Europas Wirtschaft wächst bescheiden – Frankreichs Defizit zu hoch

Europas Wirtschaft wächst bescheiden – Frankreichs Defizit zu hoch

EU-Verkehrskommissar Siim Kallas.

Brüssel – Die Konjunktur in den 18 Euro-Ländern nimmt nur langsam Fahrt auf. Auch die Defizite von Schuldensündern wie Frankreich bleiben zu hoch. Im laufenden Jahr erwartet die EU-Kommission nach wie vor ein schwaches Wachstum für die Euroländer von 1,2 Prozent. Für das kommende Jahr revidierte die EU-Behörde ihre Erwartung mit 1,7 Prozent leicht nach unten. Das geht aus der am Montag veröffentlichten Frühjahrs-Konjunkturprognose hervor. Die Krise in der Ukraine stelle die grösste Gefahr für den Aufschwung dar, warnte Siim Kallas, der während des Europawahlkampfs EU-Währungskommissar Olli Rehn vertritt. Die Arbeitslosigkeit bleibe hoch, auch wenn sie etwas rascher sinke als bislang erwartet.

Paris verteidigt eigene Prognose
Frankreich und Spanien mühen sich mit Reformen ab, bekommen aber dennoch ihre staatlichen Defizite nicht in den Griff. Laut EU-Prognose wird Paris es auch im nächsten Jahr trotz eines milliardenschweren Sparprogramms nicht schaffen, wie versprochen die Maastricht-Grenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung einzuhalten. Demnach wird Frankreich 2015 mit einem Defizit von 3,4 Prozent die Marke reissen – nach 3,9 Prozent im laufenden Jahr. Die Pariser Regierung hat gerade ein Sparpaket beschlossen, um bis 2017 rund 50 Milliarden Euro im Haushalt einzusparen. Kallas mahnte: «Das Defizit unter Kontrolle zu halten, ist ein wichtiges Ziel.»

Frankreichs Finanzminister Michel Sapin hielt dagegen an seiner Prognose für ein Defizit von 3,0 Prozent in 2015 fest. Die Abweichung der EU-Zahlen begründete Sapin in Paris damit, dass die Brüsseler Prognose die angekündigten Einsparungen nur zum Teil berücksichtige.

Musterschüler Deutschland
Auch für Spanien, das 2016 wieder die Drei-Prozent-Marke einhalten muss, sind die Aussichten der EU-Kommission eher düster. Die Prognose nennt 5,6 Prozent Defizit in diesem Jahr und 6,1 Prozent in 2015. Das Ziel dürfte somit kaum zu schaffen sein. Für Spanien rechnet die EU-Kommission in diesem Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent, für 2015 mit 2,1 Prozent. Frankreich kommt danach 2014 auf ein Plus von 1,0 Prozent, 2015 sollen es 1,5 Prozent werden.

Musterschüler Deutschland schneidet nach wie vor in der EU-Vorhersage gut ab. Die grösste Volkswirtschaft in der Eurozone soll wie erwartet in diesem Jahr um 1,8 und im kommenden Jahr um 2,0 Prozent wachsen.

EU mahnt weitere Reformen an
Die Staaten müssten weiter Reformen umsetzen, mahnte EU-Kommissar Kallas. Es gebe aber Anlass zum Optimismus, da die Rezession vorüber sei. Kallas sagte: «Der Aufschwung hat Fuss gefasst. Die Defizite sinken, es wird wieder investiert und die Beschäftigungslage bessert sich.» So werde die Arbeitslosigkeit in den Euroländern nach ihrem Rekordhoch nun in diesem Jahr auf 11,8 und im kommenden Jahr auf 11,4 Prozent sinken; deutlich schneller, als bisher von der EU-Kommission prognostiziert.

Allerdings sorgt sich Kallas um die wirtschaftlichen Folgen der «Spannungen und Unsicherheit um uns herum, insbesondere bezogen auf die Krise in der Ukraine.» Besonders leiden würden darunter EU-Länder mit starken Beziehungen zu Russland, wie etwa Zypern.

Mehr Massnahmen für Jobs gefordert
Der Europäische Gewerkschaftsbund ETUC forderte mehr Massnahmen, um Arbeitsplätze zu schaffen: «Was wir brauchen ist keine Spardiät, sondern ein Plan für Investitionen, Wachstum und Jobs, um die interne Nachfrage anzukurbeln.»

Die EU-Kommission unterstützte die Entscheidung Portugals, nach dem Verlassen des Euro-Rettungsschirms keine Übergangshilfen in Anspruch zu nehmen. Dies sei «gerechtfertigt», sagte Kallas und mahnte zugleich: «Die portugiesische Regierung darf sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Es muss weitergehen mit den Reformen.»

Warnung vor Niedrig-Inflation
Griechenland hofft auf weitere Erleichterungen bei der Rückzahlung seiner Schulden, wie etwa nierigere Zinssätze und längere Rückzahlungsfristen. EU-Kommissar Kallas sagte: «Schuldenabbau ist eine sehr wichtige Frage, die mit den Kreditgebern diskutiert werden muss. Allerdings glaube ich nicht, dass es viel Handlungsspielraum gibt, aber das wird mit den Mitgliedsstaaten diskutiert werden.»

Die EU-Kommission warnte auch vor einer dauerhaft extrem niedrigen Inflation. «Das Risiko einer Deflation sehen wir aber nicht», sagte Kallas – denn im nächsten Jahr werde die Inflation wieder anziehen und von 0,8 auf 1,2 Prozent steigen. Bei einer Deflation kommt bei anhaltend sinkenden Preisen eine gefährliche Abwärtsspirale in Gang, bei der Verbraucher und Unternehmen ihre Käufe und Investitionen zurückstellen, weil sie mit weiter fallenden Preisen rechnen. (awp/mc/upd/ps)

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