Chinas Wirtschaft kühlt sich weiter ab

Chinas Wirtschaft kühlt sich weiter ab

Peking – Das Wachstum der chinesischen Wirtschaft schwächt sich weiter ab. Darauf deuten mehrere Konjunkturdaten vom Dienstag hin. Im April blieben Industrieproduktion, Einzelhandelsumsätze und Sachinvestitionen nicht nur hinter den Markterwartungen zurück. Auch zeigt die Entwicklung im längeren Vergleich klar nach unten. Weil die schwächelnde Konjunktur auch auf das Bestreben der Regierung zurückgeht, das stark kreditgetriebene Wachstum einzudämmen und die Wirtschaft nach aussen hin zu öffnen, scheint die Schwäche bis zu einem gewissen Punkt toleriert zu werden. Zu stark darf sich das Wachstum aber nicht abschwächen, warnen Analysten.

Nach Regierungszahlen vom Dienstag lag die Produktion der Industriebetriebe im April 8,7 Prozent über Vorjahresniveau. Das ist der schwächste Zuwachs seit fünf Jahren und 0,2 Punkte weniger, als Bankvolkswirte im Vorfeld erwartet hatten. In den Zahlen spiegelt sich auch der von der Regierung angestossene Abbau industrieller Überkapazitäten wieder. Die Einzelhandelsumsätze lagen im selben Monat 11,9 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Auch hier wurden die Erwartungen verfehlt, schwächer war der Zuwachs zuletzt Anfang 2009. Die Zahlen stehen dem Regierungsziel entgegen, der Konsumnachfrage Zug um Zug ein höheres Gewicht einzuräumen.

Entwicklung zum Teil gewollt
Die Investitionen in Sachanlagen stiegen unterdessen um 17,3 Prozent zum Vorjahr. Der Zuwachs ist zwar immer noch zweistellig, er liegt aber wesentlich niedriger als in den vergangenen Jahren. Schwächer waren die Investitionen zuletzt Ende 2001 gestiegen. Die Entwicklung ist jedoch zum Teil gewollt, weil die Regierung marktwirtschaftlichen Kräften mehr Spielraum geben will. Die überwiegend staatlich angestossenen Investitionen sollen deswegen schrittweise zurückgefahren werden, auch um Fehlentwicklungen etwa am Immobilienmarkt zu verhindern oder zurückzudrehen. Beispielsweise gibt es in der weltweit zweitgrössten Volkswirtschaft eine Reihe riesiger sogenannter «Geisterstädte», wo private wie gewerbliche Gebäude überwiegend leer stehen.

«China hält Kurs auf ein Wachstum von etwas mehr als sieben Prozent in diesem Jahr», kommentierte Ökonom Robert Wood von der Berenberg Bank. Sollte es so kommen, wäre es der schwächste jährliche Zuwachs seit Anfang der 1990er Jahre. «Die Regierung lässt es zu, dass sich das Wachstum stetig auf nachhaltigere Raten abschwächt», erklärte Wood. Viele Bankvolkswirte argumentieren, dass zweistellige Wachstumsraten für China nicht mehr erreichbar sind, weil das Niveau der Wirtschaftsleistung wegen des Wachstumsbooms der vergangenen Jahre mittlerweile viel höher liege. Darüber hinaus zeigen sich gravierende Umweltprobleme wie die starke Luftverschmutzung.

Regierung steht breites Instrumentarium zur Verfügung
Analysten warnen ausserdem seit langem vor Übertreibungen an den Vermögensmärkten als Folge einer ungezügelten Kreditvergabe und hoher staatlicher Investitionen. «Die neuen Daten unterstreichen die Entschlossenheit der politischen Führung, hiergegen vorzugehen», schreibt Wood. Allerdings werde es die Regierung nicht zulassen, dass sich die Wirtschaft zu schnell oder zu stark abkühle. Hierbei könne die Regierung auf zahlreiche Instrumente zurückgreifen. Wood verweist etwa auf die gegenwärtig schwache Inflation, die der Notenbank Luft gebe, ihre Geldpolitik gegebenenfalls zu lockern. Daneben verfügt China über die mit Abstand grössten Devisenreserven der Welt, auf die notfalls zurückgegriffen werden kann. (awp/mc/ps)

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