Libyen: Heftige Kämpfe – Warnung vor «zweitem Somalia»

Libyen: Heftige Kämpfe – Warnung vor «zweitem Somalia»

Aufständischer mit RPG-Raketen nach der Rückeroberung der Stadt Brega im Osten Libyens.

Tripolis – Nach der Niederlage seiner Truppen in der Stadt Al-Brega hat der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi am Donnerstag Kampfflugzeuge in das Rebellengebiet geschickt. Ein Polizeikommandeur in Bengasi, der inoffiziellen Hauptstadt des «befreiten Ost-Libyens», sagte der Nachrichtenagentur dpa, Gaddafis Truppen hätten mehrere Ziele in Al-Brega bombardiert.

Die Aufständischen im Osten Libyens hatten am Mittwoch nach eigenen Angaben eine Offensive der Gaddafi-Truppen in den Städten Al- Brega und Adschdabija gestoppt. Dabei seien ihnen mehrere Soldaten und Söldner sowie 45 Militärfahrzeuge in die Hände gefallen. In der weiter östlichen gelegenen Stadt Tobruk habe sich eine Einheit der Marine den Aufständischen angeschlossen, meldete der Nachrichtensender Al-Arabija. Nach Informationen des TV-Senders Al-Dschasira wird inzwischen auch die südliche Oasenstadt Al-Kufra von den Aufständischen kontrolliert.

Tripolis am Donnerstagmorgen ruhig
Unterdessen macht die Organisation der Rebellen im Osten Fortschritte. Die libysche Exil-Opposition teilte mit, in der Stadt Bengasi sei eine neue Brigade namens «Brigade 17. Februar» gegründet worden. Die Übergangsregierung in Bengasi erklärte, der Transport weiterer ausländischer Söldner nach Libyen müsse unbedingt unterbunden werden. Dafür seien auch Luftangriffe ausländischer Armeen gerechtfertigt. «Dies wäre keine ausländische Militärintervention auf libyschem Boden», betonte ein Sprecher des Gremiums. In der libyschen Hauptstadt Tripolis blieb es am Donnerstag ruhig. Nach Angaben von Augenzeugen hatten zahlreiche Banken und Geschäfte geöffnet. Das Gaddafi-Regime hatte bereits vor einigen Tagen die Parole ausgegeben: «Alles muss so normal wie möglich aussehen.»

Clinton befürchtet, dass Libyen im Chaos versinkt

US-Aussenministerin Hillary Clinton befürchtet angesichts der blutigen Unruhen in Libyen Verhältnisse wie im krisengeschüttelten Somalia. Am Mittwoch (Ortszeit) wies sie darauf hin, dass zahlreiche Kämpfer des Terrornetzes Al-Kaida in Afghanistan und im Irak aus dem nordafrikanischen Land stammten. «Eine unserer grössten Sorgen ist, dass Libyen im Chaos versinkt und zu einem gigantischen Somalia wird», erklärte die Ministerin. Viele der Al-Kaida-Kämpfer stammten aus dem Osten Libyens, der Hochburg der Opposition.

Nato rüstet sich «für jeden Eventualfall»
Die Nato will «für jeden Eventualfall» in Libyen gerüstet sein. Dies sagte eine Sprecherin des Bündnisses am Donnerstag in Brüssel auf die Frage, ob die Nato eine Flugverbotszone in Libyen vorbereite. Alle 28 Nato-Regierungen hätten bei einem Treffen des Nato-Rates am Mittwoch unter Vorsitz von Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen «grosse Sorge über die anhaltende Gewalt und die ernste humanitäre Lage in Libyen gezeigt». Die «Süddeutsche Zeitung» berichtete am Donnerstag, die Nato arbeite «unter Hochdruck und streng geheim an Plänen für eine Flugverbotszone über Libyen». Im «Fall des Falles» wolle das Bündnis einen Einsatz innerhalb weniger Tage beginnen können, sofern dieser angefordert werde.

Mehr als 150’000 Menschen auf der Flucht
Der Chefankläger des Strafgerichtshofs, Luis Moreno-Ocampo, teilte am Mittwoch in Den Haag mit: «Der nächste Schritt für den Staatsanwalt wird darin bestehen, seinen Fall den Richtern des IStGH zu präsentieren, die dann entscheiden, ob auf der Basis des Beweismaterial Haftbefehle ausgestellt werden». Deutschland will sich mit drei Schiffen der Bundeswehr an einer Hilfsaktion für ägyptische Flüchtlinge aus Libyen beteiligen. Nach jüngsten UN-Schätzungen sind mehr als 150.000 Menschen auf der Flucht. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen forderte die Konfliktparteien in Libyen auf, humanitäre Helfer und Hilfsgüter in die umkämpften Gebiete des Landes zu lassen.

Ermittlung gegen Gaddafi, seine Söhne und Sicherheitschefs
Gegen den libyschen Staatschef Muammar al-Gaddafi und seine Söhne wird seit Donnerstag offiziell wegen schwerer Verbrechen gegen die Menschlichkeit ermittelt. Das erklärte der Chefankläger beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH), Luis Moreno-Ocampo, in Den Haag. Gaddafi und sein Clan, zu dem auch die verschiedenen Sicherheitschefs gehörten, würden mutmasslich «die grösste Verantwortung für die schwersten Verbrechen tragen», die seit dem 15. Februar in Libyen gegen friedliche Demonstranten begangen wurde. «Niemand hat die Befugnis, Zivilisten anzugreifen», sagte der argentinische IStGH-Chefankläger.

«Es wird in Libyen keine Straflosigkeit geben»
Die Ermittler hätten durch den UN-Sicherheitsrat das Mandat erhalten, für Gerechtigkeit zu sorgen. «Es wird in Libyen keine Straflosigkeit geben», betonte Moreno-Ocampo. Zugleich stellte er klar, dass es allein den Richtern des IStGH vorbehalten bleibt, das Beweismaterial zu beurteilen, das die Staatsanwaltschaft nun zusammentragen muss. Die Entscheidung, ob Verfahren eröffnet und Haftbefehle ausgestellt werden, liege allein bei den Richtern. Auf die Frage, wann er glaube Haftbefehle gegen den Gaddafi-Clan beantragen zu können, sagte der Chefankläger: «Wir versuchen, so schnell wie möglich zu sein.» (awp/mc/ss/upd/ps)

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