EU-Gipfel beginnt mit Beschluss für Russland-Sanktionen

Brüssel – Die neuen Sanktionen der EU-Staaten gegen Russland sind nach der Einigung am Mittwochabend nun auch formell beschlossen und können in Kraft treten. Das am Morgen in einem schriftlichen Verfahren angenommene Paket sieht unter anderem vor, Russlands Einnahmen aus dem Verkauf von Gas und Öl weiter zu reduzieren, wie die aktuelle dänische EU-Ratspräsidentschaft in Brüssel mitteilte. Dazu soll ein vollständiges Importverbot von Flüssigerdgas (LNG) aus Russland schon 2027 gelten und damit ein Jahr früher als ursprünglich geplant.
Zudem sind auch weitere Strafmassnahmen im Finanzsektor und Handelsbereich sowie Einschränkungen der Bewegungsfreiheit russischer Diplomaten innerhalb der EU vorgesehen. Die Rechtstexte für das Sanktionspaket sollen nach Angaben einer Sprecherin des Rates der EU noch im Laufe des Tages veröffentlicht werden.
Slowakei gibt Blockade auf
Ermöglicht wurde die Einigung durch die Slowakei, die einen wochenlangen Vorbehalt am Mittwoch aufgab. Der slowakische Regierungschef Robert Fico hatte zuvor erklärt, die EU habe wie von ihm gefordert zugesagt, mehr gegen explodierende Energiepreise zu unternehmen.
Der dänische Aussenminister Lars Løkke Rasmussen sprach im Namen der derzeitigen dänischen EU-Ratspräsidentschaft von einem guten Tag für Europa und für die Ukraine. «Die Sanktionen zeigen Wirkung und treffen die russische Wirtschaft. Russland hat zunehmend Schwierigkeiten, seinen illegalen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu finanzieren», erklärte er.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kommentierte: «Wir werden nicht nachlassen, bis die Menschen in der Ukraine einen gerechten und dauerhaften Frieden haben.» Indem man jetzt den Gassektor Russlands ins Visier nehme, treffe man das Herz seiner Kriegswirtschaft.
Gipfel beginnt in Brüssel
Angesichts der Sanktionseinigung können sich Bundeskanzler Friedrich Merz und die anderen 26 Staats- und Regierungschefs beim heutigen EU-Herbstgipfel auf andere Themen konzentrieren. Auf der Tagesordnung des Spitzentreffens stehen unter anderem Gespräche über die weitere Unterstützung der Ukraine und Vorschläge der EU-Kommission für gemeinsame Aufrüstungsprojekte.
Als Gast wurde auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zu dem Gipfel geladen. Er hofft, dass Pläne zur Nutzung von eingefrorenem russischen Staatsvermögen für sein Land vorangetrieben werden. Insgesamt könnten nach Vorstellungen von Bundeskanzler Merz und der EU-Kommission damit bis zu 140 Milliarden Euro für die Ukraine mobilisiert werden.
Sanktionspaket lag bereits seit Woche auf dem Tisch
Den Vorschlag für das Sanktionspaket hatte im vergangenen Monat die EU-Kommission unter der Leitung von Ursula von der Leyen gemacht. US-Präsident Donald Trump hatte damals nach Versuchen, Kremlchef Wladimir Putin zu Friedensgesprächen mit der Ukraine zu bewegen, wieder einen deutlich härteren Kurs gegenüber Russland eingeschlagen. Der EU stellte er in Aussicht, neue harte US-Sanktionen zu verhängen, wenn diese vollständig auf russische Energie verzichte.
Finanzinstitute im Visier
Neben den Massnahmen zum Flüssigerdgas sieht das neue Sanktionspaket vor, weiteren Banken aus Russland und befreundeten Ländern den Zugang zu den EU-Kapitalmärkten zu verwehren und Transaktionen mit ihnen zu verbieten. Zudem soll verstärkt gegen die Nutzung von Kryptowährungen vorgegangen werden, die auch zur Umgehung von bestehenden Sanktionen dienen.
Im Handelsbereich wird es etwa neue Exportverbote für Güter und Dienstleistungen geben, die von der russischen Rüstungsindustrie genutzt werden können oder die russischen Industriekapazitäten stärken. Dazu gehören etwa bestimmte Chemikalien und Baumaterialien oder Dienstleistungen aus dem Bereich Künstliche Intelligenz. Zudem sind Handelsbeschränkungen gegen weitere Unternehmen aus Ländern wie China und Indien vorgesehen, die mit Russland Geschäfte betreiben.
Im Kampf gegen die sogenannte russische Schattenflotte zur Umgehung von Energiesanktionen ist die Listung von 117 weiteren Schiffen beschlossen. Sie werden künftig nicht mehr in Häfen von EU-Staaten einlaufen dürfen und auch nicht mehr von europäischen Unternehmen versichert, finanziert oder ausgerüstet werden dürfen. Künftig sind damit weit mehr als 500 Schiffe von Strafmassnahmen betroffen.
Das mittlerweile 19. Sanktionspaket wurde unter dem Eindruck neuer schwerer russischer Luftangriffe auf die Ukraine und der Verletzung des EU-Luftraums durch russische Drohnen und Kampfjets erarbeitet. Das Vorgehen zeigt aus Brüsseler Perspektive, dass Putin nicht bereit ist, auf Friedensbemühungen von Trump einzugehen.
«Russland hat seine Verachtung für Diplomatie und Völkerrecht in vollem Umfang gezeigt», hatte von der Leyen zu Vorstellung der Sanktionsvorschläge vor einigen Wochen gesagt. Auch die Bedrohung der EU nehme zu. Neben der EU hatte auch die US-Regierung am Mittwoch neue Sanktionen gegen Russland verhängt – konkret gegen grosse russische Öl-Firmen. (awp/mc/ps)