USA: Schuldenstreit wird immer dramatischer

USA: Schuldenstreit wird immer dramatischer

John Boehner, Präsident des Abgeordnetenhauses.

Washington – Im US-Schuldenstreit beginnt die möglicherweise vorentscheidende Phase. Weniger als fünf Tage vor Ablauf der Frist für eine Anhebung des Schuldenlimits wollte das Abgeordnetenhaus am Donnerstag über einen republikanischen Plan zur Lösung der Krise abstimmen. Vermutlich am Freitag steht im Senat ein Votum über ein gegensätzliches demokratisches Konzept an.

US-Präsident Barack Obama glaubt weiter an einen Kompromiss. Zugleich arbeitet die US-Regierung aber einem Plan für den Fall der Zahlungsunfähigkeit, wie der Sprecher des Weissen Hauses, Jay Carney, sagte. Zunächst wurde jedoch mit Spannung die Abstimmung im konservativ beherrschten Abgeordnetenhaus erwartet. Der vom Präsidenten der Kammer, John Boehner, vorgelegte Plan sieht Sparmassnahmen und eine Erhöhung des Schuldenlimits in zwei Etappen vor. Obama und die Demokraten lehnen eine solche Lösung strikt ab. Der Plan ist aber auch unter den Republikanern selbst umstritten – es war nicht sicher, dass Boehner die nötige Mehrheit dafür zusammenbekommt. Dutzende radikal-konservative Abgeordnete rebellieren: Sie lehnen jede Anhebung des Schuldenlimits ab, das derzeit bei 14,3 Billionen Dollar liegt.

Obama geht weiter von Einigung aus

Das Weisse Haus betonte unterdessen, dass am Datum 2. August zur Erhöhung des Kreditrahmens nicht zu rütteln sei. «Das ist ein fester Stichtag, daran führt kein Weg vorbei», erklärte Carney mit Blick auf jüngste Berichte, wonach die Regierung wahrscheinlich noch bis zum 10. August ihre Rechnungen und Schuldendienste bezahlen könne. Obama gehe aber weiter von einer Einigung aus. «Wir sind optimistisch, dass eine Vereinbarung erzielt wird», sagte Carney. Zugleich arbeitet das Finanzministerium nach seinen Worten aber an einem Plan «B» für den Fall der Staatspleite. Einzelheiten nannte Carney nicht. Im Kern geht es aber um eine Prioritätenliste bei der Verwendung der Gelder, die der Regierung etwa infolge von Steuereinnahmen noch bleiben.

Kreditagenturen halten Zahlungsausfall für unwahrscheinlich
Vertreter der beiden grössten US-Kreditagenturen sagten derweil in einer Kongressanhörung, dass sie Zahlungsausfälle für unwahrscheinlich hielten. Sie warnten aber erneut vor einer Herabstufung der US-Kreditwürdigkeit, wenn es keinen angemessenen Plan zum Schuldenabbau gebe, berichtete die «New York Times». Das Blatt zitierte den Präsidenten der Agentur Standard & Poor’s, Deven Sharma, mit den Worten, «einige» der zurzeit im Kongress erwogenen Pläne könnten für eine Beibehaltung der US-Topbonität ausreichen.

«Kriegt eure Ärsche hoch»
Die deutsche Bundesregierung geht ebenfalls davon aus, dass der US-Schuldenstreit rechtzeitig gelöst wird. «Es wird keine amerikanische Zahlungsunfähigkeit geben», sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer. Mitglieder im US-Kongress hätten ihm versichert, «dass es eine Vereinbarung in letzter Minute geben wird», meinte Hoyer am Mittwoch in Washington. Am Donnerstag deutete tatsächlich alles auf ein weiteres Tauziehen hin. Boehner versuchte zunächst mit aller Kraft, die Kritiker in den eigenen Reihen von seinem Konzept zu überzeugen. Der Plan sei die einzige Alternative zum Gegenentwurf der Demokraten, warnte er. «Kriegt eure Ärsche hoch», sagte er in ungewöhnlich drastischer Form.

Lager um Boehner in der Zwickmühle
Boehner hat in der Vergangenheit wiederholt betont, dass auch er eine Zahlungsunfähigkeit verhindern wolle. Ein Scheitern seines Vorschlags im Abgeordnetenhaus könnte nach Angaben von Experten bedeuten, dass ein Kompromiss auf der Grundlage des Gegenentwurfs der Demokraten die einzige Möglichkeit wäre, eine Staatspleite abzuwenden. Das gemässigtere Lager um Boehner stünde dann vor der Wahl, sich auf die Seite der «Rebellen» zu schlagen oder sich gegen sie zu stellen und einen Kompromiss mitzutragen. Der Vorschlag der Demokraten, den Senats-Mehrheitsführer Harry Reid ausgearbeitet hat, sieht Einsparungen von 2,2 Billionen Dollar im Zeitraum von zehn Jahren und eine Anhebung des Schuldenlimits um 2,7 Billionen Dollar in einem Schritt vor. Der Boehner-Plan enthält eine Erhöhung des Kreditrahmens zunächst um 900 Milliarden Dollar und Ausgabenkürzungen von 915 Milliarden. In einem zweiten Schritt Anfang kommenden Jahres sollen ein weiteres Sparpaket und eine Anhebung der Schuldengrenze um 1,6 Billionen Dollar folgen.

Wall Street fleht um Einigung
Die Wall Street hat Washington mit eindringlichen Worten dazu aufgerufen, endlich den lähmenden Schuldenstreit beizulegen. Die Topbanker des Landes haben dazu am Donnerstag einen Brandbrief an Präsident Barack Obama und die Mitglieder des Kongresses geschickt, in denen sie vor den Konsequenzen warnen, sollte die Obergrenze für die Schulden nicht alsbald angehoben werden. «Die Folgen der Tatenlosigkeit wären gravierend – für unsere Wirtschaft, für unseren ohnehin schwächelnden Arbeitsmarkt, für die finanziellen Verhältnisse unserer Firmen und Familien und für Amerikas wirtschaftliche Führungsrolle in der Welt», zitierte der Finanzdienstleister Bloomberg aus dem Schreiben des Financial Services Forum, einer Interessenvertretung der Finanzbranche.

Eine Sprecherin der Vereinigung erklärte der Nachrichtenagentur dpa, der komplette Brief solle im Laufe des Tages veröffentlicht werden. Dem Financial Services Forum gehören die Schwergewichte der Wall Street an, wie Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein, JPMorgan-Chef Jamie Dimon oder auch der Lenker der Deutschen Bank, Josef Ackermann. Die Bankenwelt fürchtet massive Verwerfungen an den Finanzmärkten, wenn die USA keine neuen Schulden mehr aufnehmen dürften und damit zahlungsunfähig würden.  (awp/mc/ps)

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