Reto Preisig, CEO Brauerei Schützengarten AG im Interview

Reto Preisig, CEO Brauerei Schützengarten AG im Interview

Reto Preisig, CEO Brauerei Schützengarten AG. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Preisig, seit dem Ende des Bierkartells in den neunziger Jahren hat sich die Schweizer Brauerei-Landschaft vollkommen gewandelt. Wie würden Sie die Entwicklung beschreiben?

Reto Preisig: Nach dem Ende des Bierkartells kam es infolge Überkapazitäten zu diversen Zusammenschlüssen und Übernahmen. Die grössten Schweizer Brauereien wurden allesamt von den beiden Konzernbrauereien Carlsberg und Heineken übernommen und sind nun in ausländischer Hand. Rund 30 Braustätten zahlten in den neunziger Jahren Biersteuer. Insbesondere in den letzten 6-7 Jahren hat sich jedoch die Situation wieder geändert. Viele Klein- und Mikrobrauereien sind entstanden und haben in ihrem regionalen Heimmarkt Bedeutung erlangt. Mittlerweile sprechen wir von rund 500 Braustätten und die Schweiz weist mittlerweile weltweit die grösste Brauereidichte auf.

Wie haben sich denn die Ansprüche der Konsumenten verändert? Welche Biere werden besonders stark nachgefragt?

Gewachsen sind die Importvolumen, hauptsächlich aus Deutschland. Nachdem in den neunziger Jahren insb. internationale Premiumbiere nachgefragt wurden, haben sich in den letzten Jahren leider vor allem Billigbiere in Dosen positiv entwickelt. Diese fassten in den Discountkanälen Fuss, wo seit dem Markteintritt von Lidl und Aldi viel Bewegung ist. Die Folge war, dass im Schweizer Biermarkt die Lagerbiere weiter zulegen konnten und die Spezialitäten zurückgedrängt wurden.

«Wir konnten uns in den letzten Jahren im Marktvergleich sehr erfolgreich entwickeln.»
Reto Preisig, CEO Brauerei Schützengarten AG

Und wie hat sich die Brauerei Schützengarten auf diese Entwicklungen eingestellt?

Wir konnten uns in den letzten Jahren im Marktvergleich sehr erfolgreich entwickeln. Seit jeher setzen wir auf Spezialitätenbiere und mittlerweile gehen rund 40% unseres Volumens mit Produkten wie Klosterbräu, Weisser Engel, Gallus oder Schwarzer Bär zu den Konsumenten. Es gibt eine wachsende Schar von Bierliebhabern, die gerade diese individuellen und charakterstarken Biere geniessen möchte.

Wie wichtig ist es, immer wieder ein neuartiges Bier vorzustellen?

Der Biermarkt ist in Bewegung und es ist uns ein wichtiges Anliegen die Bierkultur zu fördern und den Konsumenten neue Geschmackserlebnisse für unterschiedliche Konsumsituationen zu bieten. Regelmässig kommen neue Kreationen hinzu, denn unsere Kunden und Konsumenten schätzen neben der Qualität auch die Produktevielfalt.

Wie gehen Sie bei der Entwicklung neuer Rezepte vor?

Hier ist Teamarbeit gefragt. Ideen kommen insbesondere vom Markt, d.h. von Kunden, Konsumenten, aber dann natürlich auch von internen Stellen wie von unseren Braumeistern und Kundenbetreuern. Geht es dann um die konkrete Entwicklung, so ist unser Braumeister-Team, dem im übrigen auch zwei Frauen angehören, gefordert. Regelmässig finden in den verschiedenen Phasen der Produktentwicklung Degustationen statt – intern, aber auch extern, auch zusammen mit Schlüsselkunden und Konsumenten. Die externe Sicht ist uns sehr wichtig.

1779 in St. Gallen gegründet ist die Brauerei Schützengarten AG die älteste Brauerei der Schweiz und dabei tief in der Ostschweiz verwurzelt. Wie wichtig sind der lokale Aspekt und die Eigenständigkeit des Unternehmens für die Entwicklung der Brauerei Schützengarten?

Als Familienunternehmen ist uns die Eigenständigkeit sehr wichtig. Sie sorgt dafür, dass wir mit einfachen und schnellen Entscheidungswegen rasch auf Marktbedürfnisse reagieren können und unabhängig von externen Einflüssen entsprechende Investitionen und andere Entscheide tätigen können. Seit über 236 Jahren brauen wir auf unserem Areal, welches sich im Herzen der Stadt befindet. Unsere Lieferwagen prägen nicht nur das St. Galler Stadtbild sondern auch die Ostschweiz. Mit unserem Festmaterial leisten wir insbesondere auch bei grossen und kleinen Veranstaltungen Unterstützung – vom Familiengeburtstag bis zum Open Air Konzert oder Stadtfest. Bei solchen Veranstaltungen kommen Mitarbeitende von uns mit Veranstaltern, Vereinen und Festbesuchern in Kontakt. Dieser Austausch fördert den Zusammenhalt und sorgt bei der Kundschaft für eine hohe Loyalität gegenüber unseren Produkten und Dienstleistungen.

«Als Familienunternehmen ist uns die Eigenständigkeit sehr wichtig.»

In welchem Umkreis sind Ihre Biere erhältlich?

Unser Kernabsatzgebiet deckt grundsätzlich vor allem die Ostschweiz ab. Doch auch überregional sind wir präsent über nationale Referenzierungen in einzelnen Detailhandelskanälen sowie vermehrt auch in der Tessiner Gastronomie und in der Region Zürich und Innerschweiz.

Während der schweizweite Bierkonsum leicht zunahm, ging die Schützengarten-Eigenproduktion im Geschäftsjahr 2013/14 um 1,3 % auf 170’500 Hektoliter zurück. Wo sehen Sie die Gründe?

Tatsächlich nahmen die Importe wiederum stark zu. Nach jahrelangem Wachstum konnten wir im letzten Jahr die leichten Rückgänge in der Gastronomie nicht mit Zusatzvolumen aus dem Detailhandel kompensieren. Das miese Sommerwetter machte uns Brauern hier einen Strich durch die Rechnung.

Wie entwickelt sich das Geschäft mit der Gastronomie einerseits, mit dem Detailhandel andererseits?

Betrachtet man diese beiden Absatzkanäle, so konnte der Detailhandel in den letzten Jahren die Volumen massiv steigern, währenddem die Gastronomie seit Jahren in kleinen Schritten, aber kontinuierlich, an Bedeutung verlor. Diese Entwicklung ist wohl noch nicht ganz abgeschlossen. Die Reduktion der Promillegrenze im Jahre 2005 sowie das Bundesgesetz zum Schutz gegen das Passivrauchen im Jahr 2010 haben hier ihre Spuren hinterlassen.

Dadurch haben sich auch die Freizeitgewohnheiten etwas verändert. Die junge Generation feiert öfter als früher zuhause und weniger in Stammlokalen. Oder man verbringt gemeinsame Zeit am Computer und surft im Netz. Hierzu deckt man sich nach der Arbeit vor allem auch in Convenience stores oder Tankstellen „on the go“ mit den entsprechenden Produkten ein.

Sind die Klein- und Mikro-Brauereien eine Konkurrenz für Sie oder beleben sie vielmehr den Markt?

Die Klein- und Mikro-Brauereien haben in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Sie leisten mit ihren Sortimenten und Dienstleistungen einen wichtigen Beitrag zur Biervielfalt und zum Bierverständnis bei den Schweizer Konsumenten – genau gleich wie wir mit unseren Spezialitätenbieren in diese Richtung arbeiten. Letztendlich hilft diese Entwicklung der ganzen Branche.

«Mit jedem getrunkenen Billigbier verkaufen wir ein Qualitätsbier weniger.»

Sie haben die Billigbiere angesprochen. Wie stark spüren Sie die Konkurrenz?

Wie gesagt, die Bedeutung der vorwiegend im Ausland produzierten Billigbiere ist in den letzten Jahren gestiegen. Neben einer Kundschaft, die verstärkt regionale Qualitätsbiere nachfragt, gibt es auch eine Nachfrage nach Produkten auf der anderen Seite der Skala. Und mit jedem getrunkenen Billigbier verkaufen wir ein Qualitätsbier weniger.

Die Schweizer Bierbrauer haben sich erfolgreich gegen die «Swissness»-Regeln zur Wehr gesetzt, wonach Schweizer Wasser – und Bier besteht ja zu 90 % aus Wasser – nicht angerechnet worden wäre. Nun ist der Bundesrat bereit, die geplanten Swissness-Bestimmungen zu lockern. Was hätte der ursprüngliche Entwurf für Folgen gehabt?

Glücklicherweise hat unser Verband hier gute Arbeit geleistet und in der Vernehmlassung entsprechend Einfluss nehmen können. Die Folge wäre gewesen, dass wir unsere Produkte nicht mehr als Schweizer oder St. Galler Produkt hätten anpreisen können, obwohl über 90% der Rohstoffe schweizerischen Ursprungs sind. Die Produkte hätten als ursprungslos deklariert werden müssen – auf der anderen Seite hätten ausländische Hersteller sagen können, wo ihre Biere produziert worden sind. Es kann ja nicht sein, dass mit einer Swissness-Regel die Schweizer Produzenten noch benachteiligt werden, obwohl sie hier produzieren, hier ihre Mitarbeitenden beschäftigen und ihre Steuern bezahlen.

Welche Ziele verfolgen Sie im laufenden Geschäftsjahr?

Wir führen demnächst ein neues Produkt ein, und zwar ein Frucht-Panaché. Ein Bier für warme und durstige Tage. Das „Schützengarten Panaché“ ist ein erfrischender Schluck Heimat, die perfekte Symbiose aus traditionellem Lager-Bier, natürlicher Zitronenlimonade und einer Prise Edelweiss. Weiter tätigen wir am Brauerei-Standort grössere Investitionen und erweitern unser Bierlager. Auf den kommenden Winter hin wird dann unser Engpass beim Fertigproduktelager endgültig behoben sein.

Herr Preisig, besten Dank für das Interview.

Zur Person:
Reto Preisig, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Brauerei Schützengarten AG, ist 1962 in Flawil SG geboren und wohnt mit seiner Familie in Rehetobel AR. Als Executive MBA HSG verfügt er über umfassende Marketing- und Verkaufserfahrung im Konsumgüterbereich. Seit Ende Februar 2012 ist er für die Brauerei Schützengarten tätig. Am 1. Oktober übernahm er den Vorsitz der Geschäftsleitung von Christoph Kurer. Zuvor war Reto Preisig während mehreren Jahren in der Geschäftsleitung des europaweit tätigen Salatconvenience-Unternehmens Eisberg tätig, nachdem er sich während 12 Jahren für zwei Unternehmen aus der Süsswaren- und der Bierbranche engagiert hatte.

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