Schweiz lockert Bankgeheimnis gegenüber den USA

Bern – Die Schweiz kommt den USA beim Bankgeheimnis stärker entgegen als anderen Staaten. Nach dem Ständerat ist auch der Nationalrat mit Gruppenanfragen aus den USA einverstanden. Er hat am Montag einer Ergänzung des Doppelbesteuerungsabkommens mit den Vereinigten Staaten zugestimmt. Damit wird die Schweiz den USA künftig in Fällen von Steuerhinterziehung auch dann Amtshilfe leisten, wenn sich die Anfrage auf eine Gruppe von nicht einzeln identifizierten Personen bezieht und der Verdacht auf einem bestimmten Verhaltensmuster gründet.

Der Nationalrat stimmte der Ergänzung des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) mit 110 zu 56 Stimmen bei 14 Enthaltungen zu. Dagegen stellten sich die SVP sowie einzelne Vertreter der Grünen. Die Enthaltungen stammen aus verschiedenen Parteien.

Voruassetzung für Globallösung
Mit dem Ja zu den Gruppenanfragen ist eine Lösung im Steuerstreit mit den USA näher gerückt. In Griffnähe scheint die Globallösung, die auch pauschale Zahlungen der Banken beinhalten würde, aber noch nicht zu sein: Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf sprach von einem «weiteren Schritt» auf dem Weg zu einer solchen Lösung. Der Bundesrat will das ergänzte Abkommen erst in Kraft setzen, wenn eine Globallösung vereinbart ist, wie die Finanzministerin versicherte. Darauf gepocht hatten die FDP und die SVP. Letztere wollte dies gar verbindlich ins Gesetz schreiben. Wenn der Rat folge, schlucke die SVP die Kröte und unterstütze das ergänzte DBA.

Der Rat lehnte dies ab. Sonst könne gar keine Globallösung zustande kommen, fand die Mehrheit im Einklang mit der Finanzministerin. Die Anpassung des DBA sei Voraussetzung dafür, dass für die elf von den USA unter Druck gesetzten Banken eine Lösung gefunden werde.

Parteien verärgert
Die SVP scheiterte auch mit anderen Anträgen. Sie plädierte vergeblich dafür, die Bedingungen für Amtshilfe an die USA wieder zu verschärfen statt zu lockern. In der Eintretensdebatte, die der Nationalrat bereits vergangenen Mittwoch geführt hatte, warfen Christoph Blocher (SVP/ZH) und Caspar Baader (SVP/BL) dem Bundesrat vor, sich dem Druck der USA zu beugen. Der Ärger der anderen Parteien richtete sich primär gegen die Banken, die mit ihrem Verhalten die Schweiz in Verruf gebracht hätten. SP und Grüne verlangten einen Paradigmenwechsel. «Wir wollen nicht mehr alle paar Monate durch fehlbare Banken unter Druck gesetzt werden», kritisierte Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL). Den Bundesrat forderte sie auf, im Rahmen der Weissgeldstrategie griffige Massnahmen zu beschliessen.

Paradigmenwechsel verlangt
Die Linke hatte zwischenzeitlich damit gedroht, die Ergänzung des Doppelbesteuerungsabkommens abzulehnen. Als der Bundesrat seine Pläne für Regulierungen skizzierte, lenkte sie jedoch ein. Unter anderem will der Bundesrat für Bankkunden eine Selbstdeklaration einführen und die Sorgfaltspflichten der Banken ausweiten. Bereits im Ständerat war die Ergänzung des Abkommens umstritten gewesen. In der Herbstsession verweigerte die kleine Kammer ihre Zustimmung. Der Unmut über die Banken, die in den USA erneut Recht gebrochen hatten, war zu gross. In der Wintersession sagte der Ständerat aber schliesslich Ja. Nun hat auch der Nationalrat die Kröte geschluckt.

Bank muss mitgewirkt haben
Der Weg für Gruppenanfragen aus den USA ist damit frei: Im Abkommen steht sinngemäss, dass die Schweiz den USA auch ohne Identifikation einzelner Personen Amtshilfe leistet. Die Identifikation kann demnach durch die Umschreibung eines «Verhaltensmusters» erfolgen. Was dies genau bedeutet, bleibt offen: Die vorberatende Kommission des Ständerates hatte diese Muster zunächst umschreiben oder gar einen Beispielkatalog anfügen wollen, am Ende aber darauf verzichtet. Nun ist im Abkommen lediglich verankert, dass das Verhaltensmuster auf eine gesetzeswidrige Handlung deuten muss – und dass die Bank «in erheblicher Weise» beigetragen haben muss.

Gruppenanfragen bald Standard
Damit macht die Schweiz beim Bankgeheimnis gegenüber den USA grössere Konzessionen als gegenüber anderen Ländern. Bei der Beratung des Steueramtshilfegesetzes beschloss der Nationalrat vergangene Woche, Gruppenanfragen nicht generell zu ermöglichen. Darauf werden die Räte aber wohl zurückkommen müssen: Der Bundesrat rechnet damit, dass Gruppenanfragen noch in diesem Jahr zum OECD-Standard erhoben werden. Zwar könnte der Bundesrat bei der OECD dagegen das Veto einlegen. Laut Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf wird er dies aber nicht tun. Der Bundesrat habe 2009 entschieden, den OECD-Standard zu übernehmen, gab sie zu bedenken. Dazu gehöre auch dessen Weiterentwicklung.

Andere Abkommen unbestritten
Der Nationalrat genehmigte am Montag auch zehn andere Doppelbesteuerungsabkommen, unter anderem jene mit Singapur, Hong Kong, Russland und Spanien. Bei einem Teil ging es um die Anpassung an die aktuelle Interpretation des OECD-Standards. Diese besagt, dass für die Amtshilfe Name und Adresse des mutmasslichen Steuersünders oder der Bank nicht zwingend sind. Es reicht, wenn der Steuerpflichtige auf andere Weise identifiziert werden kann.

Insgesamt ist die Schweiz mit 93 Ländern Doppelbesteuerungsabkommen eingegangen. 87 davon sind unterzeichnet, 83 in Kraft. Seit der Bundesrat 2009 beschloss, den OECD-Standard zu übernehmen und nicht nur bei Steuerbetrug, sondern auch bei Steuerhinterziehung Amtshilfe zu leisten, wurden 43 DBA paraphiert, 33 unterzeichnet und 21 in Kraft gesetzt. (awp/mc/ps)

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