Thomas Wulf, Generalsekretär der EUSIPA

Thomas Wulf, Generalsekretär der EUSIPA

von Martin Raab, Derivative Partners Media AG, www.payoff.ch

payoff im Gespräch mit Thomas Wulf, Generalsekretär der EUSIPA, über die Ziele des Derivate-Dachverbands, Regulierungseifer und Schweizer Pragmatismus.

payoff: Herr Wulf, Sie sind seit Januar im Amt. Wie verlief der Start?

Thomas Wulf: Von Anfang an war eine gute Stimmung unter den Mitgliedern. Man spürt, dass die Geschehnisse auf europäische Ebene von vielen nationalen Verbänden beobachtet werden und ein grosses Bedürfnis besteht, sich stärker als Industrie in der politischen Öffentlichkeit zu positionieren.

Was hat Sie bisher am meisten überrascht?

Der hohe Vernetzungsgrad in der Welt der strukturierten Finanzprodukte. Unser Bereich bewegt MiIliardensummen in Sekundenschnelle über Assetklassen und Kontinente hinweg, und doch kennen sich viele der Akteure, nicht nur innerhalb Europas, bereits über Jahre hinweg.

Was möchten Sie konkret mit dem europäischen Dachverband erreichen?

Zum einen müssen wir die auf Markttransparenz ausgerichteten Projekte wie die EUSIPA-Produktkategorien, die Selbstregulierung in Form unserer Prinzipien und die regelmässige Erfassung der Marktdaten weiter ausbauen. Wir wollen, wo möglich und sinnvoll, deren Basis verbreitern und andere Märkte in Europa mit einbeziehen. Auf einer solchen fachlichen Solidität aufbauend werden wir dann weiter versuchen, einen Beitrag zu politische Debatten zu liefern.

Was verstehen Sie unter Beitrag?

Das heisst, auch ganz klar die Grenzen regulatorischen Handels aufzuzeigen, wo uns dies aus europäischer Marktsicht geboten erscheint. Ganz allgemein möchten wir natürlich daneben die Vorteile strukturierter Finanzprodukte stets in das Augenmerk interessierter Kreise in Öffentlichkeit und Politik rücken.

Wesentlich ist, wie überall in der Verbandsarbeit, das Engagement des Einzelnen.

Was ist dabei Ihrer Meinung nach die grösste Herausforderung?

Ich denke, eine Herausforderung ist die absehbare Regelungsdichte in vielen Bereichen des Finanzmarkts, übrigens auf beiden Seiten des Atlantiks, und eine teilweise verbesserungswürdige Koordination der Träger der verschiedenen Initiativen untereinander.

Wie soll die Vernetzung der Landesverbände in der Praxis verbessert werden?

Wir wollen versuchen, EUSIPA als Plattform für die Mitglieder auszubauen und dabei nicht nur einen Informationsfluss von der europäischen Ebene in die nationalen Verbände, sondern auch einen Meinungsaustausch der Verbände untereinander zu befördern. Wesentlich bleibt aber, wie überall in der Verbandsarbeit, das Engagement des Einzelnen.

Ist das nicht oft schwierig, da die meisten Verbandsmitglieder ja noch einen Day-Time-Job haben?

Richtig. Der Umstand, dass viele Mitarbeiter der nationalen Verbände die Tätigkeit neben ihrem, oft sehr zeitintensiven, Tagesgeschäft im Bankunternehmen ausüben, macht dies nicht immer einfach. Er hat aber auch den grossen Vorteil, dass europaweite Projekte meist recht einfach umgesetzt werden können, da man es im Bereich der Strukturierten Produkte gewohnt ist, tagtäglich mit Teams in anderen Ländern zu arbeiten. Diesen Vorteil haben nicht viele Verbände.

Länder ist ein gutes Stichwort. Welche Rolle spielt die Schweiz in EUSIPA?

Die Schweiz ist als einer der weltweit grössten Anbietermärkte für Finanzdienstleistungen auch im Bereich der Strukturierten Produkte sehr präsent und der Verband, auf den zum Beispiel der Entwurf der EUSIPA-Produktkategorisierung zurückgeht, ein von den Kollegen aus den EU-Staaten sehr geschätztes Mitglied.

Die Schweiz ist ein von den Kollegen aus den EU-Staaten sehr geschätztes Mitglied.

Die Nicht-Mitgliedschaft im politischen Staatenverbund EU ist also kein echtes Hindernis…

Die Europäische Union und die Schweiz haben natürlich ein Sonderverhältnis, dessen Realität aus meiner Sicht aber sehr vom Schweizer Pragmatismus gekennzeichnet ist. Auf Regulierungsebene heisst dies, dass man letztlich doch meist zu sinnvollen und umsetzbaren Regelungen kommt, die beiderlei Interessen berücksichtigen.

Die Schweizer Stimmen innerhalb der EUSIPA verhallten demnach also nicht ungehört?

Nein, ganz sicher nicht. Im Gegenteil: Manchmal wird das Gewicht des Schweizer Wortes unterschätzt. Mit einem profunden Expertenwissen, das auf jahrzehntelanger internationaler Ausrichtung der hiesigen Institute beruht und daher nicht auf den Schweizer Markt beschränkt ist, kann sich das Land und seine Finanzindustrie durchaus noch stärker in europaweit geführte Diskussionen zu Regulierungsfragen einbringen. Die Mitgliedschaft des Schweizer Verbandes in EUSIPA sehe ich dabei natürlich auch als sehr willkommenes Alleinstellungsmerkmal, das uns von vielen anderen europäischen Verbänden unterscheidet.

Ihr Dienstsitz Brüssel liegt in Belgien. Dort herrscht ein vorläufiges Vertriebsverbot für Strukturierte Produkte. Ist das ein Standort-Nachteil?

Die private Vermögensberatung belgischer Banken hat traditionell, auch international, einen sehr guten Ruf. Dessen ungeachtet sieht sich derzeit in der Tat der lokale Retailmarkt für strukturierte Finanzprodukte einem starken Regulierungsinteresse ausgesetzt. Es ist aber noch völlig unklar, in welche Richtung die endgültigen Massnahmen der Behörden laufen werden.

Wo Regulierung dazu führt, dass Investoren daran gehindert werden, ihr Kapital dem Markt zur Verfügung zu stellen, hört der Spass auf.

Demnach ist die Strahlkraft der Situation in Belgien auf andere Staaten begrenzt?

Ja, wir beobachten, dass in den Diskussionen der Arbeitsgruppen des EU-Rates viele Staaten einen von der belgischen Position abweichenden, wenn nicht sogar einen völlig konträren Regelungsansatz vertreten.

Was gedenken Sie zu tun, um den EU-Trend zur Überregulierung im Finanzsektor abzubremsen?

Ich denke, wir haben momentan nicht nur auf der EU-Ebene, sondern weltweit, vor allem in den USA, eine generell hohe Regulierungsaktivität. Diese ist, wie nicht anders zu erwarten, oft eher aus politischen Motiven denn aus Sacherwägungen heraus getrieben. Wo jedoch Regulierung dazu führt, dass Investoren ohne Grund daran gehindert werden, ihr Kapital dem Markt zur Verfügung zu stellen, hört der Spass auf.

Hier sollte also verstärkt die Stimme des Marktes gehört werden…

Dies gilt umso mehr, wenn die Marktteilnehmer sich bereits aus eigener Initiative bemühen, ihren Bereich anlegerfreundlich, serviceorientiert und transparent zu gestalten. Dieses Bemühen unserer Mitglieder wollen wir den Entscheidern auf nationaler und EU-Ebene eindringlich vermitteln.

Wie legt man als Generalsekretär des Strukturierte Produkte-Verbands privat sein Geld an?

Natürlich mit einem gestreuten Risiko, wie es viele andere Anleger auch tun – jeweils zum Teil in Immobilien und Aktien, gefolgt von gestreuten Investments über verschiedene Indexzertifikate (meistens solche ohne Kapitalschutz) und letztlich einem Betrag, der aber nur einen sehr kleinen Bruchteil ausmacht, ganz altmodisch in Gold.

Der Gesprächspartner:
Thomas Wulf, 38, übernahm Anfang Januar 2012 das Amt des EUSIPA-Generalsekretärs nach siebenjähriger Tätigkeit in der internationalen Anwaltskanzlei Linklaters. Zuletzt war er dort von Brüssel aus für Geschäftsentwicklung und Marketing in Westeuropa zuständig und leitete zuvor das Marketingteam der belgischen Büros der Kanzlei. Wulf ist Jurist und war von 2002 bis Anfang 2005 Mitarbeiter im EU-Verbindungsbüro der Commerzbank AG. Bereits im Referendariat hatte er beim Bundesverband der deutschen Industrie in Brüssel die Gelegenheit, die europäischen Institutionen und den Gesetzgebungsprozess aus der Nähe kennenzulernen. Nunmehr gilt sein Hauptaugenmerk der Neupositionierung des europäischen Dachverbandes im Umfeld der in Brüssel vertretenen Finanzdienstleister.

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