REYL Market Insight: Gold – Zeit für neuen Glanz?

REYL Market Insight: Gold – Zeit für neuen Glanz?
Von Kinan Khadam-Al-Jame, Head of Investments & Portfolio Management REYL & Cie. (Foto: REYL)

Genf – Ist Gold immer noch ein sicherer Hafen? Einige stellten sich diese Frage, als die Preise trotz zunehmender globaler Handelsspannungen und des nicht unerheblichen Risikos eines Handelskrieges sanken. Aus unserer Sicht lautet die Antwort Ja.

Während die Handelsstreitigkeiten viel Lärm machen, sind ihre Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte bisher begrenzt. Damit Gold davon profitieren kann, müssten die Auswirkungen viel grösser sein und zu einer breiteren Risikoaversion auf den Finanzmärkten und zu einer Flucht in Sicherheit führen. Dennoch hätten wir aufgrund der Unsicherheit im Zusammenhang mit den Handelshemmnissen eine gewisse Unterstützung für Gold erwartet.

Was für Gold bisher in diesem Jahr am wichtigsten war, war die Einschätzung des US-Zinszyklus. Die erwartete Anzahl zukünftiger Zinserhöhungen hat sich im Laufe der Zeit erhöht, da die US-Wirtschaft ein brillantes Wachstum zeigte. Zudem bekräftigte die US-Notenbank ihre Entschlossenheit, die Zinsen zu normalisieren. Als Folge erholte sich der US-Dollar, die Investitionsnachfrage schwächte sich ab und der Goldpreis begann zu schlittern. Obwohl wir uns der möglichen Gegenwinde des Ratenzyklus bewusst waren, die Gold belasten sollten, waren wir immer noch überrascht von der Grösse und Geschwindigkeit des jüngsten Ausverkaufs. Die Preise stehen derzeit mit rund 1’200 US-Dollar pro Unze unter Druck.

Der Abwärtstrend ist überraschend
Der Grund, warum der US-Dollar für Gold so wichtig war, war die fehlende Nachfrage. Gold wurde für den grössten Teil dieses Jahres nicht mehr im «Commodity-Modus», sondern im «Currency-Modus» gehandelt. Angesichts der Unsicherheiten im Zusammenhang mit den Handelsspannungen ist die Schwäche der Investitionsnachfrage auf den ersten Blick überraschend. Vor allem aber die Tatsache, dass einige strukturierte Käufer zu Verkäufern wurden. Die Bestände der physisch gehandelten ETFs fielen seit ihrem Frühsommerhoch deutlich. Die meisten Verkäufe kamen aus den USA, was unserer Meinung nach auf drei Gründe zurückzuführen ist:

Erstens spielen die US-Realzinsen (inflationsbereinigte Nominalzinsen) eine wichtige Rolle in den Gesamtbeständen. Tatsächlich führt das Halten von Gold zu Opportunitätskosten, da es keine Coupons oder Dividenden gibt. Daher ist das Halten von Gold im Falle eines Invest

Anstiegs der Realzinsen weniger attraktiv. Wie in der Grafik dargestellt, erreichten die US-Realzinsen im September dieses Jahres ein Zehnjahres-Hoch.


(Quelle: REYL)

Zweiter Grund sind die fehlenden Anreize für US-Investoren, Gold in einer Zeit zu halten, in welcher der US-Dollar sich erholt und die Zinsen steigen. Gold und US-Dollar werden in einer sehr engen umgekehrten Beziehung gehandelt. Dieser Zusammenhang sollte nicht unterschätzt werden. Im Rückblick auf die letzten 50 Jahre sanken die Goldpreise um durchschnittlich ein Prozent pro Quartal, wenn der US-Dollar anstieg und um durchschnittlich fünf Prozent, wenn er an Wert verlor.

Drittens scheint es eine andere Auffassung von den Handelsspannungen und der Gefahr einer Eskalation zu einem Handelskrieg zu geben: Aus der Sicht eines US-Investors, der sich auf die Binnenwirtschaft und den Markt konzentriert, ist die wahrgenommene Bedrohung durch Handelsspannungen viel geringer als in Europa. Der Inlandskonsum ist der dominierende Treiber der US-Wirtschaft, die sich weiterhin gut entwickelt. Das zeigt sich durch starke Geschäfts- und Verbrauchervertrauens-Indikatoren sowie Aktienmärkte nahe an Rekordhochs.

Wie beeinflusst der US-Dollar die Goldnachfrage in Schwellenländern?
Während der stärkere US-Dollar von Goldkäufen in den USA abhält, erhöht er die Preise in den Ländern, deren Währungen schwächer geworden sind – das heisst in vielen Schwellenländern. Betrachtet man das Jahr 2008 als Referenz, so sind die Goldpreise im Nahen Osten heute rund 40 Prozent höher als im Vergleich zur USA, während sie in Asien rund 25 Prozent höher sind. Die Schwellenländer machen mehr als 60 Prozent der weltweiten Goldnachfrage aus, angeführt von China und Indien. Der hohe lokale Goldpreis führt zu einem starken Gegenwind für die preissensible Schmucknachfrage, da der Anteil an Edelmetall bei Schmuck sehr gross ist und die Handelsspanne in den Schwellenländern gering. Viele Schwellenländer weisen ein sehr starkes umgekehrtes Verhältnis zwischen den Inlandspreisen und der Nachfrage nach Schmuck pro Kopf auf.

Während der Asienkrise Ende der 1990er-Jahre sank die Schmucknachfrage in den betroffenen Ländern um rund ein Drittel. Dies offenbart einmal mehr die Bedeutung des US-Dollars als Treiber der Goldnachfrage und der Goldpreise. China und Indien sind Ausnahmen. Dies lässt sich durch den raschen Anstieg der Einkommen in China und den regulierten Goldmarkt in Indien erklären. Insgesamt variiert die Nachfrage nach Schmuck in den Schwellenländern je nach Einkommensniveau. Reichere Länder des Mittleren Ostens haben tendenziell eine höhere Pro-Kopf-Nachfrage als ärmere wie die meisten asiatischen Länder.

Ebenso besteht ein negativer Zusammenhang zwischen Inlandspreisen und der Investitionsnachfrage in den Schwellenländern. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Gold als sicherer Hafen gilt und es in turbulenten Zeiten attraktiv macht, für Investoren aus Schwellenländern bedeutet es Werterhaltung und Absicherung gegen Inflation. Eine übermässige Inflation ist oft eine Folge starker Währungsabwertungen und erhöht die Attraktivität von Investitionen in ausländische Vermögenswerte wie US-Dollar, US-Aktien oder US-Treasuries.

Anleger, die nicht in US-Dollar investiet sind, muss Gold auch als ausländisches Vermögen angesehen werden. Abgesehen von Ungleichgewichten zwischen Angebot und Nachfrage, z.B. Einfuhrbeschränkungen wie Zölle oder Kontingente, sind die lokalen Preise nichts Anderes als Richtpreise für den US-Dollar umgerechnet in lokale Währungen. Vergleicht man die durchschnittlichen jährlichen Inflationsraten verschiedener Schwellenländer mit der Performance der Währungskomponente einer Goldanlage, also der Abwertung der lokalen Währung gegenüber dem US-Dollar, so ergibt sich eine starke positive Beziehung. Daher ist es nicht Gold, das gegen die Inflation absichert, sondern das Exposure, das es gegenüber dem US-Dollar darstellt. Dies bedeutet auch, dass Investitionen in andere ausländische Vermögenswerte wie US-Treasuries oder US-Aktien etwa die gleiche Inflationsabsicherung erbracht hätten wie Gold.

Ein weiteres Thema auf dem Goldmarkt, das in den letzten Wochen Schlagzeilen gemacht hat, ist die Stabilität der Goldpreise in China und eine ungewöhnlich starke Parallel-Bewegung zwischen dem Edelmetall und dem chinesischen Yuan. Die Korrelation zwischen den beiden war noch nie so hoch wie in jüngster Zeit. Infolgedessen spricht der Markt davon, dass China den Yuan an Gold gebunden haben könnte, was Stabilität signalisiert und Gold in US-Dollar als Derivat des USD/CNY-Wechselkurses belässt. Wir sehen jedoch nicht, dass China an den Devisenmärkten interveniert. Abgesehen von der gleichzeitigen Verschiebung in den letzten Wochen glauben wir, dass es wenig Beweise für dieses Gerücht gibt. Anders ausgedrückt, die hohe Korrelation von Gold mit dem Yuan ist eher ein Zufall als eine Ursache und die Anbindung ein Mythos.

Wir tun uns schwer zu verstehen, warum China den Yuan an Gold binden will, da die Stabilität einer Währung in der heutigen Welt von der Gesundheit der zugrundeliegenden Wirtschaft, den Aussichten für die Geldpolitik und der Glaubwürdigkeit der Zentralbank bestimmt wird. Beispiele von Schwellenländern, die ihre Goldreserven in den letzten Jahren aufgestockt haben, wie Russland, die Türkei und China, zeigen, dass Gold die Stabilität einer Währung nicht garantiert. Im Falle Chinas wurde die Volatilität der Währung durch die chinesische Volksbank (PBOC) bewusst erhöht, da sie den Yuan als Reservewährung etablieren wollte. Die steigenden Goldreserven in den Schwellenländern zeigen jedoch den Wunsch nach Diversifizierung in einer Zeit, in der einige dieser Länder zunehmend im Widerspruch zur US-Regierung und ihrer Politik stehen. Die Goldkäufe der Zentralbanken in den Schwellenländern sollten daher fortgesetzt werden.

Fazit: Zeit zum Kaufen?
Das Umfeld für Gold bleibt schwierig, solange der US-Dollar stark bleibt. Wir glauben, sogar noch für einige Monate, da sich US-Investoren am Rande halten und Verbraucher aus Schwellenländern die Juweliergeschäfte meiden. Vor dem Hintergrund einer sehr negativen Stimmung am Terminmarkt werden jedoch derzeit viele schlechte Nachrichten eingepreist. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich die Preise wieder in Richtung der Tiefststände bewegen, die während der Baisse des letzten Jahres erreicht wurden. Zusammen mit unserer Erwartung, dass die Stärke des US-Dollars gegen Ende des Jahres nachlassen sollte, dürfte es auch kurzfristig mehr Aufwärts- als Abwärtsbewegungen geben. Ein nachhaltiger Preisanstieg sollte eintreten, sobald Wachstums- und Inflationssorgen in die Finanzmärkte eindringen und die Nachfrage nach Gold als sicherem Hafen wiederbeleben.

Angesichts unserer Erwartung, dass sich die Goldpreise erholen werden und die Bewertungen auf niedrigem Niveau sind, sollte auch der Bergbausektor Boden finden. Allerdings sehen wir keine breit angelegten Kaufmöglichkeiten und glauben, dass Selektivität entscheidend ist. Aktien von Minengesellschaften sind kein Ersatz für physisches Gold. (REYL/mc/ps)

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