Schweiz führt unangefochten die Vermögensrangliste an

Schweiz führt unangefochten die Vermögensrangliste an
(Bild: Alexandr Mitiuc - Fotolia.com)

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Zürich – Das globale Brutto-Geldvermögen der privaten Haushalte hat 2012 eine Zuwachsrate von 8,1 Prozent erzielt. Dies ist das stärkste Wachstum seit sechs Jahren und liegt auch deutlich über dem langfristigen, wechselkursbereinigten Durchschnitt (2001 bis 2012) von 4,6 Prozent pro Jahr, wie aus dem vierten «Global Wealth Report» der Allianz hervorgeht, der die Vermögens- und Schuldenlage der privaten Haushalte in über 50 Ländern analysiert. Wachstumstreiber war im letzten Jahr die gute Entwicklung an den Aktienmärkten: Das in Form von Wertpapieren gehaltene Vermögen erzielte ein Plus von 10,4 Prozent. Rund um den Globus summierte sich das Finanzvermögen damit auf ein neues Rekordniveau von 111 Billionen Euro.

Gleichzeitig blieb 2012 auch im vierten Jahr nach Lehman das Schuldenwachstum mit 2,9 Prozent verhalten. Die globale Schuldenquote (Verbindlichkeiten in Prozent des BIP) ging um einen weiteren Prozentpunkt auf 65,9 Prozent zurück; 2009 hatte sie noch bei 71,6 Prozent gelegen. Für das globale Netto-Geldvermögen (Brutto-Geldvermögen abzüglich Verbindlichkeiten) ergab sich daraus sogar ein zweistelliges Plus (+10,4 Prozent). Von diesem starken Anstieg profitierten alle Regionen. Selbst im krisengeplagten Euroraum stieg das Netto-Geldvermögen um 7,2 Prozent und lag damit Ende 2012 erstmals wieder über dem Vorkrisenwert.

Vermögensschere im Euroraum geht immer weiter auf
Die positive Entwicklung im vergangenen Jahr kann die tiefen Risse in den privaten Vermögensbilanzen im Euroraum jedoch nicht überdecken. Die Vermögensschere geht immer weiter auf. Das durchschnittliche Netto-Geldvermögen in Griechenland liegt inzwischen bei nur noch 28 Prozent des Euroraum-Durchschnitts; vor der Krise lag dieser Wert noch deutlich über 50 Prozent. In Spanien ist er von 61 Prozent auf 44 Prozent im vergangenen Jahr gefallen. „Die wachsenden Vermögensunterschiede im Euroraum sind beunruhigend“, sagte Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz.

„Die Fliehkräfte der Krise können auf Dauer den Zusammenhalt in Europa untergraben. Europa muss schnellstens einen Ausweg aus der jetzigen Situation finden und allen Europäern wieder eine Perspektive für Wachstum und Wohlstand geben. Dies erfordert weitere konsequente Integrationsschritte.“

Durchwachsene Schweizer Bilanz
Die Vermögensentwicklung in der Schweiz verlief im vergangenen Jahr ausgesprochen positiv. Das Brutto-Geldvermögen legte um 6,2 Prozent zu, womit der Vermögenszuwachs um beinahe einen Prozentpunkt über dem westeuropäischen Durchschnitt lag. Nachdem die Kreditaufnahme „nur“ um 4,2 Prozent anstieg, verbuchten  die Schweizer Privathaushalte in der Netto-Betrachtung sogar ein Plus von 7,4 Prozent. Auf längere Sicht lässt sich allerdings eine eher durchwachsene Bilanz ziehen: Im Mittel ist das Netto-Geldvermögen pro Kopf von 2001 bis 2012 um magere 0,5 Prozent pro Jahr gewachsen, womit das Vermögenswachstum sogar hinter die durchschnittliche Inflationsrate zurückfällt.

Innerhalb Westeuropas bewegen sich die Schweizer damit im unteren Mittelfeld: Lediglich in den Euro-Krisenländern Italien, Spanien und Griechenland sowie in Finnland und Norwegen entwickelte sich das Netto-Geldvermögen pro Kopf seit dem Jahr 2001 noch langsamer als in der Schweiz.

Schweiz vor den USA und Japan
Im globalen Vergleich sicherte sich die Schweiz dennoch mit einem durchschnittlichen Netto-Geldvermögen pro Kopf von Euro 141’890 Ende 2012 vor den USA und Japan auch weiterhin den Spitzenplatz auf der Rangliste der reichsten Länder. Aus dem Kreis der westeuropäischen Nationen verfügten nach den Schweizern die Belgier mit durchschnittlich Euro 73’520 über das höchste Netto-Geldvermögen pro Kopf. Die Differenz zwischen den beiden Ländern bezifferte sich damit im vergangenen Jahr auf beinahe Euro 68’400. Diesen signifikanten Vorsprung verdanken die Schweizer allerdings in erster Linie der starken Aufwertung ihrer heimischen Währung, die als „Fluchtwährung“ seit der Krise gut 37 Prozent gegenüber dem Euro gewonnen hat. Ohne diese Aufwertung bräche die Distanz zu den Belgiern auf annähernd Euro 30’000 ein.

Schweizer Haushalte mit hoher Verschuldungsrate
Kennzeichnend für die Vermögenssituation der schweizerischen Haushalte sind aber nicht nur hohe Ersparnisse. Mit durchschnittlich Euro 76’200 pro Kopf war auch die private Verschuldung Ende vergangenen Jahres so hoch wie in keinem anderen Land weltweit. Gemessen in Prozent der Wirtschaftsleistung lag der Verschuldungsgrad bei 124 Prozent, weltweit war nur in den Niederlanden (139,1 Prozent) und Dänemark (148,5 Prozent) die Schuldenstandsquote noch höher.

Anteil der Bankeinlagen markant gestiegen
Das starke globale Vermögenswachstum im vergangenen Jahr sollte jedoch nicht zum Schluss verleiten, dass die extrem niedrigen Zinsen ohne Wirkung auf die Vermögensentwicklung sind, halten die Autoren weiter fest. Das Gegenteil ist der Fall, wie die Analyse des Sparverhaltens in den USA und im Euroraum zeigt. Die Sparer haben in den letzten Jahren eine hohe Liquiditätspräferenz entwickelt: Der Anteil der Bankeinlagen an der Geldvermögensbildung ist in den Krisenjahren markant nach oben geschnellt. Im Durchschnitt der letzten fünf Jahre flossen in der Eurozone mehr als die Hälfte der „frischen“ Spargelder den Banken zu, in den USA sogar zwei Drittel. Die langfristigen Folgen der Niedrigzinsen für den Vermögensaufbau werden durch den Verzicht auf eine langfristige Geldanlage, die Rendite und Risiko in ein vernünftiges Verhältnis bringt, noch verstärkt.

Beim Wachstum der Geldvermögen herrschen daher schon beinahe japanische Verhältnisse, zumindest in der längerfristigen Betrachtung: Seit Lehman lag das jährliche Wachstum der Brutto-Geldvermögen pro Kopf im Durchschnitt bei 0 Prozent (Japan), 0,1 Prozent (USA) und 1,1 Prozent (Euroraum); im vergleichbaren Zeitraum vor der Krise reichte die Bandbreite hingegen noch von 1,6 Prozent in Japan bis 10,3 Prozent in den USA. Auch die Verteilung der Vermögen wird durch Krise und Niedrigzinsen in Mitleidenschaft gezogen.

In den USA und im Euroraum ist die Zahl der Mitglieder der globalen Vermögensoberklasse („high wealth“) sowohl absolut als auch relativ (Anteil an der jeweiligen Gesamtbevölkerung) zurückgegangen; in Japan herrschte Stagnation. Auf der anderen Seite leben in allen drei Regionen heute mehr Menschen, die zur globalen „low wealth“ Klasse gerechnet werden müssen: im Euroraum und den USA jeweils etwa 30 Prozent der Bevölkerung, in Japan etwa 10 Prozent. Die grösseren Vermögensunterschiede in den USA und der Eurozone lassen dabei befürchten, dass Risse im sozialen Gefüge durch die Nullzinspolitik dort weitaus schneller sichtbar werden als im immer noch relativ egalitären Japan. „Die komplette Rechnung der Niedrigzinspolitik wird uns erst in Zukunft präsentiert werden“, kommentierte Heise.

Schwellenländer holen auf
Während in den etablierten Industrieländern als Folge der Krise also die „low wealth“ Klasse wuchs, verlief die Entwicklung in den ärmeren Ländern erfreulicher: Hier stieg in erster Linie die Zahl der Mitglieder der globalen Vermögensmittelklasse. Allein im vergangenen Jahr wuchs sie um annähernd 140 Millionen Menschen, wobei der Löwenanteil dieses Zuwachses auf China zurückgeht. Damit lebten 2012 insgesamt rund 860 Millionen Menschen mit mittlerem Netto-Geldvermögen in den untersuchten Ländern. Die Dynamik, mit der sich die globale Mittelschicht entwickelt, war dabei nicht nur im letzten Jahr bemerkenswert.

In den letzten zwölf Jahren haben vor allem die Schwellenländer enorm aufgeholt: Seit Jahrtausendbeginn hat sich die Bevölkerung, die im globalen Massstab über ein mittleres Vermögen verfügt, in Osteuropa und Lateinamerika verdoppelt, in Asien (ex Japan) sogar beinahe verzehnfacht. Das Gesicht der globalen Vermögensmittelklasse hat sich dadurch grundlegend gewandelt: Im Jahr 2000 kamen deren Mitglieder noch zu knapp 60 Prozent aus Nordamerika oder Westeuropa. Heute ist dagegen jeder Zweite Asiate, Tendenz weiter steigend. Der Anteil Nordamerikas und Westeuropas ist auf unter 30 Prozent gefallen.

Verbindlichkeiten steigen schneller als die Vermögen
Motor dieses Aufholprozesses ist das unvermindert starke Wachstum der Brutto-Geldvermögen. Im langfristigen Vergleich bleibt dabei – trotz erheblicher Verlangsamung seit 2007 – Osteuropa regionaler Wachstumschampion, mit durchschnittlich 14,7 Prozent pro Jahr von 2001 bis 2012. Knapp dahinter folgen Asien (ex Japan) und Lateinamerika. Es gibt jedoch auch einen Wermutstropfen in dieser Wachstumsstory: Noch rasanter als die Vermögen sind die privaten Verbindlichkeiten gestiegen. Innerhalb der letzten zwölf Jahre erhöhten die osteuropäischen Haushalte ihre Verbindlichkeiten um durchschnittlich 25,4 Prozent pro Jahr. Parallel zum Vermögenswachstum verlangsamte sich in der Region allerdings auch das Schuldenwachstum seit Ausbruch der Finanzkrise.

In den anderen aufstrebenden Regionen Lateinamerika und Asien (ex Japan) ist dieses Phänomen nicht zu beobachten. Die Privathaushalte Lateinamerikas hielten das Durchschnittswachstum ihrer Schulden in den Jahren vor bzw. nach 2007 konstant bei rund 17 Prozent; in Asien (ex Japan) erhöhte sich die durch­schnittliche jährliche Zuwachsrate sogar von 12,3 Prozent im Zeitraum von 2003 bis 2007 auf 15,8 Prozent von 2008 bis 2012. „Auch wenn die privaten Verbindlichkeiten in den meisten dieser Länder noch auf einem niedrigen Niveau sind, muss diese Schuldendynamik genau beobachtet werden. Die Länder sollten nicht die Fehler der Europäer und Amerikaner wiederholen: Schuldengetriebenes Wachstum ist nie nachhaltig“, so Heise. (Allianz/mc/pg)

Die komplette Studie finden Sie unter folgendem Link: https://www.allianz.com/economic-research/de unter der Rubrik Publikationen/Spezialthemen.

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