Retail Banken: Konsequentes Vorantreiben der eigenen Digitalisierung

Retail Banken: Konsequentes Vorantreiben der eigenen Digitalisierung
(Bild: Fotolia/sdecoret)

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Zürich – Retail Banken müssen ihre Digitalisierung konsequent vorantreiben, wenn sie den Anschluss an die digitalen Wettbewerber nicht verlieren wollen. Dies erklären Experten der Unternehmensberatung Roland Berger in ihrer neuen Retail Banking-Studie «Executive Retail Banking Survey: Digital Transformation». Die Studie basiert auf einer Umfrage von 65 europäischen Banken, darunter 13 Finanzinstitute aus der Schweiz und Deutschland.

Schweizer Banken bieten einfache Bankgeschäfte schon heute online oder mobil an. Schwieriger wird es bei der Abwicklung komplexer Finanzprodukte – hier hinken viele Banken noch hinterher. «Wenn es um Kontoeröffnungen oder Kartenanträge über Online- oder Mobile-Kanäle geht, haben deutsche Banken ein besseres Leistungsspektrum als viele europäisch Banken», sagt Adrian Weber, Partner und Retail Banken-Experte von Roland Berger in Zürich. Hohe regulatorische Anforderungen, manuelle Prozesse und veraltete Systeme erschweren allerdings eine schnelle Abwicklung oder den Abschluss von komplexeren Finanzgeschäften, wie Versicherungsabschlüsse oder Kreditverträge. «Rapide wachsende Investitionen in Fintech Unternehmen ermöglichen es den digitalen Wettbewerbern, schnell und flexibel digitale Geschäftsmodelle auf Basis innovativer Leistungsangebote zu entwickeln. Die Retail Banken kommen so stark unter Druck. Denn Kunden erwarten die gleiche schnelle, flexible und zuverlässige Abwicklung ihrer Geschäfte wie bei Online-Händlern», ergänzt Weber.

Schweizer Kundendaten nur unzureichend genutzt
In der ersten Welle der Digitalisierung haben sich Schweizer Banken vor allem auf Basisprodukte fokussiert. Allerdings nutzen sie die daraus gesammelten Kundendaten nur unzureichend, um ihre Produkte oder ihren Service weiter zu verbessern. So analysieren nur rund 45 Prozent der Schweizer Retail Banken permanent das Online-Verhalten ihrer Kunden. Wechselt ein Kunde von der Filiale zum Online-Banking, werden seine historischen Daten kaum weiterverwendet. «Der Zugang zu digitalen Technologien ist nicht das Problem. Die Banken kämpfen vielmehr mit Widerständen innerhalb der Organisation, Bestehendes zu verändern», sagt Adrian Weber. Schweizer Banken haben im europäischen Kontext viel Nachholbedarf, wenn es darum geht, vorhandene Kundendaten systematisch auszuwerten und die Organisation für neue, digitale Produkte fit zu machen.

Digitalisierung ist kein Umsatztreiber
Um die Digitalisierung dennoch voranzutreiben, gründen Banken digitale Innovationszentren oder beteiligen sich an Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen. Schweizer Banken sind im Vergleich zu anderen europäischen Banken zurückhaltender und erachten nicht jeden Hype als nachahmenswert; nur vereinzelte vielversprechende Initiativen sind in diesem Kontext bereits beobachtbar. Insbesondere die Investitionsrisiken werden problematisch angesehen. Nur ein Drittel der befragten Banken investiert derzeit bis zu 20 Prozent ihres IT-Budgets in Digitalisierung. Verglichen mit anderen Branchen ist dieser Anteil gering. Dies liegt auch an den weiterhin enormen regulatorischen Anforderungen, die hohe Investitionen in bestehende oder neue IT-Systeme erforderlich machen. Zudem sehen die Studienteilnehmer in der Digitalisierung weniger einen zusätzlichen Umsatztreiber als vielmehr eine Ergänzung zum traditionellen Geschäft.

Ein Drittel der befragten Schweizer Banken rechnet mit Umsatzzuwächsen von weniger als zwei Prozent. Die befragten Banken sehen die Vorteile der Digitalisierung vielmehr auf der Kostenseite. Im derzeitigen Niedrigzinsumfeld mit weiterhin geringen Margen können durch Digitalisierung der Prozesse Kosten gesenkt und somit die Cost-Income-Ratio verbessert werden.

Sieben Empfehlungen für eine erfolgreiche Transformation
Die Banken stehen aber vor der Herausforderung, ihr Geschäftsmodell konsequent und gezielt anpassen zu müssen. Denn neue, branchenfremde Wettbewerber bieten innovative digitale Angebote. Das globale Investitionsvolumen in Fintech-Unternehmen lag Ende 2014 bei über 10 Milliarden Dollar und hat sich damit innerhalb eines Jahres fast verdreifacht. «Durch die digitalen Geschäftsmodelle und die Innovationsgeschwindigkeit der neuen Wettbewerber müssen Banken ihre Organisationen offener, flexibler und agiler ausgestalten. Nur so lässt sich auf die stetigen Veränderungen im sich ständig ändernden digitalen Umfeld reagieren», warnt Weber. Für eine erfolgreiche Transformation geben die Roland Berger-Experten sieben Empfehlungen:

  • Gezieltere Kundenansprache: Durch Auswertung des Kundenverhaltens über alle Kanäle (Online, Mobil, Filiale) können Kundenbedürfnisse besser gefiltert werden und so der ideale Zeitpunkt für eine individuelle Kundenansprache identifiziert werden.
  • Entwicklung alternativer Wege zur Kundengewinnung: Die Neukundengewinnung ist in den letzten Jahren sehr schwierig geworden. Banken müssen daher innovative Ideen entwickeln, um Neukunden mit einfachen und digitalisierten Produkten zu überzeugen.
  • Identifikation neuer Umsatzquellen: Es reicht nicht aus, bestehende Geschäftsmodelle punktuell zu optimieren. Banken müssen auch ihr Wachstum vorantreiben und neue Geschäftsfelder erschliessen.
  • Aufbau eines digitalen Ökosystems: Durch Kooperationen mit branchenfremden digitalen Playern oder Fintech-Unternehmen bekommen Banken direkten Zugang zu innovativen Ideen und lernen die Denkweise der «Digital Natives».
  • Entwicklung hin zu einer lernenden Organisation: Der zunehmenden Unsicherheit kann nur durch eine flexible und agile Organisation begegnet werden. Diese Eigenschaften müssen in der Organisation von Banken – wenn erforderlich mithilfe externer Partnerschaften – verankert werden, um sich im ständig ändernden digitalen Umfeld weiterentwickeln zu können.
  • Neudefinition des Kundenservice: Digitalisierung ermöglicht eine neue Art des Kundenservice. Um diese Chancen nutzen zu können, muss ein radikaler Kulturwandel in den Banken stattfinden.
  • Digitalisierung aller Prozesse: Die Digitalisierung muss entlang der gesamten Wertschöpfungskette bis hin zum Back Office stattfinden, damit auch komplexere Finanzprodukte schnell und zuverlässig abgewickelt werden können. (Roland Berger/mc/pg)

Roland Berger

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