Wie sollen Anleger mit einem Ölschock umgehen?

Wie sollen Anleger mit einem Ölschock umgehen?

Ad van Tiggelen, Senior Investment Specialist, Investment Content Management bei ING Investment Management

Zürich – In seiner April-Kolumne spricht Ad van Tiggelen, Senior Investment Specialst bei ING Investment Management, über die Risiken, die durch die sprunghaft gestiegenen Erdölpreise entstehen. Ausserdem birgt die Situation im Nahen Osten immer noch die Gefahr eines weiteren Preisanstiegs infolge von Angebotsengpässen.

Zunächst einmal dämpfen höhere Ölpreise tendenziell das globale Wirtschaftswachstum, da sie eine Einkommensumschichtung von den Nettoimporteuren von Erdöl zu den Nettoexporteuren auslösen. Letztere haben allerdings eine geringere Neigung, das solchermassen eingenommene Geld auszugeben. Es ist vielmehr damit zu rechnen, dass diese Länder ihre Einnahmen in sogenannten Staatsfonds (Sovereign Wealth Funds, SWFs) anlegen werden, um einen Puffer für eine weniger ölreiche Zukunft zu schaffen.

Auswirkungen auf Obligationenmärkte unproblematisch
Historisch betrachtet waren sprunghaft steigende Ölpreise für Obligationeninvestoren erstaunlicherweise meist nicht problematisch. Bei keinem der vergangenen fünf Ölschocks (1973, 1980, 1990, 1999, 2007) drehten sich die Renditen von Staatstiteln aus den USA oder der Eurozone ins Negative. Im Durchschnitt überwog die Angst vor langsamerem Wachstum langfristig die Angst vor einer auf kurze Sicht erhöhten Energiepreisinflation.

Negative Auswirkungen auf Aktienrenditen
Auf den Aktienmärkten fiel die Reaktion dagegen – je nach Art des Schocks – anders aus. Angebotsschocks (Unterbrechung bei der Versorgung mit Erdöl) haben tendenziell eine negative Wirkung auf Aktienrenditen, vor allem bei Zyklikern. Nachfrageschocks (extrem starker Anstieg des Erdölberdarfs) waren dagegen generell positiv für Zykliker. Die einzigen Anlageformen, die in beiden Situationen positiv abschnitten, waren Energiewerte und Rohstofftitel allgemein. Verbrauchsgüteraktien, wie Einzelhandel, Luxusgüter und Automobilhersteller, waren in der Regel am stärksten betroffen.

Nachfrageschock könnte zu Angebotsschock mutieren
Derzeit sehen wir uns einer Situation gegenüber, in der der Anstieg der Ölpreise wohl in erster Linie auf eine Steigerung der Nachfrage zurückzuführen ist, vor allem in den Schwellenländern. Auch die neu entfachte Diskussion über die Risiken der Nuklearenergie könnte die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen wie Erdöl und Erdgas längerfristig begünstigen. Dennoch könnte der jüngste Nachfrageschock noch zum Angebotsschock werden, falls die Lage im Nahen Osten eskaliert. Saudi-Arabien kommt hier eine Schlüsselrolle zu, denn das Land verfügt über den Grossteil der Überkapazitäten in der OPEC. Zudem war es Saudi-Arabien, das bei früheren Ölschocks Ausgleich für regionale Produktionsverluste schaffte.

Fazit: Der jüngste Anstieg der Ölpreise ist unserer Meinung nach in erster Linie durch eine steigende Nachfrage bedingt und daher den Finanzmärkten nicht abträglich. Doch die Situation im Nahen Osten birgt immer noch die Gefahr eines weiteren sprunghaften Preisanstiegs infolge von Angebotsengpässen. Das könnte insbesondere die Aktienmärkte treffen, insbesondere da die geplante Zinsanhebung der EZB die Wachstumsaussichten wohl ohnehin dämpfen wird. Den Obligationenmärkten dürfte es besser ergehen. In jedem Fall wird der Ölpreis auf seinem hohen Niveau verharren. Damit bestätigt sich unsere seit Langem positive Einschätzung von Energiewerten. (ing/at/ah)

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