VP Bank: Das riesige Potenzial von Abnehmspritzen
Fünf Fragen zu den neuartigen Medikamenten, die Übergewichtigen und Diabetes-Patienten helfen.
Sie sind teuer und sollen kurzfristige Gewichtsreduktionen erlauben: Neue Abnehmspritzen. Weil weltweit rund eine Milliarde Menschen an Übergewicht und dessen Folgen leiden, wird diesen neuen Mitteln zugetraut, den Gesundheitszustand ganzer Bevölkerungsgruppen zu verbessern. Wir haben fünf Fragen und Antworten zu diesem Trendthema zusammengestellt.
Wie wirken Abnehmspritzen?
Die aktuell vertriebenen Produkte basieren entweder auf Semaglutid oder Tirzepatid. Beide Wirkstoffe wurden ursprünglich für die Behandlung von Typ-2-Diabetes eingesetzt und imitieren ein körpereigenes Darmhormon («GLP-1»). Sie fördern die Ausschüttung von Insulin, steigern gleichzeitig die Insulinsensitivität und helfen somit, den Blutzuckerspiegel zu kontrollieren. Forschungsergebnisse haben auch gezeigt, dass die Wirkstoffe ein Sättigungsgefühl auslösen und die Magenentleerung verlangsamen. Patientinnen und Patienten haben also weniger Appetit, essen weniger und nehmen folglich ab. Die derzeit auf dem Markt erhältlichen Produkte versprechen eine Gewichtsabnahme von bis zu 20 % innerhalb von rund 70 Wochen. Obwohl die Produkte verschreibungspflichtig sind, können sie ohne Aufsicht eines Arztes über ein stiftähnliches Injektionsgerät einmal pro Woche verabreicht werden. Das einfache Einnehmen und der teils enorme Gewichtsverlust haben zu einem regelrechten Abnehmwahn geführt.
Für welche Anwendungen sind sie zugelassen?
Bislang sind nur GLP-1-Produkte der Pharmakonzerne Novo Nordisk (Dänemark) und Eli Lilly (USA) zugelassen. Unter dem Markennamen Ozempic (Novo Nordisk) und Mounjaro (Eli Lilly) dürfen in der Schweiz Patienten mit Diabetes Typ-2 bereits seit 2022 behandelt werden. Rybelsus, eine Art Ozempic in Tablettenform (einmal täglich), ist ebenfalls zugelassen. Von den höher dosierten Injektionspendants, Wegovy und Zepbound, ist bislang nur ersteres in der Schweiz zugelassen. Das Produkt von Novo Nordisk darf zur Behandlung bei Adipositas, also einem Body-Mass-Index (BMI) von über 30, oder bei einem BMI von 27 bis 30 und mindestens einer gewichtsbedingten Begleiterkrankung (Typ-2-Diabetes oder Bluthochdruck) eingesetzt werden.
Gibt es neben der Gewichtsreduktion noch weiteres Potenzial?
Das Potenzial dieser Medikamente geht weit über die Gewichtsreduktion hinaus. Wegovy darf bereits damit werben, dass es das Risiko von Herzkrankheiten reduziert. Derzeit laufen klinische Studien, die weitere positive Effekte auf Nieren, Herz-Kreislauf, Schlafapnoe, Gelenke und selbst Alzheimer untersuchen. Positive klinische Resultate dürften bei Krankenversicherungen entsprechende Anreize setzen, die Kosten der Medikamente zu übernehmen. Gemäss der World Obesity Organisation verursacht Fettleibigkeit weltweit Behandlungskosten und Produktivitätsverluste in Höhe von schätzungsweise USD 2 Billionen. In der Schweiz werden die Kosten für Wegovy bei Adipositas seit März 2024 von den Krankenkassen übernommen.
Dennoch sind die Medikamente nicht unumstritten. Was sind die Kritikpunkte?
Wie so oft sind die Anschaffungspreise besonders in den USA hoch. So kostet eine vierwöchige Wegovy-Kur USD 1’350 (ca. CHF 190 in der Schweiz). Damit ist eine Abdeckung von Krankenversicherern für diese Produkte in den Vereinigten Staaten vorerst Wunschdenken. Eine breitere, positive Wirkung (siehe vorige Frage) würde die Wahrscheinlichkeit einer Kostenübernahme erhöhen. Nichtsdestotrotz wurden die beiden Platzhirsche Novo Nordisk und Eli Lilly vom Ansturm auf ihre Produkte auf dem falschen Fuss erwischt. Aufgrund von Angebotsengpässen bei diesen Abnehmmitteln wurden auch herkömmliche Diabetesprodukte als neue Lifestyleprodukte missbraucht. Dies hat wiederum zu Lieferschwierigkeiten bei Medikamenten für Diabetiker geführt, welche darauf angewiesen sind. Zudem reicht die einmalige Einnahme der neuen Abnehmprodukte nicht aus, um dauerhaft Gewicht zu verlieren. So besteht nach Absetzen der Spritze die Gefahr einer erneuten Gewichtszunahme. Umso wichtiger ist die Bereitschaft der Patienten, auch ihren Lebensstil zu ändern.
Was mögen Investoren an den Abnehm-Medikamenten?
Der grosse Hype um die Abnehmprodukte spiegelt sich in den Pharmawerten wider. Seit Jahren gehören die Valoren von Novo Nordisk (VP Bank Rating – strong buy) und Eli Lilly (hold) zu den Lieblingen der Anleger. Andere Pharmaunternehmen wie Roche (strong buy), Amgen (hold) oder Pfizer (hold) erforschen bereits mögliche Konkurrenzprodukte. Allerdings dürfte die Vorreiterrolle von Novo Nordisk und Eli Lilly in den kommenden Jahren ein Wettbewerbsvorteil bleiben, weshalb die hohen Bewertungen aktuell gerechtfertigt sind.
Die Zivilisationskrankheit Übergewicht ist für die Pharmabranche ein grosser Markt, denn gemäss der World Obesity Federation haben 38 % der Menschen im Alter über fünf Jahre einen BMI von über 25 und gelten somit als übergewichtig.
Kommt hinzu, dass die Produkte regelmässig und ein Leben lang eingenommen werden müssen, damit die Gewichtsreduktion kein temporäres Phänomen bleibt. Dank der hohen Preise in den USA können die Pharmaunternehmen im weltweit grössten Abnehmermarkt hohe Margen erzielen. Aufgrund einer umfassenden Forschungspipeline dürften in den kommenden Jahren auch neue Produkte folgen. Dazu gehören Tablettenlösungen, sowie Kombinationen aus neuen und alten Wirkstoffen, die den Wirkungsgrad weiter verbessern sollen. Das Thema Fettleibigkeit und die gesundheitlichen Folgen davon sind Teil unserer VP Bank Themenfonds mit Investments in Novo Nordisk (Future Industry) und Eli Lilly (Future Citizen). (VPB/mc/pg)