Japanische Regierung zieht Notbremse

Japanische Regierung zieht Notbremse

Japans Premierminister Yoshihiko Noda.

Tokio – Das hoch verschuldete Japan ist wegen eines Streits zwischen Regierung und Opposition um die Ausgabe neuer Staatsanleihen in gewaltige Finanzierungsschwierigkeiten geraten. Die Regierung kündigte am Freitag an, kurzfristig Ausgaben in Höhe von voraussichtlich 5 Billionen Yen (50 Mrd Euro) bis November zu kürzen, da sonst die Zahlungsunfähigkeit drohe. Sollten sich die Regierung und die Opposition nicht schnellstens auf einen Kompromiss einigen, könne es zu weiteren für die Bürger schmerzhaften Einschnitten kommen.

Die Opposition weigert sich, einem Gesetz der regierenden Demokratischen Partei (DPJ) von Premier Yoshihiko Noda zuzustimmen, das die Regierung zur Ausgabe neuer Staatsanleihen ermächtigt. Die Opposition will so eine Parlamentsauflösung und Neuwahlen erzwingen.

Beratungen werden nächsten Monat fortgesetzt
Weil der Staatshaushalt in Japan seit langem fast zur Hälfte über neue Schulden finanziert wird, droht schon in wenigen Wochen die Staatskasse auszutrocknen, wenn das Gesetz zur Ausgabe neuer Staatsanleihen nicht verabschiedet wird. Da die laufende Sitzungsperiode des Parlaments an diesem Samstag endet, werden die Beratungen voraussichtlich im kommenden Monat fortgesetzt.

Zuvor war das Gesetz bereits im Unterhaus verabschiedet worden. Dort hat die Regierungspartei die Mehrheit. Allerdings verfügt die Opposition im Oberhaus über die Mehrheit und kann damit die Gesetzgebung der Regierung blockieren.

Geplante Ausgaben auf Eis gelegt
Wegen des Streits musste die Regierung daher nun erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg die Notbremse ziehen und einen Teil der eingeplanten Ausgaben auf Eis legen. Betroffen sind Steuerzuwendungen für Provinzregierungen und Zuschüsse an Universitäten.

Ende November droht das Geld auszugehen
Aber auch mit diesen Streichungen drohe der Regierung Ende November das Geld auszugehen, warnte Finanzminister Jun Azumi. Die Regierung werde notfalls auch an die Sozialhilfeausgaben gehen müssen. Japan war vor einem Jahr schon einmal in einer ähnlich prekären Situation. Damals stimmte die Opposition am Ende doch noch der Ausgabe von Anleihen zu.

Beobachter rechnen mit Einlenken der Opposition
Beobachter rechnen denn auch damit, dass es auf einer ausserordentlichen Parlamentssitzung zu einer Zustimmung durch die Opposition kommen dürfte. Die Opposition verlangt von dem Premier, dass er ein konkretes Datum für vorgezogene Neuwahlen nennt. Noda hatte der Opposition kürzlich für deren Zustimmung zur Anhebung der Verbrauchssteuer baldige Neuwahlen zum Parlament versprochen.

Zuvor stehen in diesem Monat die Wahlen für den Vorsitz der DPJ sowie der grössten Oppositionspartei der Liberaldemokraten (LDP) an, die Japan jahrzehntelang regiert hatte. Noda, der am Sonntag ein Jahr im Amt ist, kann mit seiner Wiederwahl rechnen. Unklar erscheint, ob LDP-Chef Sadakazu Tanigaki im Amt bleibt. Seine Partei macht sich Hoffnung, bei der nächsten Parlamentswahl an die Macht zurückzukehren. Der Vorsitzende der jeweils regierenden Partei wird in der Regel auch Ministerpräsident des Landes.

Steigende Sozialausgaben, anschwellende Verschuldung
Unterdessen haben die Ministerien ihre Etatforderungen für das kommende Fiskaljahr vorgelegt, das am 1. April beginnt. Sie belaufen sich auf eine Rekordhöhe von mehr als 102 Billionen Yen, wie Medien berichteten. Diese gewaltige Summe spiegelt die steigenden Sozialausgaben sowie die anschwellende Verschuldung Japans wider. Japans Staatsverschuldung beläuft sich auf 220 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die höchste unter allen Industriestaaten. Japan steht vor der Herausforderung, zum einen die Verschuldung zu bekämpfen, zugleich aber die stagnierende Wirtschaft anzukurbeln. (awp/mc/pg)

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