit, dass der Streit noch dieses Jahr beigelegt werden kann, wie am Weltwirtschaftsforum in Davos sagte. Das EFD hielt am Dienstag fest, die Datenlieferung sei wichtig für die Verhandlungen mit den USA.

Schädliches Bankgeheimnis
In der Wirtschaftskommission des Nationalrates (WAK) löste die jüngste Entwicklung Kopfschütteln aus. Kritisiert werden sowohl die Banken als auch der Bundesrat. «Die Schuldigen sind die Banken», sagte SP-Nationalrat Corrado Pardini (BE).

Er stört sich insbesondere daran, dass die Banken versuchen, individuell mit den US-Behörden eine Lösung zu erzielen. «So bewegen wir uns von einem Debakel zum nächsten.» Das Bankgeheimnis öffne der Steuerhinterziehung offensichtlich weiterhin Tür und Tor, dies sei ein unhaltbarer Zustand.

Wirtschaftskrieg mit den USA
Anders urteilt SVP-Nationalrat Hans Kaufmann (ZH). Er spricht von einem «Wirtschaftskrieg». «Man will den Finanzplatz Schweiz schädigen, um die Steueroasen in den USA attraktiver zu machen.» Und der Bundesrat führe das Parlament in die Irre. Von Rechtsstaatlichkeit könne keine Rede mehr sein.

WAK will bundesrätliche Strategie
Laut WAK-Präsident Christophe Darbellay (CVP/VS) fordert die Kommission nun vom Bundesrat, dass er rasch eine Strategie vorlegt. Die bisherige Salamitaktik führe nicht zum Ziel. Die Schweiz sei in einer Position der Schwäche, und daran seien die Banken schuld.

Mit dem Bankgeheimnis und dessen Lockerung musste sich das Parlament in den vergangenen Jahren immer wieder befassen. Es wird sich auch weiter damit befassen müssen: In der Frühjahrssession stimmt der Nationalrat über eine Ergänzung des Doppelbesteuerungsabkommens mit den USA ab. Es geht dabei um die Zulässigkeit von Gruppenanfragen. Finanzministerin Widmer-Schlumpf hatte ihrerseits für den Jahrebeginn eine «Weissgeldstrategie» in Aussicht gestellt.  (awp/mc/pg)

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