WisdomTree: Angela Merkel forever – und dann?

WisdomTree: Angela Merkel forever – und dann?
Viktor Nossek, Director of Research von WisdomTree. (Foto: zvg)

Berlin – Der Bundestagswahlkampf 2017 neigt sich dem Ende. Zum Glück, sagt vielleicht der Ein oder Andere. Denn die grossen Kontroversen blieben aus, eine echte Alternative zu Angela Merkel schien nie richtig in Sicht. Ist damit der Wahlausgang nicht so wichtig? Bleibt alles beim alten?

Auf den ersten Blick vielleicht, meint Viktor Nossek, Director of Research von WisdomTree. Doch mittelfristig könnte die Bundeskanzlerin das neue Mandat sehr wohl zu Aktionen nutzen, die grossen Einfluss auf die Märkte haben könnten. Und nach der Wahl ist vor der Wahl. Nossek wirft bereits einen Blick auf die im Frühjahr 2018 geplante Wahl in Italien. Und er spricht auch über die Folgen eines möglichen Szenarios, was Stand heute undenkbar erschient: Angela Merkel verliert die Wahl.

Was bedeutet es für den Euro und die Märkte, wenn Angela Merkel Kanzlerin bleibt? Ein Szenario, dass nach den letzten Umfragen sehr wahrscheinlich ist.

Viktor Nossek: Wir glauben, dass der Euro dann stabil bleibt und sich erst einmal nichts ändert. Interessant ist aber, was sich in Frankreich tut. Sollte Präsident Macron dort tatsächlich seine Arbeitsmarktreformen und Massnahmen zur Haushaltssanierung durchsetzen – und die Zeichen stehen aktuell gut – könnte Frau Merkel mit ihrem neuen Mandat einen engen Schulterschluss mit Frankreich suchen und ihre Austeritätspolitik teilweise lockern. Hier könnte zur Ankurbelung der Wirtschaft in der Eurozone das Thema Eurobonds wieder ernsthaft auf die Tagesordnung kommen. Davon könnte auch Italien profitieren, was aufgrund seiner hohen Verschuldung aktuell fast nicht handlungsfähig ist. Diese Eurobonds-Programme mit Investitionen zum Beispiel in die Infrastruktur könnten für eine Wirtschaftsbelebung auch in Italien und Frankreich sorgen. Um dies als Investor zu nutzen, empfiehlt sich ein Engagement in Aktien, die von einem Aufschwung am stärksten profitieren: Konsum- und Industriewerte. Eine stärkere Konjunktur könnte dann auch zu einem Anstieg der Inflation führen, was der EZB auf der Zinsseite Spielraum für einen Kurswechsel verschaffen würde.

Was passiert, wenn Frau Merkel verliert und abgelöst wird oder es keine klaren Mehrheiten gibt?

Viktor Nossek: Sollte Martin Schulz die Wahl gewinnen – was eine grosse Überraschung wäre – könnte der Euro kurzfristig nachgeben. Denn Sozialdemokraten gelten gemeinhin als etwas ausgabefreudiger und fiskalischer Disziplin nicht so ganz verpflichtet. Ein grosser Kurswechsel ist aber auch dann nicht zu erwarten. Das hat der Wahlkampf gezeigt und schließlich regiert die SPD seit vier Jahren in der Grossen Koalition mit. Wenn unklare Verhältnisse oder eine Hängepartie drohen, sollte man sein Portfolio kurzfristig absichern gegen Schwankungen und dann erst einmal abwarten.

Was passiert, wenn die rechtspopulistische Partei „Alternative für Deutschland“ unerwartet stark abschneidet (zum Beispiel zweistelliges Ergebnis, aktuelle Meinungsumfragen sagen aktuell 10% und mehr voraus)?

Viktor Nossek: Sicher sind die Risiken hier nicht so gross wie in Frankreich, wo die Rechtspopulisten deutlich stärker waren. Dennoch könnte ein unerwartet hoher Erfolg zu kurzfristigen Volatilitäten führen. Ein ähnliches Szenario wie im 1. Quartal dieses Jahres ist denkbar, wo die Bonds stark schwankten, die Aktienmärkte sich aber weitgehend seitwärts bewegten. Die deutsche Wahl ist für die Märkte aber nicht so von grosser Bedeutung, weil keine Instabilität droht. Viel entscheidender könnten die Wahlen in Italien sein, die voraussichtlich im Frühjahr 2018 stattfinden.

Was bedeuten die deutschen Wahlen für den Euro generell?

Viktor Nossek: Ausser den beschriebenen Folgen langfristig nicht viel. Aus unserer Sicht ist es ein grosser Irrtum zu glauben, Angela Merkel sei der „heimliche Herrscher“ der EZB und Mario Draghi von ihren Weisungen praktisch abhängig. Die EZB orientiert sich alleine am Inflationsziel von 2% und davon sind viele Euroländer heute zum Teil noch weit entfernt. Die Deutschen haben genau wie Länder wie Malta im EZB-Rat nur eine Stimme. Und der deutsche Bundesbankpräsident Jens Weidmann ist einer der härtesten Kritiker des derzeitigen EZB-Kurses. (WisdomTree/mc)

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