Italien geht weiter gegen Ratingagenturen vor

Italien geht weiter gegen Ratingagenturen vor

Staatsanwalt Carlo Maria Capristo.

Rom – Die italienische Justiz hat die Ratingagenturen Standard & Poor’s und Moddy’s im Visier: Bereits am Mittwoch durchsuchten Staatsanwälte in Mailand Büroräume der beiden Agenturen und beschlagnahmten Akten, wie die zuständige Staatsanwaltschaft unter Carlo Maria Capristo bestätigte. Bei den Razzien ging es der Finanzpolizei um mehrere «unbegründete» negative Beurteilungen der schwierigen italienischen Finanz- und Bankenlage. Es gehe um den Verdacht der Marktmanipulation und Missbrauch von Informationen, hiess es weiter.

Die Ermittler hatten bei ihrer Aktion vor allem Unterlagen zu einer Risikoeinschätzung der Banken des Landes vom Mai 2010 und zu gleich drei negativen Beurteilungen zur Schuldenkrise Italiens von 2011 im Visier. Spitzenvertreter von Moody’s hatten sich bereits im vergangenen Juli vor der Börsenaufsicht Consob dazu äussern müssen, dass sie 16 Banken mit einer Herabstufung gedroht hatten.

«Unbegründete und unvorsichtige» Beurteilungen
Die zuständigen Staatsanwälte von Trani in Apulien halten die negativen Beurteilungen der Ratingagenturen für «unbegründet und unvorsichtig». Diese hatten Einbrüche auf dem Aktienmarkt und bei den italienischen Staatstiteln nach sich gezogen. Die Ermittlungen gegen insgesamt sechs Analysten und Mitarbeiter der beiden Agenturen gehen unter anderem von Konsumentenverbänden aus. Standard & Poor’s hat die Anschuldigungen bereits am Donnerstag als haltlos zurückgewiesen und sein Vorgehen in den Bewertungen der Lage Italiens korrekt genannt.

«Oberflächlichkeit»
Im Zuge der andauernden Ermittlungen greift die Polizei zudem auf Material der Börsenaufsicht zu den Agenturen zurück. Sie hörte dazu auch Vertreter der italienischen Finanzinstitutionen, darunter Notenbankchef Mario Draghi und Finanzminister Giulio Tremonti. Der Börsenaufsicht war es im Juli bereits auch um die schnelle Kritik von S&P an dem jüngsten Sparpaket der Regierung Berlusconi gegangen. Die Consob sprach von «Oberflächlichkeit», weil die Agentur das Sparpaket als unzureichend kritisiert hatte, obwohl doch viele konkrete Details der Massnahmen noch gar nicht bekannt gewesen seien.

«Undurchsichtige Arbeitsmethoden»
Zudem sei die Mailänder Börse zum Zeitpunkt der Stellungnahme noch offen gewesen. Die Nervosität der Finanzmärkte hatte auch Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi am Mittwoch veranlasst, vor seiner Erklärung zur Krise vor dem Parlament den Börsenschluss abzuwarten. Consob-Präsident Giuseppe Vegas rügte damals «unzählige» Fehler und Interessenkonflikte sowie «undurchsichtige Arbeitsmethoden» der Ratingagenturen. Mit dem Vorgehen der Consob machte Italien als erstes EU-Mitglied von den 2010 in Kraft getretenen Möglichkeiten einer schärferen Überwachung der umstrittenen Agenturen Gebrauch. (awp/mc/ps)

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