Sarasin-Anzeige auch gegen allfällige Anstifter

Sarasin-Anzeige auch gegen allfällige Anstifter

SNB-Präsident Philipp Hildebrand.

Bern – Die Bank Sarasin geht nicht nur gegen ihren früheren IT-Mann rechtlich vor – ihre Anzeige richtet sich auch gegen allfällige Anstifter des Mannes. Christoph Blocher beteuerte erneut, nicht im Besitz der entwendeten Dokumente zu sein. Der Sprecher des Bundesrats widerspricht.

Die Affäre um Devisengeschäfte von Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand zog auch am Tag nach Hildebrands Medienauftritt weitere Kreise. Die Bank Sarasin teilte mit, dass sich ihre Strafanzeige nicht nur gegen den früheren IT-Mitarbeiter richtet, sondern auch gegen Personen, die ihn möglicherweise zur Verletzung des Bankgeheimnisses angestiftet haben. Dies könnte zumindest für den Thurgauer Juristen und SVP-Kantonsrat Hermann Lei ungemütlich werden. Ihm waren die gestohlenen Bankdaten übergeben worden, deren Inhalt über SVP-Vizepräsident Christoph Blocher den Weg in den Bundesrat fanden. Die Bank zieht zudem zivile Schadenersatzforderungen in Betracht.

Verdächtigter IT-Mitarbeiter verbleibt auf freiem Fuss
Der IT-Mitarbeiter, der Hildebrands Daten weitergegeben haben soll, bleibt derweil auf freiem Fuss. Man plane nicht, ihn in Untersuchungshaft zu nehmen, sagte der zuständige Staatsanwalt. Der 39-jährige Thurgauer war am Dienstag von der Bank Sarasin entlassen worden; am Donnerstag hat die Zürcher Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet. Unklar bleibt die genaue Rolle von Christoph Blocher. An einer Medienkonferenz vom Freitag in Rorschach SG stellte er sich erneut als «Briefträger» dar. Er will dem Bundesrat keine Bankdokumente vorgelegt haben – zumindest keine Originaldokumente.

Blocher: «Keinerlei Unterlagen»
In Rorschach sagte Blocher: «Ich habe bei den drei Treffen mit der Kontrollbehörde weder Originaldokumente gezeigt noch solche übergeben, weil ich keine solchen Dokumente hatte.» Am Donnerstagabend hatte Blocher seine Aussage in der Sendung «TalkTäglich» auf TeleZüri in andere Worte gepackt: «Ich habe keinerlei Unterlagen von einer Bank oder von Bankkonti.» Dem widerspricht der Bundesrat, wie NZZ online am Freitag publik machte. Auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda teilte Bundesratssprecher André Simonazzi mit: «Ich bestätige, dass Herr Blocher Bundespräsidentin Calmy-Rey ein Dokument zeigte.» Das Dokument sei «eine Kopie von schlechter Qualität» gewesen. Es habe einen Bankauszug einer nicht identifizierten Bank gezeigt und auf den Namen von Philipp Hildebrand gelautet.

«Präzise Angaben zu verschiedenen Banktransaktionen»
Beim Treffen sei auch ein Vertreter der Bundeskriminalpolizei dabei gewesen, der eigens für die Überprüfung des Dokuments beigezogen wurde. «Der Spezialist der Bundeskriminalpolizei stellte fest, dass die im Dokument enthaltenen Informationen plausibel seien», schreibt Simonazzi. Der Experte konnte aber die Echtheit des Dokuments nicht bestätigen. Es habe «präzise Angaben zu verschiedenen Banktransaktionen» enthalten. Wie präzis der ehemalige Justizminister Blocher seine Worte zu wählen weiss, zeigt sein Engagement bei der «Basler Zeitung». Mehrmals hatte er beteuert, er sei weder direkt noch indirekt finanziell beteiligt. Nachdem bekannt wurde, dass seine Tochter Rahel beteiligt war, verteidigte er sich auf «Teleblocher»: «Es hat mich nie jemand gefragt, ob meine Tochter beteiligt sei.»

«Weltwoche»-Köppel: Bleiben bei unserer Darstellung

Die «Weltwoche» bleibt auch nach den neuesten Entwicklungen bei ihrer Darstellung. Sie hatte am Donnerstag berichtet, nicht Philipp Hildebrands Ehefrau, sondern dieser selbst stecke hinter den Transaktionen. «Es gibt keinen Zweifel», schrieb Verleger und Chefredaktor Roger Köppel im Editorial. Nachdem Hildebrand am Donnerstag vor den Medien erklärt hatte, er könne mit E-Mails belegen, dass seine Frau den Dollar-Kauf in Auftrag gegeben hatte, sagte Köppel am Freitag zu Tagesanzeiger.ch/Newsnet: «Die Frage des Auftraggebers ist zweitrangig. Wesentlich ist: Die Devisen- und Aktiengeschäfte fanden auf Hildebrands persönlichem Konto statt.» Bis jetzt stehe Aussage gegen Aussage, «und wir haben keinen Grund, von unserer Darstellung abzuweichen».

Kritisches «Wall Street Journal»

Während Rechtsexperten die Devisengeschäfte von Hildebrand grundsätzlich heikel finden, war die Presselandschaft am Freitag gespalten. Die Schweizer Titel reagierten vorwiegend positiv auf Hildebrands Medienauftritt in Zürich. Er habe glaubwürdig und selbstkritisch gewirkt. Nun müssten die offenen Fragen geklärt und die Regeln verschärft werden. Kritischer äusserten sich internationale Titel. Das amerikanische «Wall Street Journal» schrieb, Hildebrand habe die «Marke Schweiz befleckt». Und das deutsche «Handelsblatt» ist überzeugt, dass Hildebrand zurücktreten müsste, wenn er ein Mandat bei der Europäischen Zentralbank hätte.

WAK lädt zu Anhörung

Am Montag beschäftigt sich auch die Politik mit der Affäre. Die Wirtschaftskommission (WAK) hat sowohl Hildebrand als auch Bankratspräsident Hansueli Raggenbass und Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf zur Anhörung eingeladen. Alle drei hätten ihre Teilnahme bestätigt, sagte der Kommissionssekretär zur sda. Um 18 Uhr wird die WAK dann an einer Medienkonferenz orientieren. (awp/mc/ps)

SNB

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