Coronavirus: Deutschland zieht die Reissleine

Coronavirus: Deutschland zieht die Reissleine
Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Berlin – Das öffentliche Leben in Deutschland wird angesichts der sich ausbreitenden Corona-Pandemie schon ab dem kommenden Mittwoch drastisch heruntergefahren. Der Einzelhandel mit Ausnahme der Geschäfte für den täglichen Bedarf muss schliessen. Das teilte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntag nach Beratungen mit den Ministerpräsidenten mit.

Der seit Anfang November geltende Teil-Lockdown habe «nicht gereicht», sagte die CDU-Politikerin in Berlin. Die Verschärfung der Massnahmen habe Auswirkungen auf die Feiertage. Aber: «Wir sind zum Handeln gezwungen und handeln jetzt auch.» Das exponentielle Wachstum der Corona-Neuinfektionen habe eine Zeit lang gestoppt werden können, sagte Merkel. Dann habe es aber eine «Seitwärtsbewegung» gegeben, und seit einigen Tagen gebe es wieder ein exponentielles Wachstum.

Keine halben Sachen
«Corona ist ausser Kontrolle geraten», warnte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. «Die Lage ist eigentlich 5 vor 12.» Deswegen habe man keine halben Sachen mehr machen wollen. Ab Mittwoch gelte ein «Lockdown für alle», sagte der CSU-Vorsitzende. «Die Philosophie heisst: Daheim bleiben!» Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD) betonte, es seien weiter «Dinge möglich», etwa an Weihnachten. «Aber man muss auch nicht alles machen, was möglich ist.»

Die Ausnahmen
Von der Geschäftsschliessung ausgenommen sind nach dem Beschluss von Bund und Ländern unter anderem: der Einzelhandel für Lebensmittel, Wochenmärkte für Lebensmittel, Direktvermarkter von Lebensmitteln, Abhol- und Lieferdienste, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten, Banken und Sparkassen.

Einschränkungen über Weihnachten
Für Weihnachten sollen nach dem Beschluss die strengen Regeln für private Kontakte – maximal fünf Personen aus maximal zwei Hausständen – gelockert werden. Vom 24. bis zum 26. Dezember sind demnach zulässig: Treffen mit vier über den eigenen Hausstand hinausgehende Personen zuzüglich Kinder im Alter bis 14 Jahre aus dem engsten Familienkreis, also Ehegatten, Lebenspartner und Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sowie Verwandte in gerader Linie, Geschwister, Geschwisterkinder und deren jeweiligen Haushaltsangehörige, auch wenn dies mehr als zwei Hausstände oder fünf Personen über 14 Jahre bedeutet.

Schulen noch eingeschränkt offen
Neun Monate nach dem ersten Corona-Lockdown an Kitas und Schulen sollen die meisten Einrichtungen nun ebenfalls überall in Deutschland geschlossen oder nur noch eingeschränkt betrieben werden. Merkel und die Ministerpräsidenten vereinbarten, dass Schüler und Kita-Kinder spätestens ab Mittwoch für zunächst dreieinhalb Wochen zu Hause bleiben sollen.

An Silvester und Neujahr wird in Deutschland angesichts der sich ausbreitenden Corona-Pandemie ein bundesweites An- und Versammlungsverbot gelten. Zudem wird der Verkauf von Feuerwerk vor Silvester grundsätzlich verboten.

Zahlen steigen weiter drastisch an
Trotz des bisherigen Teil-Lockdowns und etlicher Mahnungen aus Wissenschaft und Politik waren die Corona-Zahlen in Deutschland drastisch gestiegen. Binnen eines Tages haben die Gesundheitsämter in Deutschland dem Robert Koch-Institut (RKI) 20’200 neue Corona-Infektionen übermittelt, wie es am Sonntagmorgen berichtete. Damit hat sich die Zahl im Wochenvergleich erneut weiter erhöht. Am vergangenen Sonntag lag sie bei 17’767. Auch die Zahl der neuen Todesfälle stieg von 255 am vergangenen Sonntag auf nun 321. An Sonntagen sind die erfassten Fallzahlen aber meist niedriger, unter anderem weil am Wochenende weniger getestet wird. Der Höchststand der Neuinfektionen war am Freitag mit 29 875 gemeldeten Fällen erreicht worden.

Erhöhung der Finanzhilfen für Unternehmen
Begleitet wird der harte Lockdown ab Mittwoch von einer Erweiterung der Corona-Finanzhilfen für Unternehmen. Konkret soll bei der Überbrückungshilfe III, die ab Januar gilt, der Höchstbetrag von 200 000 Euro auf 500 000 Euro erhöht werden. Der maximale Zuschuss ist demnach geplant für direkt und indirekt von Schliessungen betroffene Unternehmen. Die Überbrückungshilfe ist ein Zuschuss bei coronabedingten Umsatzrückgängen. Erstattet werden betriebliche Fixkosten. Für die von der Schliessung betroffenen Unternehmen soll es Abschlagszahlungen ähnlich wie bei den November- und Dezemberhilfen geben.

Geplant sind laut Beschlusspapier ausserdem Entlastungen für den Handel. Vor allem der Einzelhandel hatte angesichts der erwarteten schärferen Massnahmen zur Eindämmung des Virus zusätzliche Hilfen gefordert. Im Beschlusspapier heisst es, der mit den Schliessungsanordnungen verbundene Wertverlust von Waren und anderen Wirtschaftsgütern im Einzelhandel und anderen Branchen solle aufgefangen werden, indem Teilabschreibungen unbürokratisch und schnell möglich gemacht werden. (awp/mc/pg)

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