Chrysler nimmt Verlust für Fiat-Ehe in Kauf

Chrysler nimmt Verlust für Fiat-Ehe in Kauf
Sergio Marchionne, ehemaliger CEO Fiat Chrysler Automobiles und Ferrari.

Chrysler- und Fiat Chef Sergio Marchionne.

Auburn Hills – Chrysler bringt Opfer für den Zusammenschluss mit Fiat. Die Rückzahlung von milliardenschweren Staatshilfen hat im zweiten Quartal für tiefrote Zahlen gesorgt. Doch nur befreit von diesem Ballast kann wie geplant ein italienisch-amerikanischer Autokonzern mit Weltgeltung entstehen.

In den kommenden Tagen werde ein gemeinsames Management installiert, erklärte Konzernchef Sergio Marchionne, der beide Unternehmen in Personalunion führt. Marchionne pries die Fortschritte, die Chrysler gemacht habe. «Es gibt keinen Zweifel, Chrysler hat in diesem Quartal einen grossen Schritt vorwärts getan», sagte er. Die Verkäufe stiegen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 19 Prozent auf 486 000 Autos. Vor allem die Jeep-Geländewagen liefen blendend. Weil der Hersteller zudem höhere Preise erzielen konnte, kletterte der Umsatz um 30 Prozent auf 13,7 Milliarden Dollar (9,5 Mrd Euro). «Wir schlagen uns weiter gut, sowohl in den USA wie auch in Kanada.»

Rote Zahlen wahrscheinlich auch im Gesamtjahr
Ohne die Rückzahlung der Staatshilfe wäre es Chrysler sogar zum zweiten Mal seit dem Neustart gelungen, Geld zu verdienen. So aber verdoppelte sich der Verlust auf 370 Millionen Dollar. Auch im Gesamtjahr, so warnte das Unternehmen, dürften nun rote Zahlen herauskommen. Bislang hatte Chrysler einen Gewinn von bis zu einer halben Milliarde Dollar vorausgesagt.

Keine hohen Zinszahlungen mehr
Auf lange Sicht zahlt es sich aber aus, dass der Konzern seine verbliebenen 7,6 Milliarden Dollar Schulden bei den USA und Kanada getilgt hat – denn nun spart Chrysler die hohen Zinszahlungen und hat zudem den Weg für das Zusammengehen mit Fiat bereitet.

Fiat hält 53,5 % der Anteile
Die Regierungen der beiden Länder hatten Chrysler in der schweren Branchenkrise des Jahres 2009 vor dem Bankrott gerettet. Der italienische Wettbewerber Fiat ergriff damals die Chance und bot sich als Hilfe bei den Bemühungen an, Chrysler wieder auf Vordermann zu bringen. Fiat-Chef Marchionne wurde Kopf beider Unternehmen und half Chrysler mit italienischem Know-how bei der Entwicklung neuer Wagen. Im Gegenzug bekam Fiat nach und nach immer mehr Anteile. Die Italiener halten nun 53,5 Prozent an Chrysler und sind auf dem besten Weg, einen weltumspannenden Autokonzern zu schmieden. Marchionne war es nach dem Neustart gelungen, die Verkäufe anzukurbeln und die Verluste einzudämmen. Er hatte schon zuvor Fiat saniert.

Gemeinsam gegen Toyota und VW
Die Idee ist es, aus den beiden Firmen einen Autokonzern mit weltweiter Präsenz zu formen: Chrysler ist mit seinen Pick-up-Trucks und Geländewagen auf dem nordamerikanischen Markt stark, Fiat punktet mit seiner Kleinwagen-Technik in Europa und Lateinamerika. Gemeinsam wollen sie gegen Branchenriesen wie Toyota oder VW bestehen. Zu den Unternehmen gehören Automarken wie Jeep, Dodge, Ram, Alfa Romeo oder Lancia. Vor einigen Monaten ist Fiat nach jahrzehntelanger Abstinenz auch auf den US-Markt zurückgekehrt – mit dem Kleinwagen 500. Umgekehrt werden Chrysler-Modelle wie die Limousine 300 in Europa unter der italienischen Marke Lancia verkauft.

Der einzige verbliebene Mitbesitzer bei Chrysler ist der Gesundheitsfonds der Automobilarbeiter-Gewerkschaft UAW. Fiat hat sich das Recht gesichert, auch dessen Anteile zu übernehmen. Marchionne machte jedoch deutlich, dass er keine Eile hat. «Das steht nicht auf meiner Liste für diese Woche oder diesen Monat. Es gibt Wichtigeres zu tun.» Die Gewerkschaft ist über kurz oder lang auf das Geld angewiesen, um die medizinische Versorgung ihrer Mitglieder zu sichern. (awp/mc/pg)

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