G7-Gipfel zwischen Eiszeit mit Moskau und Froststimmung mit USA

G7-Gipfel zwischen Eiszeit mit Moskau und Froststimmung mit USA

Offizielles Logo des G7-Gipfels vom 7. und 8. Juni 2015 in Elmau. (Bild: g7germany.de) 

Berlin – Es wäre der ganz grosse Coup: Die Bundeskanzlerin würde den russischen Präsidenten zur Umkehr in der Ukraine-Krise bewegen und Wladimir Putin könnte doch noch zum Gipfel nach Bayern kommen. Die Staats- und Regierungschefs der grossen Industrienationen wären wieder vereint. Aus G7 würde wieder G8. Einiges würde einfacher. Etwa die Beratungen über die Schuldenerleichterungen für die Ukraine – ohne Russland machen sie wenig Sinn. Wie vieles andere auch nicht.

Langfristig sind internationale Herausforderungen bei Terror, Klima, Umwelt oder Handel kaum effektiv zu bewältigen, wenn Moskau aussen vor bleibt. Doch Putins Erscheinen auf Schloss Elmau wäre ein Wunder. Denn Russland wird die Bedingungen der G7 für eine Teilnahme wohl kaum bis zum kommenden Sonntag erfüllen.

«Solange sich Russland nicht zu den grundlegenden Werten des Völkerrechts bekennt und danach handelt, ist für uns eine Rückkehr zum Format G8 nicht vorstellbar», stellt Angela Merkel klar. Für die G7 hat Moskau mit der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim und der Unterstützung prorussischer Separatisten in der Ostukraine territoriale Integrität verletzt. Nicht nur völkerrechtswidrig, gar «verbrecherisch» nennt Merkel das. Eisiger kann der Ton kaum werden.

Frostige Transatlantik-Beziehungen Deutschlands
Von Harmonie ist aber auch die Gruppe der 7 weit entfernt. Frostig ist das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA geworden. Die seit 2013 schwelende Affäre um die massenhafte Sammlung deutscher Daten durch den US-Geheimdienst NSA ist längst nicht ausgestanden.

Jüngste Berichte, wonach die NSA mit Hilfe des Bundesnachrichtendienstes (BND) auch Unternehmen habe ausspionieren wollen, verschärfen das Misstrauen. Inzwischen steht das Kanzleramt als Kontrollinstanz der deutschen Geheimdienste unter Druck. Das alles passt nicht ins Bild der freiheitsliebenden Pfarrerstochter aus der DDR und des Präsidenten des grossen Verbündeten, Barack Obama, der Merkel mit der US-Freiheitsmedaille ausgezeichnet hat.

Nicht einmal hundert Kilometer von Elmau steht die frühere NSA- und jetzige BND-Abhörstation in Bad Aibling, von wo aus der BND für die NSA tausendfach Handynummern oder Mail-Adressen überwachen soll. Merkels Koalitionspartner SPD verlangt die Herausgabe dieser Liste mit den Suchbegriffen – auch gegen den Willen der USA. Noch beruft sich Merkel auf ein «laufendes Konsultationsverfahren» mit den USA.

Es liegt nahe, dass sie mit Obama in Elmau darüber sprechen wird. Ein Erfolg für die Kanzlerin wäre, wenn Obama die seit 2013 geforderte Zusicherung gäbe, dass die USA deutsches Recht auf deutschem Boden einhalten. Bürger sind fassungslos, dass es sie bis heute nicht gibt.

Uneinigkeit in Europa
Und auch die europäischen Partner haben so ihre Probleme. Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Italien belasten tiefgreifende Differenzen um die Lösung der Schuldenkrise und die Fortentwicklung der Europäischen Union.

Der eben erst überraschend eindrucksvoll im Amt bestätigte Premierminister David Cameron will die Bürger in Grossbritannien bis Ende 2017 über die Mitgliedschaft in der EU abstimmen lassen. Um sie von einem Ja zu überzeugen, pocht er etwa auf Erleichterungen für die Finanz-Dienstleistungsbranche in der Londoner City. Und auf Beschränkungen für Einwanderer aus anderen EU-Ländern – trotz der vereinbarten sogenannten Arbeitnehmer-Freizügigkeit.

Dies alles – Ukraine-Krise, Konflikt mit Russland, Vertrauensbruch im deutsch-amerikanischen Verhältnis und EU-Probleme – stehen gar nicht auf der Tagesordnung in dem Luxushotel in Elmau. Aber es sind Themen, die in Hinterzimmern, auf Fluren, im Garten mit Blick auf eine traumhafte Bergkulisse besprochen werden. Und genau darin sehen die Staats- und Regierungschefs einen der grossen Nutzen solcher Gipfel. Auch wenn es keine unmittelbaren Beschlüsse gibt, es dient der Annäherung, dem Verständnis und im besten Falle späterem Handeln.

Mehr als 19’000 Polizisten aufgeboten
Einer Umfrage zufolge empfindet fast jeder Dritte in Deutschland den Gipfel allerdings als sinnlos. Kritiker halten die Gespräche hinter verschlossenen Türen für Zeit- und Geldverschwendung, weil die Ergebnisse dürftig seien. Die bayerische Staatsregierung rechnet mit Kosten von 130 Millionen Euro. Ein Grossteil davon geht für den Polizeieinsatz mit insgesamt mehr als 19’000 Polizisten drauf. Tausende Beamte sind im Einsatz, um Demonstranten von dem Treffen der Polit-Giganten fernzuhalten und den Veranstaltungsort zu sichern.

In rund 24 Stunden wollen die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Italien, Grossbritannien, Japan, Kanada und den USA eine Palette von Themen abarbeiten. Islamistischer Terror und Flüchtlingselend – darüber berät die G7-Runde in Elmau auch mit anreisenden afrikanischen Staats- und Regierungschefs -, Verschmutzung der Weltmeere, Reduzierung von Antibiotika-Resistenzen, Stärkung von Frauen in der Wirtschaft, Hilfe für Entwicklungsländer, (umstrittene) Freihandelsabkommen und weltweite Umwelt- und Sozialstandards bei der Produktion von Kleidung und Lebensmitteln.

Und ganz oben auf dem Programm steht das längst vereinbarte Klimaschutzziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Die bisherigen nationalen Beiträge reichen dafür nicht aus. Merkel will von Elmau aus ein Signal der Entschlossenheit für einen Erfolg des Weltklimagipfels im Dezember in Paris senden.

Der grosse Coup bleibt wohl aus
Das New Yorker Wirtschaftsmagazin «Forbes» kürte Merkel gerade erst wieder zur mächtigsten Frau der Welt. Zum neunten Mal seit 2006. Der G7-Gipfel unter deutscher Präsidentschaft – Merkels zweiter nach 2007 in Heiligendamm – bietet ihr die Bühne zur neuerlichen Machtdemonstration. Auch wenn am Ende wohl nur Elmauer Absichtserklärungen herauskommen werden, eine wichtige Wegmarke für die Kanzlerin, die vermutlich eine vierte Amtszeit anstrebt.

Den grossen Coup – Putin in Elmau, Obamas Einlenken in der NSA-Affäre, Einigung mit Cameron auf EU-Reformen, Zwei-Grad-Garantie – wird es kaum geben. Reine Show ist so ein Gipfel trotzdem nicht. (awp/mc/ps)

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