Lombard Odier: Mögliche Einflüsse einer geplanten, massiven Erhöhung der direkten Bundesteuer auf Kapitalleistungen aus Vorsorge

Zentrale Punkte
- Kapitalleistungen aus der beruflichen und privaten Vorsorge werden derzeit separat mit einem reduzierten Satz von vier Fünftel besteuert (maximaler Steuersatz von 2,3 % bei der direkten Bundessteuer).
- Der ursprüngliche Vorschlag zielte darauf ab, die Besteuerung von Renten und Kapitalleistungen der Altersvorsorge anzugleichen. Dafür sollten Kapitalleistungen zum vollen Satz gemeinsam mit dem übrigen Einkommen besteuert werden (maximaler Steuersatz von 11,5 % bei der direkten Bundessteuer).
- Aufgrund des sich abzeichnenden erheblichen Widerstandes wurde für die Vernehmlassung bereits eine Anpassung vorgenommen.
- Bisher wurde noch kein Gesetzesentwurf ausgearbeitet. Die Vernehmlassung ist im Gange und läuft voraussichtlich bis am 5. Mai 2025.
- Es bleibt abzuwarten, wie sich dann der effektive Gesetzesvorschlag präsentieren wird.
- Dieser Artikel zeigt einen Vergleich der aktuellen Steuerbelastung und der potenziellen Belastung gemäss dem Vorschlag.
von Thomas Wyss, Head Wealth Planning Deutschschweiz Lombard Odier
Nach einem Bericht einer Expertengruppe erwägt der Bundesrat eine drastische Änderung der Einkommensbesteuerung auf Bundesebene, die sich auf Kapitalleistungen aus der 2. Säule und der Säule 3a auswirken würde. Sollte dieser Vorschlag umgesetzt werden, hätte dies eine erhebliche Erhöhung der Steuerbelastung beim Bezug von Kapitalleistungen aus Vorsorge zur Folge.
Vorschlag: Neuer progressiver Steuersatz für Kapitalleistungen der beruflichen und gebundenen privaten Vorsorge
Die Expertengruppe zur Überprüfung der Bundesaufgaben und -subventionen legte im September 2024 eine Reihe von Massnahmen vor, um die Bundesfinanzen zu entlasten. Eine dieser Massnahmen sah vor, Kapitalleistungen aus der 2. Säule und der Säule 3a wie Altersrenten zu besteuern. Damit sollte der steuerliche Vorteil, der bislang bei einem Kapitalbezug aus Vorsorge auf Bundesebene besteht, abgeschafft werden.
Es war vorgesehen, Kapitalleistungen aus Vorsorge gemeinsam mit dem übrigen Einkommen zu besteuern, anstatt wie bis anhin separat zu einem reduzierten Satz. Aufgrund des sich bereits von Beginn weg abzeichnenden breiten Widerstands wurden diese Vorschläge nun bereits angepasst.
Das Ziel des nun festgelegten Tarifs ist es, geringe Kapitalbezüge insbesondere aus der Säule 3a weiterhin zu moderaten Sätzen zu besteuern. Höhere Kapitalbezüge sollen hingegen stärker besteuert werden als bisher. Die Kantone sollen ihre volle Autonomie bezüglich der kantonalen Besteuerung von Kapitalleistungen aus Vorsorge behalten.
Die Tabelle zeigt die aktuellen Steuersätze auf Bundesebene im Vergleich zu den Steuersätzen des Reformvorschlags :

Es fällt auf, dass der Entwurf nicht mehr zwischen ledigen/geschiedenen und verheirateten Steuerpflichtigen unterscheidet. Es gibt nur noch einen einzigen Tarif. Ausserdem werden Kapitalleistungen in geringer Höhe zwar weiterhin zu einem angemessenen Satz besteuert, nicht aber grössere Beträge. Die derzeit geltenden Grundsätze des möglichen Abzugs von ordentlichen Beiträgen und freiwilligen Beiträgen (Einkäufe) sowie die Einkommens- und Vermögenssteuerbefreiung von Vermögenswerten, die innerhalb der 2. Säule und der Säule 3a gehalten werden, stellt der Bundesrat (noch) nicht in Frage.
Basierend auf dem Verständnis des Vorschlags ergeben sich die nachfolgenden möglichen Veränderungen der Steuerbelastung im Vergleich zur aktuell geltenden Steuerbelastung. Es handelt sich dabei um illustrative Schätzungen, da der Bundesrat bislang noch keinen detaillierten Gesetzesvorschlag ausgearbeitet hat.


Nächste Schritte und Gesetzgebungsverfahren
Die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahren zum Entlastungsprogramm, das die Vorlage zur Änderung der Besteuerung der zweiten Säule und der Säule 3a auf Bundesebene beinhaltet, werden dem Bundesrat als Grundlage für die Ausarbeitung der Botschaft dienen, die er im September 2025 zuhanden des Parlaments verabschieden will. Sollte dieser Zeitplan eingehalten werden, könnten die Räte das Entlastungsprogramm bereits in der Wintersession 2025 behandeln.
Bleibt zu berücksichtigen, dass gegen die vorgeschlagenen Massnahmen ein Referendum ergriffen werden kann. Dieses kann von 50’000 stimmberechtigten Bürgern oder acht Kantonen innerhalb von 100 Tagen nach der offiziellen Veröffentlichung des Bundesgesetzes verlangt werden. Die Gesetzesänderungen könnten somit – sofern angenommen – theoretisch frühestens 2027 in Kraft treten.
Würdigung
Seit der Ankündigung dieser möglichen Änderungen ist bereits eine intensive politische Diskussion im Gange. Es formiert sich grosser Widerstand gegen dieses Vorhaben des Bundesrates. Soll der Bürger, welcher seit Jahrzehnten dazu angehalten worden ist, seine Vorsorge für den Ruhestand aufzubauen, u.a. auch mit steuerbegünstigten zusätzlichen Einkäufen, nun rückwirkend dafür «bestraft» werden? Ist es richtig, dass die Spielregeln während des Spiels geändert werden sollen? Es hätte wohl niemand eingezahlt, wenn er gewusst hätte, dass er bei der Auszahlung mit einer massiv höheren Steuerbelastung zu rechnen hätte. Es darf zurecht gesagt werden, dass es in einem Rechtsstaat grundsätzlich nicht angeht, Gesetzesänderungen vorzunehmen, welche eine Rückwirkung haben. Das wäre ja, wie wenn man auf einer Strasse die Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 auf 30 reduzieren würde und dann alle, welche in den letzten Jahren mit 50 durchgefahren sind, mit einer Busse belegen würde. Die Rechtssicherheit würde in Frage gestellt.
Es gilt dennoch, die Entwicklungen dieser Vorschläge im Auge zu behalten. Es ändert sich auch nichts daran, dass im Hinblick auf den Ruhestand eine ganzheitliche Vermögensplanung notwendig ist, welche nicht nur steuerliche Aspekte berücksichtigen sollte. (Lombard Odier/mc)