Robeco: Der politische Wandel in China wird Rückwirkungen auf die übrige Welt haben – und für die Credit-Märkte

Robeco: Der politische Wandel in China wird Rückwirkungen auf die übrige Welt haben – und für die Credit-Märkte

Zürich – Im letzten Ausblick verwendete Robeco den Begriff „Demut“, was die Prognose der Konjunktur angeht. Darin spiegelt sich das Ausmass der Verzerrungen und der unvorhersehbaren Entwicklungen wider, die sich aus der Wiederöffnung der Volkswirtschaften ergeben. Drei Monate später hält Robeco nach wie vor Demut für angebracht.

„Abgesehen von der Schwierigkeit, im aktuellen Umfeld Prognosen abzugeben, stellt sich auch die Frage ihrer Relevanz“, sagt Sander Bus, Co-Head des Credits-Teams von Robeco. „Spielen die Fundamentaldaten noch eine Rolle in einer Welt der finanziellen Repression, in der die Geld- und Fiskalpolitik das Geschehen dominieren? Wie es scheint, haben die Finanzmärkte seit Jahren die Rolle der Fundamentaldaten heruntergespielt. Ein mögliches Szenario, in dem der Zusammenhang zwischen Fundamentaldaten und Marktentwicklung wieder zum Tragen kommen könnte, wäre eine Straffung der Geldpolitik durch die Notenbanken. Die zentrale Frage für die Märkte ist daher, wann das geschehen wird.“

Da sich die Spreads in der Nähe ihrer Allzeittiefs befinden, ist eine vorsichtige Positionierung an den Credit-Märkten aus unserer Sicht sinnvoll. Dabei bevorzugen wir tendenziell Anleihen von Finanzinstituten gegenüber Emittenten aus anderen Subsektoren.

Wandel in China hat Rückwirkungen auf die übrige Welt
Unseres Erachtens ist der gesamte Markt derartig auf die Inflationserwartungen fokussiert, dass andere möglicherweise wichtigere Marktfaktoren übersehen werden. „China ist in den letzten 15 Jahren die massgebliche Kraft hinter dem Wachstum der Weltwirtschaft gewesen. Da sich China mittlerweile an einem Wendepunkt zu befinden scheint, ist es aus unserer Sicht wahrscheinlich wichtiger denn je, die dortigen Entwicklungen genau zu verfolgen.

Die Zero-Covid-Strategie im Jahr 2020 war erfolgreich, erscheint mittlerweile aber als zweischneidiges Schwert. Das Coronavirus wird immer wieder neu auftauchen und die dann jedes Mal ergriffenen strikten Massnahmen zur Eindämmung beeinträchtigen die Mobilität und den Konsum. Da allerdings der Dienstleistungssektor gegenüber der Industrie am anfälligsten für Lockdowns ist, würde eine Konjunkturabschwächung in China infolge neuer Infektionen die Weltwirtschaft nicht so stark treffen: So ist Chinas Dienstleistungssektor vorwiegend auf das Inland ausgerichtet und seine Produkte sind nicht handelbar. Hält man allerdings zu lange an dieser Politik fest, wird das einer Wirtschaft kaum gut bekommen, die bereits mit den Auswirkungen einer strafferen Regulierung des Immobilienmarkts zu kämpfen hat.

Am Immobilienmarkt besteht offensichtlich eine Blase und vor dem Hintergrund übertriebener Spekulation war eine straffere Regulierung notwendig. Derzeit ist im Hinblick auf den Markt ungewiss, ob die Regulierungsbehörden die Schraube zu stark angezogen haben und was die Folgen einer Restrukturierung von Evergrande sein würden.

Eine weitere Ungewissheit stellt die Neuausrichtung der chinesischen Politik dar, die auf eine Verlagerung von reinem Wirtschaftswachstum hin zu einer Balance aus Wachstum und Nachhaltigkeit sowie sozialer Gleichheit abzielt. Diese Politik unter der Bezeichnung „Gemeinsamer Wohlstand“ wird schrittweise umgesetzt. Einige Sektoren werden stärker reguliert werden, doch das bedeutet nicht das Ende privater Märkte in China. Diese sind für die Volkswirtschaft einfach zu wichtig.

Dessen ungeachtet wird der Wandel in bestimmten Sektoren wie Big Tech, Gaming und Weiterbildung erhebliche Auswirkungen haben. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese neue Politik auf Chinas Rolle als Produktionszentrum der Welt auswirkt, sofern es gelingt, das politische Ziel zu erreichen, die Löhne im unteren Bereich weiter anzuheben und den Anteil der Arbeitnehmer am Volkseinkommen zu erhöhen. Festzuhalten ist aus unserer Sicht, dass dies zu den Sustainable Development Goals (SDGs) 1, 2, 8 und insbesondere 10 beiträgt. Als nachhaltig agierender Anlagemanager begrüssen wir das erklärte Ziel Chinas, bis 2060 CO2-Neutralität zu erreichen.

Unternehmensstrategien spiegeln Klimabewusstsein wider
Der Kampf gegen den Klimawandel ist an den Kapitalmärkten sehr schnell zu einem wichtigen Thema geworden. „Nach Schätzungen der Internationalen Energieagentur sind zum Erreichen des Ziels von netto null CO2-Emissionen jährliche Investitionen von rund 5 Billionen US-Dollar erforderlich. Einige Ökonomen betrachten diese Investitionen als einen Weg zur Überwindung einer langfristigen Stagnation, da Wachstum und Inflation dadurch beflügelt würden. Auch auf der Mikroebene beobachten wir, dass die Klimapolitik bei der Strategie der Unternehmen eine zunehmend wichtige Rolle spielt“, sagt Victor Verberk, Co-Head des Credits-Teams von Robeco.

Neben einer möglichen Konjunkturabschwächung in China gibt es weltweit weitere Quellen von Unsicherheit. Vor allem haben wir im Hinblick auf das Coronavirus das Schlimmste noch nicht hinter uns. Zwar scheint die unmittelbare Coronakrise vorbei zu sein, jedoch besitzt das Virus nach wie vor das Potential, die Konjunkturerholung aufzuhalten, möglicherweise über eine weitere Beeinträchtigung von Lieferketten.

Weiterhin Wachsamkeit in punkto Inflation
Die Inflation hat bisher im Fokus der Marktteilnehmer gestanden und wird auch im Quartalsausblick des Global Macro-Teams ausführlich erörtert. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können wir nur sagen, dass die Inflationsdebatte sich in den kommenden Monaten nicht verflüchtigen wird. Die Thematik könnte zu verstärkten Kursschwankungen führen, da offensichtlich Risiken in beide Richtungen bestehen. Eine wichtige Grösse, die es zu beobachten gilt, ist die Lohninflation. Sie könnte Hinweise auf das Fortbestehen von Inflationsdruck und Knappheit an den Arbeitsmärkten liefern. Das gilt für Europa ebenso wie für die USA. Anzeichen für eine stärker strukturell bedingte Lohninflation wären für die Notenbanken in den USA und im Euroraum wichtige Signale dafür, dass es an der Zeit für Pläne zur Straffung der Geldpolitik ist.

Eng verknüpft mit der Inflationsdiskussion sind die Einschränkungen in den Lieferketten, die vielen Sektoren zu schaffen machen. Diese betrafen zunächst die Lieferung von Halbleitern für die Automobilindustrie. Doch mittlerweile gibt es Krankheiten auch bei vielen anderen Inputs, beispielsweise Containern, Lastwagenfahrern, Strom und sogar Rohstoffen für Matratzen. Für jeden dieser Engpässe gibt es eine eigene Erklärung, doch unter dem Strich liegt das Angebot unter der Nachfrage. Die meisten Unternehmen können die damit einhergehenden höheren Kosten an ihre Abnehmer weiterreichen, da die Nachfrage durchweg robust ist.

Markt mit sehr engen Spreads
Die Märkte für Spread-Anleihen haben sich im letzten Quartal in einer sehr engen Bandbreite bewegt. Eine Ausnahme stellen Hochzinspapiere aus China dar. Dort haben sich die Spreads angesichts der Probleme von Evergrande und Anzeichen für eine Abschwächung der chinesischen Konjunktur erheblich ausgeweitet. Auch wenn wir zugegebenermassen mit unserer untergewichteten Beta-Position zu früh waren, halten wir diese Position nach wie vor für angemessen. Auf dem derzeitigen Niveau der Spreads sind die Kosten einer leichten Untergewichtung des Markt-Beta gering.

Die Renditejagd der Anleger hat dazu geführt, dass die Spreads an den Märkten sehr eng geworden sind und dass sich selbst Anleihen von Unternehmen in Schwierigkeiten gut entwickelt haben.

„Für Strategien, die einen Winning-by-not-Losing-Ansatz verfolgen, war dieses Umfeld nicht gerade ideal“, sagt Victor Verberk. „Für andere wiederum ist der Spielraum für Transaktionen, welche auf eine Erholung oder auf eine weitere Spread-Einengungen abzielen, enger geworden. Deshalb behalten wir alle unsere Einzelpositionen genau im Blick und bereiten uns auf die Zeit vor, in der der Markt wieder zwischen guter und schlechter Qualität unterscheidet. (Robeco/mc)

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