Rom zeigt Brüssel im Schuldenstreit die kalte Schulter

Rom zeigt Brüssel im Schuldenstreit die kalte Schulter
Italiens parteiloser Finanzminister Giovanni Tria.

Rom – Italien weigert sich im Haushaltsstreit trotz Protesten der EU und grosser Nervosität an den Finanzmärkten von seinen Schuldenplänen abzuweichen. Die Haushaltsziele für das kommende Jahr änderten sich nicht, erklärte der Vize-Premierminister Luigi Di Maio am Dienstagabend. «Es ist unsere Überzeugung, dass dieser Haushalt das ist, was das Land braucht, um wieder auf die Beine zu kommen.» Die Regierung wolle mit dem Verkauf von staatlichen Immobilien die Staatskasse aufbessern.

Ob das die Kommission überzeugt, ist fraglich. Sie hatte den Budgetentwurf aus Rom in einem historisch einmaligen Schritt vor drei Wochen abgelehnt und bis Dienstag eine Überarbeitung gefordert. Um Mitternacht lief die Frist für eine Antwort aus Rom aus. Die Finanzmärkte reagieren seit Wochen nervös auf die Unsicherheit in Italien und schüren Ängste vor einer handfesten Krise.

Defizitverfahrten kaum zu umgehen
Italien steuert nun auf ein Defizitverfahren zu, das die Kommission bald einleiten könnte. Dabei könnten die EU-Partner Italien mehr Haushaltsdisziplin verordnen. Verstösst Rom auch gegen diese Vorgaben, dürften die Finanzminister theoretisch finanzielle Sanktionen verhängen. Das wäre allerdings vor allem Wasser auf die Mühlen der Europa-Skeptiker in der Regierung, die gerne ein Brüsseler Spardiktat für die lahmende Wirtschaft in Italien verantwortlich machen.

Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, hält es jedoch nur für eine Frage der Zeit, bis die Regierung in Rom in der Schuldenfrage einlenkt. «Die Realitäten, die Fakten werden auch Rom sehr schnell einholen», sagte Weber am Dienstagabend in den ARD-«Tagesthemen». Der populistischen Regierung werde es ähnlich ergehen wie dem griechischen Premier Alexis Tsipras, der in der Schuldenkrise auch zunächst Front gegen Brüssel gemacht und dann eingelenkt habe.

Neuverschuldung von 2,4 Prozent angestrebt
Die Koalition aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega peilt im kommenden Jahr eine Neuverschuldung von 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung an. Man wolle dafür einstehen, dass dieser Wert eingehalten wird, sagte Di Maio. Der Verkauf staatlicher Immobilien werde sich positiv auf die Schuldenlast auswirken – vereitelt werden sollten aber keine «Familien-Schmuckstücke», sondern nur zweitrangige Besitztümer, wie der Chef der Sterne-Bewegung betonte.

Da die drittgrösste Volkswirtschaft in der Eurozone schon jetzt haushoch verschuldet ist, stemmt sich die EU gegen die Pläne. Sie sieht in dem Entwurf einen beispiellosen Verstoss gegen die Euro-Stabilitätsregeln. Diese verpflichten Italien, wegen seiner hohen Schuldenquote seine Gesamtverschuldung in den Griff zu bekommen.

Teure Wahlversprechen
Die Koalition will aber teure Wahlversprechen finanzieren – beispielsweise eine Grundsicherung nach dem Vorbild von Hartz IV oder ein niedrigeres Renteneintrittsalter. Es bleibe bei all diesen Massnahmen, sagte Di Maio. Man sei im März gewählt worden, damit die Sparpolitik überwunden werde und frisches Geld eingesetzt werde.

«Wir arbeiten an einem Haushalt, der mehr Arbeitsplätze schafft, mehr Recht auf Renten und weniger Steuern, nicht für alle aber für viele. Wenn das Europa gefällt, sind wir zufrieden, wenn nicht, gehen wir unseren Weg dennoch weiter», sagte der Innenminister und zweite Vize-Premier Matteo Salvini.

Doch nicht nur die Finanzmärkte überzeugen Roms Pläne nicht. Auch der IWF stellte Italien zuletzt ein schlechtes Zeugnis aus und nannte die Haushaltspläne ein Risiko für das Land.

Der CSU-Politiker Weber äusserte aber auch Verständnis für die Lage Italiens. Dort herrsche eine hohe Jugendarbeitslosigkeit, weswegen es viele junge Menschen ohne Perspektive gebe. «Dann verstehe ich den Frust.» Und er verstehe, dass manche Italiener Populisten wählten. Dennoch könne die Regierung in Rom nicht machen, was sie wolle. «Italien kann jetzt nicht Haushalte vorlegen, die dann die ganze Eurozone in Risiko bringen.» (awp/mc/upd/pg)

EU-Kommission

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