SNB: Jordan erwartet moderate Konjunkturerholung

SNB: Jordan erwartet moderate Konjunkturerholung

SNB-Präsident Thomas Jordan. (Foto: SNB)

Bern – Die Schweizerische Nationalbank (SNB) erwartet im laufenden Jahr nur eine moderate Konjunkturerholung. Die jüngsten Daten wiesen zwar auf eine Fortsetzung der weltwirtschaftlichen Erholung hin, die Wachstumsraten dürften aber im Vergleich mit typischen Erholungsphasen eher gering ausfallen. «Dennoch sollte die Erholung allmählich etwas an Kraft gewinnen», sagte der neu gewählte SNB-Präsident Thomas Jordan anlässlich der Generalversammlung der Nationalbank.

Dass dieses moderat positive Szenario für die globale Konjunktur eintreten werde, sei aber keineswegs sicher. Das grösste Risiko sei nach wie vor die europäische Staatsschuldenproblematik, so Jordan weiter. Diese Krise habe nach wie vor das Potenzial, die weltweite Entwicklung empfindlich zu beeinträchtigen.

BIP-Wachstum von 1 % erwartet
Für die Schweiz dürfte auch 2012 ein schwieriges Jahr werden. Der Franken sei auch bei 1,20 pro Euro nach wie vor überbewertet und stelle die Wirtschaft damit vor grosse Herausforderungen. Es gebe aber auch Gründe für eine gewisse Zuversicht. Das tiefe Zinsniveau sei weiter konjunkturstimulierend und die Binnennachfrage werde von der starken Zuwanderung gestützt. Der hohe Franken habe auch nicht nur negative Auswirkungen. So seien beispielsweise Importgüter für Firmen und Haushalte billiger geworden.

«Insgesamt erwartet die Nationalbank für das Jahr 2012 ein moderates Wirtschaftswachstum von gegen 1%», so der SNB-Präsident. Dies dürfte zu einem moderaten Anstieg der Arbeitslosigkeit im Laufe der nächsten Quartale führen. Inflationsrisiken gebe es keine für die Schweiz, zudem konnte das Risiko einer deflationären Entwicklung eingedämmt werden. «Die Inflationsraten bleiben nur vorübergehend negativ.»

Mindestkurs birgt auch Risiken
Jordan verteidigte weiterhin die Einführung des Mindestkurses, auch wenn diese «Extremmassnahme» weder ein Allheilmittel noch einfach und risikolos für jedes Niveau umsetzbar sei. Die Nationalbank sei jederzeit im Devisenmarkt präsent und stets bereit, unbeschränkt Euros zu 1,20 Franken zu kaufen, um den Mindestkurs sicherzustellen. «Wenn es zu Handelsabschlüssen unter 1,20 kam, dann erfolgten diese nur während wenigen Sekunden und waren das Ergebnis von Marktbesonderheiten», so der SNB-Chef.

Den Risiken des Mindestkurses – wie einer sehr grossen Ausweitung der Devisenreserven – sei sich die Nationalbank bewusst, und sie auch bereit diese zu tragen. Trotz des Mindestkurses seien die Herausforderungen für die Schweizer Wirtschaft nach wie vor gross. Eine Aufwertung des Frankens zum jetzigen Zeitpunkt würde die Schweiz erneut grossen Gefahren aussetzen und sowohl die Preisstabilität als auch die Stabilisierung der Wirtschaft wieder gefährden. «Vor diesem Hintergrund wird die Nationalbank den Mindestkurs mit aller Konsequenz durchsetzen.»

Zu weiteren Massnahmen bereit
Sollte die internationale Konjunktur sich schlechter als vorhergesehen entwickeln oder der Franken sich nicht wie erwartet weiter abschwächen, könnten erneut Abwärtsrisiken für die Preisstabilität auftreten. «Falls die Wirtschaftsaussichten und Deflationsgefahren es erfordern, steht die Nationalbank bereit, jederzeit weitere Massnahmen zu ergreifen», versicherte Jordan.

Zinsen dürfte noch eine Weile tief bleiben
Die Zinsen in der Schweiz dürften noch eine Weile tief bleiben, die expansive Geldpolitik sei mit Blick auf die Gesamtwirtschaft unabdingbar. Längerfristig berge eine solche Tiefzinsphase aber auch Risiken. So gebe es vermehrt Anzeichen einer Fehlentwicklung am Schweizer Hypothekar- und Immobilienmarkt für Wohnliegenschaften. «Der Preisverlauf bei Wohnimmobilien ist zusehends weniger durch Fundamentalfaktoren erklärbar; und das Volumen an Hypothekarkrediten ist im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung so hoch wie noch nie», sagte Jordan.

Da bei einer weiteren Zunahme dieser Ungleichgewichte erhebliche Risiken für die Finanzstabilität entstehen könnten, habe sich die Nationalbank für eine Einführung eines antizyklischen Kapitalpuffers eingesetzt. Insgesamt seien die Herausforderungen für die Nationalbank nicht geringer geworden.

Raggenbass: Drei Wünsche an Politik und Öffentlichkeit
Der abtretende Präsident des Bankrates der SNB, Hansueli Raggenbass, trat in seiner Abschiedsrede anlässlich der SNB-Generalversammlung mit «drei Wünschen» an die Politik und an die Öffentlichkeit. Sie betreffen die Stabilität, die Unabhängigkeit und das Vertrauen.

«Es ist essenziell, dass die Stabilitätskultur der Nationalbank verstanden wird und weiterhin volle Unterstützung findet», sagte er zu seinem ersten Wunsch. Denn diese seit Jahrzehnten von der SNB gelebte und von der Öffentlichkeit getragene Stabilitätskultur ermögliche es, den gesetzlichen Auftrag im Landesinteresse wahrzunehmen.

Beträchtliche Risiken eingegangen
Stabilität heisse dabei nicht, einfach möglichst wenig zu tun – ganz im Gegenteil. 2008 habe die SNB mit dem zur Stärkung des Schweizer Finanzsystems errichteten Stabilisierungsfonds grosse Risiken übernommen. Und vergangenes Jahr sei die Nationalbank mit der Festlegung des Mindestkurses ebenfalls beträchtliche Risiken eingegangen, um einen enormen Schaden von der Schweizer Volkswirtschaft abzuwenden. «Solche ausserordentlichen Massnahmen sind nur möglich, wenn die Stabilitätskultur breit getragen und fest verankert ist», sagte er.

Unabhängigkeit muss gewahrt und respektiert werden
Der zweite Wunsch von Raggenbass betrifft die Unabhängigkeit. «Es ist unabdingbar, dass die Unabhängigkeit der Nationalbank in der Geld- und Währungspolitik vollumfänglich gewahrt und respektiert wird. Würde die Nationalbank ein Spielball der Politik, könnte sie ihren Auftrag im Gesamtinteresse des Landes nicht mehr erfüllen», sagte er. Die Erfahrungen der Wirtschaftsgeschichte und die Erkenntnisse der Wirtschaftstheorie seien eindeutig: Unabhängigkeit sei eine zentrale Voraussetzung dafür, dass eine Notenbank eine erfolgreiche Geldpolitik führen könne. «Unabhängigkeit heisst aber nicht, dass die Nationalbank tun und lassen kann, was sie will. Sie muss dem Bundesrat und dem Parlament Rechenschaft ablegen und die Öffentlichkeit regelmässig informieren», stellte Raggenbass klar.

Vertrauen als grundlegende Ressource
Und drittens brauche es das «notwendige Mass an Vertrauen», sowohl innerhalb der Nationalbank als auch von aussen. Vertrauen sei eine grundlegende Ressource für die Nationalbank als Institution. «Die vergangenen Monate haben uns bewusst gemacht, dass Vertrauen immer wieder verdient und gesichert werden muss.»

Abschliessend meinte Raggenbass: «Der Umbau der rechtlichen Grundlagen der Nationalbank und die Optimierung ihrer betrieblichen Strukturen und Abläufe haben sich gelohnt und bewährt. Die Nationalbank ist heute ein grundsolides Haus.»  (awp/mc/pg)

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