Spekulationsverlust: JPMorgan steht von allen Seiten unter Feuer

Spekulationsverlust: JPMorgan steht von allen Seiten unter Feuer
JPMorgan-CEO Jamie Dimon.

JPMorgan-CEO Jamie Dimon.

New York – Die US-Grossbank JPMorgan Chase büsst doppelt und dreifach für ihre missglückten Finanzwetten. Gegenüber den nun zu Tage tretenden Spätfolgen wirkt der eigentliche Spekulationsverlust von rund 2 Milliarden US-Dollar (1,5 Mrd Euro) fast schon gering. Vor allem droht der gesamten Branche nun eine schärfere Regulierung. Die Zeiten von Gewinnen, die in den Himmel schiessen, könnten damit vorerst vorbei sein.

«Das ist eine ziemlich unglückliche Zeit für einen solchen Fehler», räumte Bankchef Jamie Dimon in einem Interview mit dem US-Sender NBC ein, das am Sonntag in voller Länge ausgestrahlt werden sollte. Denn in Washington wird momentan über die Verabschiedung der sogenannten «Volcker Rule» debattiert. Die nach dem früheren US-Notenbankchef Paul Volcker benannte Regel verbietet es Banken, mit eigenem Geld zu zocken – als Lehre aus der Finanzkrise.

Dimon war der lauteste Kritiker der «Volcker Rule»
Dimon war der lauteste Kritiker der «Volcker Rule». Seine JPMorgan Chase ist die Nummer eins unter Amerikas Banken und gehört zu den Gewinnern der Finanzkrise. Durch die missglückten Finanzwetten bekommen nun die Befürworter einer strengeren Regulierung Auftrieb. «Es ist jetzt zwei Milliarden Dollar schwerer geworden, gegen die neuen Regeln zu argumentieren», erklärte der US-Kongressabgeordnete Barney Frank am Samstag.

Frank ist einer der Väter des «Dodd-Frank Act». Damit wird das Bündel an Gesetzen bezeichnet, welches der Wall Street nach den Erfahrungen der Finanzkrise Zügel anlegen sollte. Die «Volcker Rule» ist Teil dieses Gesetzespakets. «Die meisten Finanzfirmen und deren Branchenvertreter haben sich der «Volcker Rule» widersetzt. Sie haben daran gearbeitet, das endgültige Regelwerk aufzuweichen und die Einführung zu verzögern», erinnerte Frank.

Aktienkurs bricht ein
Der sonst so angriffslustige JPMorgan-Chef Dimon übte sich am Wochenende in Demut: «Wir wissen, dass wir nachlässig waren, wir wissen, dass wir dumm waren, wir wissen, dass es am Urteilsvermögen mangelte», sagte der mächtigste Banker der Vereinigten Staaten im NBC-Interview.

Die Bank hatte umgehend die Quittung bekommen: Der Aktienkurs war am Freitag um mehr als 9 Prozent eingebrochen. Gut 14 Milliarden Dollar an Börsenwert verpufften. Am Abend stufte die Ratingagentur Fitch die Kreditwürdigkeit von JPMorgan um eine Stufe herab und drohte mit weiteren Schritten. Auch Standard & Poor’s prüft eine Herabstufung.

Fitch stuft ab
Es stellten sich Fragen nach dem Risikoappetit und der Risikokontrolle der Bank sowie ihrem Management, erklärte Fitch. US-Medien zufolge schauen sich nun die Börsenaufsicht SEC und die Notenbank Fed die Geschäfte von JPMorgan genauer an. «Aufseher sollten sich sowas anschauen, das ist ihr Job», sagte Dimon.

Nach der teuren Blamage wird spekuliert, dass in der Bank Köpfe rollen. Besonders Ina Drew wird sich Fragen gefallen lassen müssen – sie leitet seit 2005 das sogenannte Chief Investment Office, das für die hohen Verluste verantwortlich ist. Als eine der wenigen Frauen gehört sie zum engsten Führungszirkel der Bank. Sie kassierte für das vergangene Jahr 15,5 Millionen Dollar an Gehalt.

«Wal von London»
Überdies steht Bruno Iksil im Rampenlicht. Der Londoner JPMorgan- Händler erlangte in der Finanzwelt Berühmtheit, als mehrere US-Medien enthüllten, dass er ein derart grosses Rad mit seinen Finanzwetten drehte, dass der gesamte Kreditmarkt merklich verzerrt wurde. In der Branche bekam er den Spitznamen «Wal von London» verpasst.

Es scheint genau dieser Grössenwahn gewesen zu sein, der sich nun für die Bank rächt. Denn Finanzwetten können nur dann aufgehen, wenn sie geheim sind. Sonst wettet ein anderer Marktteilnehmer dagegen, um selbst abzukassieren. In diesem Falle soll es eine Gruppe von Hedgefonds gewesen sein.

Absicherung gegen Schuldenkrise in Europa
Immer mehr Details der Spekulationen werden bekannt. Demnach bekamen die Händler der Bank vor einigen Monaten den Auftrag, JPMorgan mit Hilfe von Kreditausfallversicherungen gegen die Auswirkungen der grassierenden Schuldenkrise in Europa abzusichern. Doch anstatt die Risiken zu begrenzen, sind die komplizierten Finanzwetten ins Gegenteil umgeschlagen. Ende April habe JPMorgan Chase an manchen Tagen bis zu 200 Millionen Dollar verloren, schrieb das «Wall Street Journal» unter Berufung auf eingeweihte Personen. (awp/mc/upd/ps)

 

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