China wäre mit weniger Wachstum zufrieden

China wäre mit weniger Wachstum zufrieden

Chinas Finanzminister Lou Jiwei.

Peking – Nach Kritik an dem ehrgeizigen Wachstumsziel Chinas von rund 7,5 Prozent hat Finanzminister Lou Jiwei die Bedeutung dieser Vorgabe heruntergespielt. Wichtiger sei vielmehr die geplante Schaffung von zehn Millionen Arbeitsplätzen und die Kontrolle der Inflation bei 3,5 Prozent. Auch wenn dann dieses Jahr nur 7,2 oder 7,3 Prozent Wachstum erreicht würden, wäre das selbst gesteckte Ziel erfüllt, sagte der Minister an einer Pressekonferenz während der Jahrestagung des Volkskongresses in Peking.

Regierungschef Li Keqiang hatte Ökonomen am Vortag damit überrascht, dass er trotz geplanter Reformen und der Abschwächung der Konjunktur wie im Vorjahr wieder 7,5 Prozent vorgegeben hatte. «Dieses Ziel wird den Reformen, die Chinas Führer in diesem Jahr verfolgen wollen, enge Grenzen setzen», sagte der frühere Professor der Tsinghua Universität in Peking und heutige Chefstratege der US-Anlagenverwaltung Silvercrest, Patrick Chovanec, der Nachrichtenagentur dpa.

Ökonomen sehen Risiken
Er sah ein «ernstes Hindernis» für tiefgreifende Reformen, die notwendig seien, aber kurzfristig die Wirtschaft verlangsamen würden. Ein Ziel zu setzen, ermutige alles, was schlechtes Wachstum erzeuge: «Mehr Kredite, mehr Investitionen, mehr Überkapazitäten, was bereits heute ein grosses Problem ist», sagte Chovanec. Das führe zu noch mehr faulen Krediten und weniger Möglichkeiten, gesund zu wachsen.

«Es wird zunehmend finanzielle Anfälligkeiten geben», sagte auch Andrew Polk vom US-Forschungsinstitut Conference Board der dpa. Die finanziellen Pläne mit dem Abbau der Schuldenberge und die jetzt vorgegebenen Wachstumsziele stünden «im Widerspruch zueinander», sagte Polk. Denn die Geldpolitik müsse gelockert werden, um 7,5 Prozent zu erreichen. «Das heisst, dass die finanziellen Risiken mit Sicherheit wieder zunehmen werden.»

Kreditwachstum entwickelt sich doppelt so schnell wie das Wirtschaftswachstum
Auf eine Frage nach den Gefahren durch einen weiter anwachsenden Schuldenberg ging der Finanzminister allerdings nicht ein. Ökonomen wiesen darauf hin, dass das Kreditwachstum in diesem Jahr mehr als doppelt so schnell wachsen werde wie das Wirtschaftswachstum. Ausserdem warnten sie davor, dass in diesem Jahr Anleihen der hoch verschuldeten lokalen Regierungen sowie dubioser Treuhandfonds im Wert von einigen Billionen Yuan, umgerechnet einige hundert Milliarden Euro, fällig werden. Viele der Verpflichtungen könnten nur durch neue Kredite bedient werden.

Seit Ausbruch der weltweiten Finanzkrise 2008 hat Peking den Kredithahn aufgedreht, so dass die gesamte Schuldenlast von 150 auf 210 Prozent der Wirtschaftsleistung gestiegen ist. Viel Geld ist in unproduktive, verschwenderische Investitionen, in Überkapazitäten oder die Immobilienblase geflossen. Erst im Januar hat das Kreditwachstum wieder kräftig angezogen. Die faulen Kredite erreichten im vierten Quartal den höchsten Stand seit 2008. Im vergangenen Jahr wuchs Chinas Wirtschaft wie im Vorjahr mit 7,7 Prozent. (awp/mc/pg)

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