EZB-Chef Draghi will Rettungsfonds bei Anleihekäufen dabei haben

EZB-Chef Draghi will Rettungsfonds bei Anleihekäufen dabei haben

EZB-Präsident Mario Draghi.

Frankfurt am Main – Anleihekäufe ja, aber nicht sofort und nur unter Auflagen: EZB-Chef Mario Draghi will den Rettungsfonds EFSF bei Markteingriffen mit im Boot haben. «Die hohen Risikoprämien für einige Staatsanleihen sind nicht akzeptabel», sagte der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag auf der Pressekonferenz im Anschluss an den Zinsentscheid in Frankfurt.

Draghi stellte Unterstützung für Krisenstaaten am Anleihemarkt in Aussicht, nahm jedoch auch die Regierungen in die Pflicht. Der Rettungsfonds EFSF müsse aktiviert werden, um dem Problem der hohen Renditen zu begegnen. Die Finanzmärkte hatten offenbar mehr erwartet, doch Experten werten die angekündigten Schritte positiv.

Enttäuschung an den Finanzmärkten
Ein sofortiges Eingreifen der EZB an den Anleihemärkten schloss Draghi aus. Details müssten erst noch beschlossen werden. Anleger reagierten enttäuscht. «Nach der starken Erholungsrally seit Mitte vergangener Woche wollte der Markt etwas anderes hören, als dass in den kommenden Wochen die Modalitäten festgelegt werden sollen», sagte ein Börsianer. Der Euro fiel während der Pressekonferenz auf ein Tagestief unter der Marke von 1,22 US-Dollar. Zuletzt wurde die Gemeinschaftswährung wieder leicht erholt bei 1,2213 Dollar gehandelt.

Die zehnjährige Rendite für italienische Staatsanleihen kletterte zurück über die Schwelle von sechs Prozent und das spanische Pendant überquerte die Schmerzgrenze von sieben Prozent. Die Kurse der als sicher gehandelten deutschen Anleihen schossen nach oben, und der richtungsweisende Euro-Bund-Future stieg auf ein Tageshoch bei 144,73 Punkten. Der Dax drehte in den roten Bereich und büsste zwischenzeitlich fast zwei Prozent ein. Zuletzt erholte er sich wieder etwas und wurde mit minus 1,10 Prozent bei 6.680,60 Punkten notiert.

Experte begrüsst EZB-Ankündigungen
Dennoch lobte Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Draghis Äusserungen. Der EZB-Chef habe «geliefert». Auch wenn es keinen unmittelbaren Start der Markteingriffe gebe, sei eine «starke Nachricht» gesendet worden. In Deutschland solle man dankbar sein, dass die Notenbank zu Anleihekäufen bereit ist. «Dies kann das schrittweise Abrutschen der deutschen Wirtschaft in die Rezession verhindern.»

Viola Julien, Analystin der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), hob hervor, dass bei den neuen Massnahmen nicht mit einer Kopie des auf Eis liegenden EZB-Kaufprogramms (SMP) für Staatsanleihen zu rechnen sei. Draghi habe betont, dass die Regierungen bereit sein müssten, den Rettungsfonds EFSF in Anspruch zu nehmen.

Banklizenz für ESM wäre Angelegenheit der Staaten
In Sachen Banklizenz für den dauerhaften Rettungsfonds ESM dämpfte Draghi ebenfalls die Erwartungen der Märkte. Er sehe die Entscheidung darüber ohnehin nicht im Zuständigkeitsbereich der Notenbank, so der EZB-Präsident. Zum jetzigen Zeitpunkt sei der Fonds kein berechtigter Kreditnehmer EZB. Die Juristen der Notenbank hätten diese Möglichkeit bereits im Februar geprüft und abgelehnt.

Die Notenbank werde sich bei ihren Markteingriffen auf das kurze Ende der Renditekurve konzentrieren, sagte Draghi. Dass Krisenstaaten voraussichtlich nur im kurzen Laufzeitbereich unterstützt werden, bezeichneten Experten als enttäuschend. Die Probleme lägen vor allem in den hohen langfristigen Zinsen.

Widerstand gegen Anleihekäufe vor allem aus Deutschland
Zumindest in einer Hinsicht machte der EZB-Chef den Märkten Hoffnung auf Zugeständnisse: Draghi sagte, dass der bevorzugte Gläubigerstatus, den die EZB bei Markteingriffen geniesst, geklärt werden müsse. Viele Investoren schreckt bislang ab, dass die Notenbank bei Umschuldungen wie in Griechenland bevorzugt behandelt wird.

Der Widerstand gegen Anleihekäufe von Euro-Krisenländern durch die EZB kommt nach Angaben von Draghi vor allem aus Deutschland. Es sei bekannt, dass Bundesbank-Präsident Jens Weidmann Vorbehalte gegen derartige Massnahmen habe, sagte der EZB-Präsident. Weidmann ist wie sein Vorgänger Axel Weber gegen Staatsanleihenkäufe durch die Notenbank, weil die EZB so aus Sicht der Bundesbank durch die Hintertür Staaten finanziert – was ihr die EU-Verträge verbieten

Unsicherheit im Euroraum bleibt hoch – Wachstum schwach
Auch Draghis Äusserungen zur konjunkturellen Entwicklung im Euroraum drückten die Stimmung der Anleger. Der Notenbankchef sagte, die Unsicherheit im Euroraum bleibe hoch und das Wachstum schwach. Die Indikatoren würden auf schwache wirtschaftliche Aktivität im zweiten Quartal hinweisen. Die Inflationserwartungen dürften weiter zurückgehen.

Zuvor hatte die EZB den Leitzins wie erwartet auf dem Rekordtief von 0,75 Prozent belassen. Obwohl die Schuldenkrise zuletzt eskaliert war, hatten die wenigsten Volkswirte nach der historischen Zinssenkung von Anfang Juli rasch mit einem erneuten Zinsschritt gerechnet.

Immense Erwartungen an den Finanzmärkten
Die Erwartungen an den Finanzmärkten waren enorm hoch gewesen, Analysten hatten von der «wichtigsten Notenbanksitzung seit langem» gesprochen. Draghi hatte vor einer Woche bei einer Rede in London gesagt: «Die EZB wird im Rahmen ihres Mandats alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten. Und glauben Sie mir – es wird ausreichen.»

Der Notenbankchef hatte darüber hinaus betont, dass Störungen des geldpolitischen Transmissionsmechanismus in den Zuständigkeitsbereich der EZB fallen – mit ähnlichen Hinweisen waren bereits früher Anleihekäufe begründet worden.

Spanien und Italien funken SOS am Anleihenmarkt
Die grossen Krisenländer Spanien und Italien rufen wegen der hohen Zinsen, unter denen sie am Anleihemarkt leiden, schon länger nach Unterstützung der Notenbank. Die hält sich jedoch bereits seit März mit Käufen zurück.

Die Rettungsfonds EFSF und ESM haben vertraglich die Möglichkeit, Papiere bedrängter Euroländer zu erwerben und dürfen anders als die Notenbank auch am Primärmarkt kaufen, also direkt bei Auktionen neuer Anleihen mitbieten.

Werden kurzfristig Hilfsanträge gestellt?
Dafür müsste jedoch ein formeller Antrag der Staaten gestellt werden, was bislang nicht geschehen ist. Kritiker monieren, dass die Mittel der Fonds begrenzt sind. Dafür würde Hilfe auf diesem Weg nur unter strikten Auflagen erfolgen, was bei Markteingriffen der EZB nicht der Fall wäre.

Marktgerüchten zufolge sollen die italienischen und spanischen Regierungschefs Mario Monti und Mariano Rajoy eine kurzfristige Pressekonferenz vorbereiten, auf der entsprechende Hilfsgesuche vorgetragen werden. (awp/mc/upd/ps)

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