Frieden für die Ukraine? Selenskyj trifft Europäer in London
London / Kiew – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird heute zu Gesprächen mit den westlichen Partnern um Bundeskanzler Friedrich Merz in London erwartet. An den Beratungen über den aktuellen Stand des US-Friedensplans zur Beendigung des russischen Angriffskrieges in der Ukraine werden auch der britische Premierminister Keir Starmer und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron teilnehmen. «Die Europäer werden notwendigerweise eine tragende Säule der gerechten und dauerhaften Lösung sein, die wir gemeinsam aufbauen», schrieb Macron vorab auf der Plattform X.
Unterhändler der USA und der Ukraine hatten bis Samstag im US-Bundesstaat Florida drei Tage lang über eine neue Fassung des Friedensplans verhandelt, dessen ursprüngliche Version vielfach als «russische Wunschliste» kritisiert worden war. Selenskyj schaltete sich nach eigenen Angaben zum Abschluss der Gespräche dazu. Er nannte den Austausch konzentriert und konstruktiv.
Trump «ein wenig enttäuscht» von Selenskyj
US-Präsident Donald Trump äusserte Zweifel, ob Selenskyj mit einem neuen Vorschlag für ein Ende des russischen Angriffskriegs einverstanden ist. Die USA hätten mit Kremlchef Wladimir Putin gesprochen und mit ukrainischen Vertretern, darunter Selenskyj, sagte Trump am Sonntagabend (Ortszeit) in Washington. «Und ich muss sagen, dass ich ein wenig enttäuscht bin, dass Präsident Selenskyj den Vorschlag noch nicht gelesen hat.» Das sei zumindest der Stand von vor ein paar Stunden gewesen.
Russland würde wohl lieber das ganze Land haben, sagte Trump weiter. Dennoch glaube er, dass Moskau mit dem Vorschlag einverstanden sei. «Aber ich bin mir nicht sicher, ob Selenskyj damit einverstanden ist», sagte Trump. «Seine Leute lieben ihn (den Vorschlag)», schob er nach.
Knackpunkte Territorialfragen und Sicherheit
Wie sich der vor etwa drei Wochen publik gewordene US-Friedensplan mit ursprünglich 28 Punkten seither gewandelt hat, ist öffentlich nicht bekannt. Entscheidende ungeklärte Punkte scheinen aber die Territorialfragen und Sicherheitsgarantien der USA für die Ukraine zu sein.
Moskau gibt sich in dem Prozess zwar öffentlich gesprächsbereit. Im Kern aber hält Präsident Putin an seinen harten Forderungen fest. Er besteht unter anderem auf Gebietsabtretungen der Ukraine und dem Verzicht einer Nato-Mitgliedschaft des Nachbarlandes, das sich im Falle eines Friedensschlusses vor neuen Aggressionen Russlands schützen will. Auch die USA machen Druck auf Kiew, einem Gebietsverzicht zuzustimmen, weil der Krieg sonst nicht zu stoppen sei. Die Ukraine lehnt dies bislang ab.
Russland hat den Krieg vor knapp vier Jahren begonnen. Einschliesslich der Krim halten die Invasoren derzeit etwa ein Fünftel der ukrainischen Landesfläche besetzt. Allerdings ist es Russlands Armee seit 2022 nicht gelungen, das beanspruchte Donbass-Gebiet in der Ostukraine völlig einzunehmen.
Überschattet wird das Treffen Selenskyjs mit den europäischen Partnern auch von der neuen Sicherheitsstrategie der Trump-Regierung. In dem am Donnerstag veröffentlichten US-Dokument wird Europa nicht mehr als enger Verbündeter dargestellt, sondern vielmehr von grundsätzlichen Interessenkonflikten ausgegangen. Statt der transatlantischen Partnerschaft wollten die USA künftig ihre Interessen voranstellen, heisst es darin. Ausserdem wird ein düsteres Bild der angeblichen Lage in Europa gezeichnet, die von verfehlter Migrationspolitik, Zensur, Unterdrückung der politischen Opposition und dem Verlust nationaler Identitäten geprägt sei.
Meloni sagt weitere Unterstützung zu
Vor dem Treffen in London stimmte sich Selenskyj mit einer anderen europäischen Verbündeten ab, der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni. «Es ist noch viel Arbeit zu leisten, um sicherzustellen, dass Russland sich wirklich zu einem Ende des Krieges verpflichtet», schrieb Selenskyj danach auf X. Meloni sicherte der Ukraine weitere Unterstützung gegen Russland zu und hielt Moskau eine «neue Serie wahlloser Angriffe auf zivile Ziele» im Nachbarland vor. Ziel bleibe ein dauerhafter und gerechter Frieden.
Baerbock: Kein Gebietsverzicht für Frieden in der Ukraine
Der Ukraine dürften nicht Gebietsabtretungen als Teil einer Friedenslösung aufgezwungen werden, sagte die Präsidentin der UN-Vollversammlung, Annalena Baerbock. «Man ächtet einen Angriffskrieg und belohnt ihn nicht noch. Wer Aggression prämiert, wird statt Frieden weitere Kriege ernten», sagte die frühere deutsche Aussenministerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. «Würden wir es akzeptieren, dass ein Mitglied des Sicherheitsrats die wichtigste Regel der Vereinten Nationen bricht», käme das einem Freifahrtschein gleich, sagte sie mit Blick auf das Gewaltverbot in der UN-Charta.
Das wird heute wichtig
Der Ukraine-Krieg wird auch Thema beim Besuch von Aussenminister Johann Wadephul (CDU) in Peking sein. Er will die chinesische Führung drängen, in den Gesprächen über einen Waffenstillstand den Druck auf Moskau zu erhöhen. «Kein anderes Land hat so viel Einfluss auf Russland wie China und kann sein Gewicht so sehr dafür einzusetzen, dass Russland endlich zu ernsthaften Verhandlungen bereit ist, die die Souveränität der Ukraine achten», sagte Wadephul vor Abflug. Zwar betont Peking öffentlich, dass China in dem Krieg eine neutrale Rolle einnehme – im Westen wird der Volksrepublik allerdings vorgeworfen, Moskau zu unterstützen. (awp/mc/ps)