EU-Staaten setzen Flüchtlingsverteilung trotz Widerständen durch

EU-Staaten setzen Flüchtlingsverteilung trotz Widerständen durch
(Foto: Fotolia/Lydia Geissler)

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Brüssel – Gegen den Widerstand von vier mittel- und osteuropäischen Ländern haben die EU-Staaten die Verteilung von 120’000 Flüchtlingen in Europa beschlossen. Ungarn, Rumänien, Tschechien und die Slowakei stimmten am Dienstag bei einem Sondertreffen der EU-Innenminister in Brüssel gegen den Kompromiss. Finnland enthielt sich. Damit trafen die Minister überraschend eine Entscheidung lediglich mit der notwendigen Mehrheit und nicht – wie sonst bei wichtigen Fragen üblich – im Konsens aller Staaten. Beim EU-Gipfel an diesem Mittwoch dürfte dies zu Spannungen führen.

Der slowakische Regierungschef Robert Fico kündigte noch am Abend an, er wolle sich nicht an «dieses Diktat» halten. «Es ist noch nie vorgekommen, dass Meinungen, für die Länder rationale Argumente hatten, (…) von einer Mehrheit einfach niedergewalzt wurden, nur weil sie nicht fähig war, einen Konsens zu finden», sagte er vor dem Parlament in Bratislava. Auch Tschechien kritisierte die Entscheidung scharf, Innenminister Milan Chovanec sprach von einer «leeren Geste».

Ein Viertel der Flüchtlinge nach Deutschland
Deutschland wird 31’000 der 120’000 Flüchtlinge aufnehmen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière betonte, dieser Anteil von 26 Prozent sei zwar nicht unerheblich, stelle aber unter dem Strich eine Entlastung dar, da Deutschland zurzeit fast die Hälfte der Flüchtlinge aufnehme. «Ohne diesen Verteilschlüssel wären viele viele mehr zu uns gekommen.»

Die Verteilung der 120’000 Migranten, die zunächst Griechenland und Italien entlasten soll, hatte zu schwerem Streit unter den EU-Ländern geführt, besonders die mittel- und osteuropäischen Staaten waren bis zuletzt dagegen.

Auch Ungarn muss Flüchtlinge aufnehmen
Ungarn als einer der entschiedensten Gegner muss ebenfalls mitmachen. «Auch Ungarn muss Migranten annehmen», sagte Luxemburgs Aussenminister Jean Asselborn. Sein Land führt derzeit den Vorsitz der EU-Staaten, deshalb leitete er das Treffen. Den ursprünglichen Vorschlag, der zu einer Entlastung für Ungarn geführt hätte, hatte die Budapester Regierung abgelehnt. Dem Land sollen nun nach Angaben von Diplomaten ungefähr 2350 Personen zunächst aus Italien und Griechenland zugeteilt werden.

Polen, das ebenfalls Bedenken gegen die Verteilung hatte, scherte aus der Visegrad-Gruppe der Gegner aus und stimmte im Rat für das Vorhaben. «Für uns war wichtig, dass Polen dabei ist», sagte Bundesinnenminister de Maizière.

Kein Geld gegen Flüchtlinge
Die Idee, dass sich EU-Staaten von der Pflicht zur Aufnahme freikaufen könnten, fand keine Unterstützung. Frankreich und «Deutschland seien absolut dagegen gewesen, sagte de Maizière: «Es kann kein Geschäft geben: Geld gegen Flüchtlinge.»

Von Quoten sei in der Erklärung der Innenminister nicht mehr die Rede, betonte Luxemburgs Aussenminister Asselborn. Verbindlich seien die Zahlen für die Staaten aber trotzdem. Der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, bekräftigte: «Die Kommission ist verpflichtet durchzusetzen, was wir vereinbart haben.»

Kritik aus Tschechien
Tschechien kritisierte die Mehrheitsentscheidung scharf. «Heute ist der gesunde Menschenverstand verloren gegangen», empörte sich der Prager Innenminister Milan Chovanec via Twitter. Der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka hatte noch kurz vor dem Treffen rechtliche Bedenken gegen den Plan vorgebracht. Das Vorhaben könnte seiner Ansicht nach in einer Blamage für die EU-Kommission enden.

Schweiz begrüsst Entscheid zu Umverteilung
Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga begrüsste den Entscheid der Innenminister. Dies sei ein wichtiger Schritt hin zu einer solidarischen, europäischen Flüchtlingspolitik. Sommaruga betonte beim Treffen erneut die Position der Schweiz, wonach europäische, gemeinsame Lösungen nötig seien. Sie hielt aber auch fest, dass einige Fragen noch offen seien. Unklar sei etwa, wie die Hotspots funktionieren sollen und wie eine lückenlose Registrierung von Asylsuchenden sichergestellt werden könne. Hier erwarte die Schweiz wie auch andere Staaten rasche und klare Antworten. (awp/mc/pg)

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