Renditefalle Obligationen: «No risk, no return»

Renditefalle Obligationen: «No risk, no return»

Von Dieter Haas und Martin Raab, Derivative Partners Media AG, www.payoff.ch

Ohne Risikobereitschaft kommen Anleger derzeit bei Obligationen performancemässig nicht vom Fleck. Attraktive Renditen bieten sich erst bei Einbezug eines Inflationsschutzes, Kreditrisiken oder bei bestimmten Schwellenländer-Bonds. Welche Strukturierten Produkte und ETFs sich jetzt lohnen.

Eine Baslerin aus dem «Daig» hat einmal folgendes Bonmot von sich gegeben: «Wer von Zinsen lebt, ist unseriös, der echte Reiche lebt von den Zinseszinsen.» Mit dieser Differenzierung unterschied die Dame Neureiche von wirklich Reichen. Damit ein Vermögender sich überhaupt zu diesem elitären Zirkel zählen darf, benötigt er inzwischen eine Milliarden Franken auf seinem Konto. Nur dann kann man im derzeitigen Tiefzinsumfeld – der 3-Monats CHF Libor beträgt gerade noch hauchdünne 0,014% – von den Zinseszinsen einen Jet-Set-Lebensstil problemlos finanzieren.

Prekäre Lage bei Bond-Portfolios
Für die Durchschnittsanleger sind solche Probleme in weiter Ferne. Sie schaudert eher der reale Wertverlust ihrer Obligationenvermögen. Die gleichen Sorgen teilen inzwischen Anlageverwalter aller Couleur, inklusive milliardenschwerer Pensionskassen. Zwar haben Letztgenannte kurstechnisch voll an der Bondhausse profitiert, bekommen aber nun fast keine anständigen Erträge mehr von ihren Wertschriften. Grund sind die ausufernden Staatsschulden in vielen Industriestaaten sowie die extrem expansive Geldpolitik der Notenbanken. Die Bondkurse sind zu hoch, die Coupons zu tief. Zusätzlich entschädigen Obligationen inzwischen nicht mehr für die Kreditrisiken und schon gar nicht für die reale, schleichende Teuerung abseits der statistisch geschönten Warenkörbe.

«Obligationen entschädigen inzwischen weder für Kreditrisiken noch die Teuerung abseits der statistisch geschönten Warenkörbe.»

Negativzinsen sind reale Bedrohung
Traditionell sind die Obligationenrenditen sehr eng mit dem jeweiligen Zinsumfeld verbunden. Für Anlagen in Schweizer Franken droht durch den «1.20-Peg» zum Euro sogar weiteres Ungemach. «Wir erwarten nicht, dass Negativzinsen im Falle eines Falles ein Hemmschuh für die SNB wären», äusserte sich kürzlich Dirk Schumacher, Goldman Sachs Europa-Chefvolkswirt bei Bloomberg. Sollte es bei der Europäischen Zentralbank (EZB) zu weiteren Zinssenkungen oder Stützungsprogrammen kommen, könnte die SNB den Hebel entsprechend umlegen. Insgesamt ist die Lage am Obligationenmarkt prekär. Geteilte Meinungen hört man am Markt zum Thema Inflation. Diese ist bei vielen Anlegern mehr oder weniger in Vergessenheit geraten, andere wiederum realisieren, dass gerade Staatsanleihen inzwischen effektiv keinen Risikoaufschlag mehr für potenzielle Inflationsgefahren ausweisen. Man spricht unter Bondtradern im Bezug auf Staatsanleihen westlicher Nationen inzwischen sarkastisch vom «return-free risk».

 Massenflucht in Alternativen
Die Suche nach Renditen betrifft alle Investoren der Hartwährungsländer – nicht nur solche mit Schweizer Franken als Heimatwährung. «Die meisten Bond-Anleger wagen sich daher auf risikoreicheres Terrain, nehmen mehr Kreditrisiken in Kauf und zeigen sich auf der Währungsseite experimentierfreudig», erklärt Caroline Hilb-Paraskevopoulos, Leiterin Anlagestrategie bei der Hyposwiss Privatbank. So verzeichnen Unternehmensanleihen mit schwächerer Bonität und Emerging Markets Bonds neue Rekordzuflüsse. «Diese Entwicklung bereitet uns stellenweise Sorgen, weil Renditen und Mittelzuflüsse plötzlich drastisch absinken könnten», gibt Michael Hartnett, Chief Investment Strategist der Bank of America Merill Lynch, zu bedenken. Noch sei aber keine akute Gefahr einer platzenden Bondblase zu vermelden. Um zu verhindern, dass mühsam erwirtschaftete Vermögen schmelzen wie Schnee an der Sonne, braucht es gegenwärtig einiges an Phantasie.

«Unter Bondtradern spricht man bei Staatsanleihen vom ‹return-free risk›.»

Inflationsgeschützte Anleihen vermindern Schlimmeres
Das Ausweichen auf Obligationen mit eingebautem Teuerungsschutz ist eine mögliche Rettungsoption. Sie bieten einen gewissen Mehrwert gegenüber klassischen Anleihen. Das Tracker-Zertifikat VZILB, welches fünf erstklassige Anleihen umfasst und bis zum 1. April (kein Aprilscherz!) 2016 läuft, schlägt sich seit der Emission Ende Juni 2010 ganz achtbar und übertrifft den Vergleichsindex europäischer Staatsanleihen des Finanzdienstleisters Bloomberg. Ein vergleichbares Pendant auf CHF-Obligationen gibt es leider nicht. Der interessierte Anleger muss daher beim Kauf von VZILB das Währungsrisiko des Euro zum CHF in Kauf nehmen. Solange die Schweizerische Nationalbank die Marke von 1.20 verteidigt, hält sich die Gefahr von Wechselkursverlusten in Grenzen. Es dürfte erst kritisch werden, wenn sich die Kaufkraftparität des Euro zum CHF der Verteidigungslinie nähert, was frühestens 2014 der Fall sein dürfte. Ein Manko bei den inflationsgeschützten Produkten ist deren Koppelung an offizielle Teuerungsraten. Sie widerspiegeln das Ausmass der Geldentwertung nur zum Teil. Die gefühlte Inflation ist eindeutig höher, da der Preisanstieg von Gütern des täglichen Bedarfs nur unzureichend in die gemessenen Zahlen einfliesst. Trotz der beiden Schwächen sind inflationsgeschützte Produkte besser als gar nichts.

Corporate Bonds besser als Staatsanleihen
Die Rendite einer Obligation setzt sich aus der risikolosen Verzinsung und dem schuldnerspezifischen Kreditaufschlag (Credit Spread) zusammen. Ändert sich die risikolose Verzinsung, ändert sich auch der Wert des Bonds. Im aktuellen Umfeld wird das eingegangene Zinsänderungsrisiko jedoch nicht gebührend entschädigt. Bei den Unternehmensobligationen, auch als Corporate Bonds bekannt, schlummern diesbezüglich beträchtliche Potenziale. Vielen Konzernen gelang seit 2009 eine erhebliche Verbesserung ihrer Bilanzen. Ihre Ertragsaussichten sind absolut intakt, was vom Markt erst teilweise realisiert wurde. Corporate Bonds gut geführter Unternehmen sind inzwischen begehrter als Staatsanleihen. Dank der tiefen Kreditzinsen und erster positiver Signale einer Besserung der globalen Wirtschaft dürften sich die positiven Tendenzen weiter verstärken. Die relativ hohen Credit Spreads der Corporate Bonds im Vergleich zu Staatsanleihen könnten sich daher in den kommenden Wochen und Monaten stetig vermindern.

«Die Jagd nach Rendite sorgt für eine prekäre Lage am Obligationenmarkt.»

Credit Default Swaps als Indikator
Bis zur Erreichung der tiefen Credit Spread-Niveaus von vor dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 ist noch viel Luft nach unten vorhanden. Um von steigender Schuldnerqualität zu profitieren, eignet sich entweder ein Kreditindex oder ein Rentenmarktindex. Erstgenannter basiert auf einem Credit Default Swap Index, also auf einem Index, welcher schuldnerspezifische Kreditrisiken mittels Wertentwicklungen bei Credit Default Swaps misst. Verschlechtert sich die Schuldnerqualität, steigen die Kreditaufschläge (die Swaps zur Absicherung verteuern sich) und umgekehrt. Die Auswirkungen einer Verbesserung der Schuldnerqualität lassen sich exemplarisch am Beispiel europäischer Unternehmensschuldner aufzeigen: Der vom Finanzdatenprovider Markit berechnete iTraxx Europe Index umfasst 125 gleichgewichtete Credit Default Swaps von Investmentgrade-Unternehmen, d.h. besser als BBB geratet. Deren Ausfallrisiko erreichte Ende 2008 seinen Höhepunkt. Die anschliessende, bis Ende 2009 dauernde Beruhigung führte zu einem kräftigen Anstieg des iTraxx Europe 5Y Total Return Index. Dieser bildet eine Long-Position auf Credit Default Swaps ab und spiegelt somit die Kreditqualitäten von 125 europäischen Unternehmensanleihen wider. Eine ähnliche, im Ausmass aber geringere Entwicklung zeichnet sich seit Mitte 2012 ab. «So lange die SNB den fixen Wechselkurs zwischen Euro und Franken hält, können auch Obligationen in Euro mit guter Kreditwürdigkeit eine interessante Alternative sein», ist sich Caroline Hilb-Paraskevopoulos von der Hyposwiss sicher.

Augen auf beim Indexkauf
Neben der Indexfamilie des iTraxx (Credit Default Swaps) werden ebenfalls von Markit unter dem Namen iBoxx auch Obligationenmarkt-Indizes berechnet. Bei professionellen Anlegern gelten die iBoxx-Indizes inzwischen als Referenz zur Abbildung von Bonds. Besonders gut für eine Abbildung der liquidesten Anleihen aus Europa eignet sich der iBoxx EUR Liquid Corporates Index. Der von Markit berechnete Index umfasst 40 Obligationen (Euro-denominiert, rund vier Jahre Duration, quartalsweise Überprüfung der Indexbestandteile durch Markit) unterschiedlicher Emittenten. Wichtig zu wissen: Der Index weist eine hohe Sektorkonzentration auf. Bonds aus der Finanzbranche repräsentieren rund 45% des gesamten Index. Veränderungen der Bondkurse von Banken spielen also gewichtig bei der Kursentwicklung des Index mit. Um dem Exposure gegenüber Finanztiteln zu entfliehen, wurden sog. «Non Financial»- oder «Ex Financial»-Indizes kreiert. Beliebter Vertreter der Non Financial-Indizes ist der iShares Barclays Euro Corporate Bond ex-Financials ETF, welcher an der SIX Swiss Exchange unter dem Symbol IEXF kotiert ist. Dennoch leiden Non Financial-Indizes ebenfalls unter Branchenkonzentration. Anstelle des Finanzsektors dominieren dort oftmals der Energie- oder Telekombereich. Es empfiehlt sich daher, die jeweiligen Indexdetails in Ruhe anzusehen. Mit Blick auf breite Marktabdeckung bietet der iBoxx EUR Liquid Corporates Index dennoch eine gute Möglichkeit, um an der Entwicklung der europäischen Unternehmensanleihen zu partizipieren. Das endlos laufende Tracker-Zertifikat JFAIE von Julius Bär macht sich diesen Effekt zunutze (siehe Grafik 3), der ebenfalls börsenkotierte ETF ECOEUA verfolgt den gleichen Index, scheint aus Gebührensicht (0,50% p.a. vs. 0,20% p.a.) für den Anleger letztlich interessanter. Der ETF ist allerdings erst seit Juli 2012 live, daher dient der Trackerkurs von JFAIE in der Abbildung 3 als grafischer Verlauf. Den Performancevorteil spielt ECOEUA allerdings schon jetzt aus.

«In so mancher Unternehmensobligation schlummert immer noch beträchtliches Potenzial.»

Bonds aus Schwellenländern – eine echte Alternative
Laut einer im Dezember 2012 vom Fondsresearcher ifund services durchgeführten Befragung von 200 Schweizer Pensionskassen beabsichtigen diese im Jahr 2013 angesichts des tiefen Zinsniveaus in unserem Lande den Anteil Schweizer Anleihen zu reduzieren, im Gegenzug sollen Immobilienanlagen und Bonds aus Schwellenländern drastisch zulegen. Diesen Trend sieht man in der Praxis bestätigt. «Emerging Market Bonds sind ganz klar Alternativen in Kollektivanlagen», so Hyposwiss-Anlagestrategin Hilb-Paraskevopoulos. Vor diesem Hintergrund ist das per 16. Januar emittierte Tracker-Zertifikat CNYBTR auf fünf China-Bonds guter Schuldner eine valable Investitionsmöglichkeit, zumal sich die chinesische Währung zum CHF in den letzten fünf Jahren als sehr stabil erwiesen hat. Vom diversifizierten Risikostandpunkt noch besser ist der seit Juni 2007 gehandelte, endlos laufende Tracker VZBEM auf den Vontobel Best of Emerging Market Bond Funds Index in Euro. Mit seiner Performance in CHF seit Februar 2011 schlägt er die besten Konkurrenten, auch wenn der Kurs zwischenzeitlich infolge der weltweit gestiegenen Kreditrisikoprämien im Sommer 2011 etwas unter Druck geraten ist.

 Spannender Jahresauftakt
Mit Blick auf die ersten Börsentage des neuen Jahres, konnten sich primär Anleger mit starkem Aktienexposure freuen. Im Schatten des vorerst gelösten Budget-Streits in den USA haussierten die Notierungen an den Aktienbörsen weltweit. Im Bondmarkt bleibt die Lage bis auf weiteres eher angespannt. Tradingorientierten Anlegern mit der richtigen Portion Risikobewusstsein könnte eine Short-Positionierung auf grosse Obligationen- bzw. Zins-Benchmarks wie den Bund-Future oder Futures auf die 10 jährigen US-Treasury Notes zusätzliche Rendite ins Portfolio einspielen. Allen anderen Renditejägern seien die drei abschliessenden Produktempfehlungen (siehe Box) ans Herz gelegt. So lässt sich wahrscheinlich am besten aus der Renditefalle entkommen.

 

KURZ ERKLÄRT

Credit Spread
Als Credit Spread wird die Renditedifferenz zwischen Unternehmens- und Staatsobligationen bezeichnet. Er wird in Basispunkten ausgedrückt.

Credit Default Swap (CDS)
Ein CDS ist ein Kreditderivat, das es erlaubt, bestimmte Ausfallrisiken von Krediten oder Obligationen zu handeln. CDS können gekauft oder verkauft (geschrieben) werden.

Kredit-Index
Als Kredit-Index bezeichnet man die zusammengefasste, aggregierte Kursentwicklung von Obligationen.

iTraxx
Hierunter versteht man den Namen einer Familie von Credit Default-Indizes, welche vom Marktdatenprovider Markit berechnet werden. Die iTraxx-Indizes bilden die Entwicklung der entsprechenden Kreditderivatmärkte – insbesondere Credit Default Swaps – repräsentativ ab.

iBoxx
iBoxx ist der Name einer Indexfamilie für Rentenmarkt-Indizes für die Regionen Europa, USA und Asien. Die iBoxx-Indizes werden auf Grundlage von Handelsdaten aus großen Banken für festverzinsliche Staatsanleihen, staatlich garantierte Anleihen, besicherte Anleihen und Unternehmensanleihen berechnet.

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