Neue US-Hilfe für die angegriffene Ukraine – Die Nacht im Überblick

Neue US-Hilfe für die angegriffene Ukraine – Die Nacht im Überblick
Raketenwerfersystem Himars aus US-amerikanischer Produktion.

Kiew / Washington – Munition, Waffen und Ausrüstung für die Ukraine – die USA schnüren für das von Russland angegriffene Land das bislang grösste Paket an Militärhilfe für eine Milliarde US-Dollar (rund 980 Millionen Euro). Es soll den kritischen Sicherheitsbedarf bei der Verteidigung der Ukraine decken, wie US-Präsident Joe Biden am Montag (Ortszeit) in Washington sagte. Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj forderte unterdessen ein internationales Reiseverbot für alle Russen. Mit dieser Drohung solle Russland davon abgehalten werden, besetzte ukrainische Gebiete zu annektieren.

Für die Ukraine ist Dienstag der 167. Tag seit Beginn der russischen Invasion. Sorge bereitet dem Land und der internationalen Gemeinschaft die Lage im Kernkraftwerk Saporischschja. Das grösste Akw Europas ist von russischen Truppen besetzt und in den vergangenen Tagen mehrmals mit Raketen beschossen worden. Die Kriegsparteien geben sich gegenseitig die Schuld daran. Selenskyj warf Russland «nuklearen Terrorismus» vor.

Noch gibt es keine Hinweise auf freigesetzte Radioaktivität, wie das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) mitteilte. Ähnlich äusserte sich das Weisse Haus in Washington. Aber die Angst vor möglichen Schäden wächst. UN-Generalsekretär António Guterres warnte: «Jeder Angriff auf ein Atomkraftwerk ist eine selbstmörderische Angelegenheit.» Die Ukraine fordert, dass dringend eine Mission der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEO) das Kraftwerk besuchen solle.

Selenskyj fordert Reiseverbot für Russen
«Die wichtigsten Sanktionen sind es, die Grenzen zu schliessen, denn die Russen nehmen anderen ihr Land weg», sagte Selenskyj der US-Zeitung «Washington Post» am Montag. Die Russen sollten «in ihrer eigenen Welt leben, bis sie ihre Philosophie ändern». Er reagierte damit auf die Ankündigung der Besatzungsbehörden im südukrainischen Gebiet Saporischschja, ein Referendum über den Beitritt zu Russland abzuhalten. Ähnliche Pläne gibt es für das besetzte Gebiet Cherson.

Selenskyjs Äusserungen treffen auf eine wachsende Diskussion in der EU, die Erteilung von Touristenvisa an Russen zu erschweren oder ganz einzustellen. Auch wenn der Reiseverkehr durch gekappte Flug- und Bahnverbindungen erschwert ist, sind doch im Sommer viele Russen trotz Krieges in die EU gereist. Russlands Nachbar Lettland im Baltikum hat bereits die Visa-Bestimmungen verschärft. Finnland erwägt dies, fordert aber eine Lösung für den ganzen Schengen-Raum. Es sei nicht gerecht, dass Russland einen brutalen Krieg führe, aber Russen als Touristen ganz normal Europa besuchen könnten, sagte Ministerpräsidentin Sanna Marin.

Washington hilft der Ukraine mit Milliarden
Das neue US-Rüstungspaket für Kiew umfasst dem Pentagon zufolge unter anderem zusätzliche Munition für die Raketenwerfersysteme des Typs Himars und Nasams und 1000 Panzerabwehrraketen vom Typ Javelin. Hinzu kommen 50 gepanzerte medizinische Behandlungsfahrzeuge sowie medizinisches Material, darunter Erste-Hilfe-Kästen, Verbandsmaterial oder Monitore. Die Ausrüstung soll ausschliesslich aus den Beständen des Verteidigungsministeriums direkt an die Ukraine gegeben werden.

Insgesamt haben die USA der Ukraine seit Antritt der Regierung von US-Präsident Biden vor gut eineinhalb Jahren mit dem neuen Paket nun Waffen und Ausrüstung im Wert von rund 9,8 Milliarden Dollar zugesagt – so die Angaben. Für laufende Ausgaben des ukrainischen Staates stellen die USA darüber hinaus 4,5 Milliarden US-Dollar zu Verfügung, wie die US-Behörde für internationale Entwicklung mitteilte.

Pentagon schätzt russische Verluste auf 80’000 Mann
Im Ukraine-Krieg sind nach Schätzung des US-Verteidigungsministeriums bislang 70’000 bis 80’000 russische Soldaten getötet oder verletzt worden. Das sagte der Pentagon-Spitzenbeamte Colin Kahl. Aktuelle Angaben der offiziellen Stellen in Russland zu Opferzahlen gibt es nicht. Kahl sagte weiter, der russische Präsident Wladimir Putin habe keines seiner Ziele erreicht. «Sein übergeordnetes Ziel war es, das gesamte Land zu überrennen, einen Regimewechsel in Kiew herbeizuführen und die Ukraine als unabhängige, souveräne und demokratische Nation auszulöschen. Nichts von alledem ist geschehen.»

Ukrainische Getreide-Exporte per Schiff laufen an
Mehrere ausländische Schiffe mit Getreide an Bord haben in den vergangenen Tagen ukrainische Schwarzmeerhäfen verlassen können. Der erste Frachter namens «Razoni» wurde allerdings vom Zielhafen Tripoli im Libanon in die Türkei umgeleitet und lag laut dem Informationsdienst Marine Traffic am frühen Dienstagmorgen vor der türkischen Küste vor Anker. Im Libanon habe der Besteller die seit Kriegsausbruch verzögerte Maisfracht nicht annehmen wollen, berichteten ukrainische Medien unter Berufung auf Diplomaten.

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) warnte nach den ersten Transporten vor zu grosser Euphorie. «Die Getreidepreise sind zwar leicht gesunken, aber immer noch auf hohem Niveau», sagte sie der Düsseldorfer «Rheinischen Post» und dem Bonner «General-Anzeiger» (Dienstag). Man könne aber nicht sicher sein, ob Putin nicht «weiter Getreide als Waffe nutzen» werde. Der Krieg hatte die ukrainischen Häfen seit Februar blockiert. Im Juli vermittelten die UN und die Türkei eine Einigung auf sichere Ausfuhren des wichtigen Produzenten. (awp/mc/ps)

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