Schicksalsstunden in Athen – Syriza lehnt Koalition ab

Schicksalsstunden in Athen – Syriza lehnt Koalition ab

Alexis Tsipras, Vorsitzender der linksradikalen Partei Syriza.

Athen – Das Drama um die Regierungsbildung in Griechenland geht in die Endrunde. Dabei standen die Zeichen am Sonntag weiter auf Sturm. Ein erstes Krisentreffen unter Leitung von Staatspräsident Karolos Papoulias ging nach nur eineinhalb Stunden ohne konkretes Ergebnis zu Ende. Am Abend nahm Papoulias Gespräche mit den Vorsitzenden kleinerer Parteien auf. Neuwahlen müssten spätestens am 17. Juni stattfinden.

Eine Schlüsselrolle hat der Chef der linksradikalen Syriza, Alexis Tsipras, der die Bildung einer breiten Koalition in Griechenland erneut energisch ablehnte. Konservative, Sozialisten und die Demokratische Linke hätten zusammen 168 Abgeordnete im 300 Sitze starken Parlament und könnten auch ohne seine Partei problemlos regieren, sagte Tsipras nach dem Treffen mit Papoulias. Ihre Forderung, sein Bündnis müsse unbedingt an der Regierung teilnehmen, sei absurd und «unlogisch». Das Sparprogramm, zu dem EU und andere internationale Geldgeber Athen gezwungen hätten, sei «barbarisch».

Staatspräsident trifft kleinere Parteien
Syriza war aus der Parlamentswahl vor einer Woche als zweitstärkste Kraft hinter den Konservativen und vor den Sozialisten hervorgegangen. Doch schon vergangene Woche waren alle Sondierungsbemühungen am erbitterten Widerstand von Tsipras gescheitert. Auch im Umfeld der konservativen Nea Dimokratia war nach dem Treffen im Amtssitz des Staatspräsidenten von einer Sackgasse die Rede. Er habe noch «eine kleine Hoffnung», sagte Sozialistenchef Evangelos Venizelos.

Am Abend traf Staatspräsident Papoulias mit dem Chef der kleineren Rechtspartei Unabhängige Griechen (AE), Panos Kammenos, zusammen. Anschliessend wollte er mit Vertretern der Kommunistischen Partei, der Demokratischen Linken und den Faschisten reden. Seine Chancen, doch noch ein tragfähiges Bündnis zu schmieden, wurden aber als gering eingeschätzt.

78 Prozent der Griechen wollen im Euroland bleiben
72 Prozent der Griechen fordern in einer repräsentativen Umfrage, dass die Parteien alles unternehmen sollten, damit eine stabile Regierung gebildet werden kann. Noch mehr, nämlich 78 Prozent, sprechen sich für einen Verbleib im Euroland aus. Die Umfrage wurde am Sonntag in der Athener Zeitung «To Vima» veröffentlicht.

Auch in Spanien, Grossbritannien und Deutschland protestierten am Wochenende zahlreiche Menschen gegen die Spar- und Finanzpolitik und die Macht der Banken. Allein in Madrid, Barcelona und anderen spanischen Städten erinnerten Zehntausende am Samstag an die Entstehung der Protestbewegung der «Empörten» vor einem Jahr. Die Polizei vertrieb am Sonntag mehrere Hundert Demonstranten vom zentralen Platz Puerta del Sol in Madrid. Nach Polizeiangaben gab es 18 Festnahmen.

Ausschreitungen in London
Nach Ausschreitungen bei einem Protestmarsch der kapitalismuskritischen «Occupy»-Bewegung in London nahm die Polizei elf Menschen fest. In Berlin protestierten mehr als 1.000 Menschen mit einem Sternmarsch zum Alexanderplatz gegen soziale Ungleichheit.

Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker will Griechenland mehr Zeit zum Sparen geben. Er sagte in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa, die europäischen Partner müssten ihren Zeitplan auf den Prüfstand stellen und die Verträge mit Griechenland im Zweifel nachbessern. Sollte sich die Regierungsbildung weiter verzögern oder sollte es Neuwahlen geben, brauche Griechenland mehr Zeit.

Schäuble schliesst weitere Hilfen für Griechenland ausdrücklich nicht aus
Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schliesst weitere Hilfen für Griechenland ausdrücklich nicht aus. «Wenn die Griechen eine Idee haben, was wir zusätzlich tun können, um das Wachstum zu fördern, kann man immer darüber sprechen und nachdenken», sagte Schäuble der «Welt am Sonntag».

Bundesaussenminister Guido Westerwelle (FDP) macht weitere Finanzhilfen für Griechenland vom Einhalten des Spar- und Reformkurses abhängig. «Wenn eine neue Regierung die Vereinbarungen einseitig aufkündigt, dann wird es auch keine weiteren europäischen Hilfsgelder geben können», sagte er der «Welt» (Samstag). «Wir möchten, dass Griechenland es schafft. Deshalb helfen wir. Aber die Griechen müssen im Gegenzug ihre Reformzusagen einhalten.»

Euro-Finanzminister beraten am Montag über Griechenland und Spanien
Vor dem Hintergrund der neu aufgeflammten Schuldenkrise beraten die Euro-Finanzminister an diesem Montag über Griechenland und Spanien. Die Euro-Partner pochen darauf, dass nach den Wahlen in Griechenland eine Koalitionsregierung formiert wird, die zu dem vereinbarten Spar- und Reformprogramm steht.

Eine grosse Mehrheit der Deutschen (78 Prozent) ist laut einer Umfrage für einen Stopp der Hilfszahlungen an Griechenland – bis zu verlässlichen Zusagen der nächsten Regierung in Athen. Lediglich 18 Prozent der Bürger wollen den Griechen demnach auch dann finanzielle Hilfe zukommen lassen, wenn konkrete Sparzusagen ausbleiben, ergab eine repräsentative Emnid-Umfrage im Auftrag der «Bild am Sonntag». (awp/mc/ps)

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