Portugals Wirtschaft bricht ein

Portugals Wirtschaft bricht ein

Vítor Gaspar, portugiesischer Finanzminister.

Lissabon – EU-Schuldensünder Portugal erwartet im kommenden Jahr einen deutlich stärkeren Wirtschaftseinbruch als bisher vorausgesagt. Der Konjunkturabschwung werde 2012 nach jüngsten Schätzungen 2,8 Prozent betragen, erklärte Finanzminister Vítor Gaspar am späten Montagabend in Lissabon, nachdem er den umstrittenen Haushaltsentwurf für das kommende Jahr ins Nationalparlament eingebracht hatte. Erst vor sechs Wochen hatte Lissabon für 2012 ein Minus von 1,8 Prozent vorausgesagt. Für dieses Jahr rechnet die Regierung mit einem Minus von 1,9 Prozent.

Nach den Worten Gaspars rechnet Lissabon für das kommende Jahr mit einen Rückgang der Investitionen um 9,5 Prozent. Der private Konsum werde um 4,8 (2011: 3,5) Prozent, der öffentliche um 6,2 (2011: 5,2) Prozent schrumpfen. Die Arbeitslosenquote werde 2012 von 12,5 Prozent auf die Rekordzahl von 13,5 Prozent klettern. Um die Streichung von Feiertagen zu erörtern, nahm die Regierung laut Wirtschaftsminister Álvaro Santos Pereira Gespräche mit der Kirche und den Sozialpartnern auf. Die Massnahme soll die Wettbewerbsfähigkeit der portugiesischen Wirtschaft erhöhen.

Gewerkschaften rufen zu Streiks auf
Nach der Verschärfung des Sparkurses in Portugal hatten die beiden grössten Gewerkschaftsdachverbände des ärmsten Landes Westeuropas am Montag zu einer allgemeinen Arbeitsniederlegung aufgerufen. Der Termin des ersten Generalstreiks seit vergangenem November soll am Mittwoch bekanntgegeben werden. Ausserdem beginnt an diesem Donnerstag eine seit längerem geplante «Kampfwoche» der Gewerkschaften. Vergangene Woche hatte Regierungschef Pedro Passos Coelho die neuen drastischen Sparmassnahmen verkündet: Allen Bediensteten und Pensionären des Staates, die mehr als 1.000 Euro beziehen, soll in den nächsten zwei Jahren das 13. und das 14. Monatsgehalt gestrichen werden. Daneben wird ab 2012 die Mehrwertsteuer auf mehrere Güter und Dienstleistungen auf den Normalsatz von 23 Prozent angehoben.

Längere Arbeitszeiten
Ausserdem wird die Tagesarbeitszeit im Privatsektor für mindestens zwei Jahre um eine halbe Stunde verlängert, Feiertage sollen gestrichen und die Ausgaben für Gesundheit und Bildung «wesentlich reduziert» werden. Zu den geplanten Aktionen gehört auch die Streichung der Steuerabschreibungsmöglichkeiten für Besserverdienende. All diese Massnahmen sind Teil des Haushaltsentwurfs für 2012, der am Montagabend ins Parlament eingebracht wurde. Das Parlament soll Ende November über den Etatentwurf abstimmen. Eine Billigung gilt aufgrund der grossen Regierungsmehrheit als sicher.

78-Milliarden-Hilfspaket
Als Gegenleistung für das 78 Milliarden Euro schwere Hilfspaket der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) muss Portugal in diesem Jahr das Haushaltsdefizit von 9,8 Prozent (2010) auf 5,9 Prozent senken. Das Ziel für 2012 beträgt 4,5 Prozent. (awp/mc/ps)

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