Jeder zehnte Versicherer bekäme in Krise Probleme

Jeder zehnte Versicherer bekäme in Krise Probleme

Eiopa-Präsident Gabriel Bernardino.

Frankfurt am Main – Jeder zehnte Versicherer in Europa bekäme bei einer schweren Krise ernsthafte Probleme mit den künftigen Kapitalvorschriften. Dies geht aus dem zweiten Stresstest für die Branche hervor, den die europäische Versicherungsaufsicht Eiopa am Montag in Frankfurt vorstellte.

Stark sinkende Zinsen, fallende Aktienkurse, ein plötzlicher Verfall der Immobilienwerte und hohe Katastrophenschäden würden 13 der untersuchten 129 Konzerne und Unternehmen unter die Mindestkapitalschwelle drücken, die voraussichtlich vom Jahr 2013 an mit dem Regelwerk «Solvency II» eingeführt werden soll. Einer anderen Studie zufolge sieht es für die Branche in Deutschland allerdings bereits ohne Krisenszenario kritisch aus.

60% der Versicherungsunternehmen erfasst
Den 13 im Eiopa-Stresstest durchgefallenen Versicherern fehlten im angenommenen Krisenfall insgesamt 4,4 Milliarden Euro, sagte Eiopa-Präsident Gabriel Bernardino. Dies sei eine vergleichsweise geringe Summe: Zu Beginn des Tests hatten alle geprüften 129 Versicherer ein Überschusskapital von zusammen 425 Milliarden Euro vorzuweisen. An dem Test hatten sich – gemessen am Marktanteil – rund 60 Prozent der Versicherungsunternehmen in der EU, der Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein beteiligt. Damit sei die Untersuchung repräsentativ für die gesamte Branche, erklärte Bernardino. Insgesamt stehe die Branche angesichts der im schwersten Szenario des Tests angenommenen Risiken robust da. Sie verfüge über einen guten Puffer für den Krisenfall.

Schwachstellen ausmerzen
Im Gegensatz zu den Banken waren die Versicherer in Europa relativ glimpflich durch die Zeit nach der Lehman-Pleite gekommen. Mit dem Stresstest will die Eiopa die Branche für künftige Krisen sensibilisieren. «Die Unternehmen wissen jetzt um ihre Schwachstellen und können handeln», sagte Bernardino. Ergebnisse einzelner Versicherer wollte die Eiopa nicht nennen. Auch zum Abschneiden in den einzelnen Ländern machte die Behörde keine Angaben. Die Teilnahme an dem Test war den Unternehmen freigestellt. Zudem stünden die Kriterien, die mit «Solvency II» eingeführt werden, noch nicht endgültig fest, sagte Bernardino. Im Stresstest hielten die Versicherer noch weiteren Szenarien stand. Eine stark steigende Inflation würde bei acht Prozent der Versicherer dringenden Kapitalbedarf auslösen. Stark steigende Zinssätze für Staatsanleihen würden fünf Prozent unter die kritische Marke drücken. Nicht untersucht wurde, wie sich ein Schuldenschnitt oder eine Staatspleite in Griechenland auf die Versicherer auswirken würde.

Probleme für deutsche Lebensversicherer
Laut einer anderen Studie könnten deutsche Lebensversicherer allerdings bereits ohne Krise Kapitalprobleme bekommen. Unter den «Solvency II»-Regeln falle die Solvenzquote von jedem vierten deutschen Lebensversicherer unter die kritische 100-Prozent-Marke, heisst es in einer Untersuchung der Unternehmensberatungen Bain & Company und Towers Watson vom Montag. Die wesentliche Ursache für dieses schwache Ergebnis sei der hohe Anteil von Rentenversicherungen mit langen Laufzeiten im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Der deutsche Versicherungsverband GDV rechnet hingegen mit keinem grossen Kapitalbedarf für die Branche. So habe die EU-Kommission erkannt, dass die Regeln für langfristige Zinsgarantien in der Lebensversicherung anders gefasst werden müssten als zunächst geplant. An konkreten Vorschlägen werde derzeit gearbeitet. «Es zeichnet sich jedoch jetzt schon ab, dass die Schlussfolgerung der Studie eines deutlichen Kapitalbedarfs für deutsche Lebensversicherer nicht mehr zutreffend sein wird», sagte eine GDV-Sprecherin.

Mehr Kapital erfordert
Im Zuge von «Solvency II» müssen Versicherer langfristige Garantieversprechen an ihre Kunden mit mehr Kapital unterlegen als bislang. Der Bain-Studie zufolge verdienen Lebensversicherer an der klassischen Lebensversicherung zudem deutlich weniger als an fondsgebundenen Verträgen. Gemessen am übernommenen Risiko hätten klassische Lebensversicherungsprodukte im europäischen Durchschnitt sogar eine leicht negative Rendite. Fondsgebundene Verträge würfen hingegen zweistellige Renditen ab. Im vergangenen Jahr waren die Beitragseinnahmen der deutschen Lebensversicherer um sechs Prozent auf 90,4 Milliarden Euro gestiegen, wie der GDV am Montag mitteilte. Dazu hatte vor allem das boomende Geschäft mit Lebensversicherungen gegen einmalige Beitragszahlung beigetragen. Um die Renditen für die Kunden zu erwirtschaften, hatte die Branche zum vergangenen Jahreswechsel gut 800 Milliarden Euro am Kapitalmarkt angelegt, davon 56 Milliarden aus fondsgebundenen Versicherungen.(awp/mc/upd/ps)

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