Sorge um AKW Saporischschja: Experten in die Ukraine

Sorge um AKW Saporischschja: Experten in die Ukraine
Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj. (Bild: president.gov.ua)

Kiew / Moskau – Nach einem Notfall im russisch besetzten Atomkraftwerk Saporischschja fordert die Ukraine dringend Aufklärung durch die Internationale Atomenergiebehörde IAEA. Dies verlangte am Freitag auch die deutsche Regierung und nannte die Lage am grössten Kernkraftwerk Europas sehr gefährlich. Nach russischer Darstellung könnte eine IAEA-Mission nächste Woche beginnen. Ob diese Ankündigung belastbar ist, blieb unklar.

Berlin verurteilte zudem den russischen Angriff auf einen ukrainischen Personenzug am Mittwoch in der Ortschaft Tschaplyne und appellierte an Moskau, Attacken gegen zivile Ziele zu stoppen. «Wir sind schockiert angesichts der Vielzahl an zivilen Opfern, unter ihnen mehrere Kinder», sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin. «Dutzende weitere Menschen wurden verletzt, zum Teil schwer.» Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden.

Russland hatte den Raketenangriff bestätigt und erklärt, dabei seien 200 ukrainische Soldaten getötet worden. Die Ukraine sprach von 25 Toten, unter ihnen zwei Kinder. Der Angriff kam am Mittwoch am 31. Jahrestag der ukrainischen Unabhängigkeit von der Sowjetunion – genau ein halbes Jahr nach dem russischen Einmarsch vom 24. Februar.

Ukraine kontrolliert noch grosse Teile des Donbass
In den Kriegsgebieten im Osten und Süden der Ukraine scheint sich militärisch wenig zu bewegen. Der ukrainische Militärgouverneur Pawlo Kyrylenko sagte beim TV-Sender Nastojaschtscheje Wremja, die Ukraine habe 45 Prozent des umkämpften Donezker Gebiets unter Kontrolle. Dort hielten sich noch 350 000 Menschen auf. Vor dem russischen Einmarsch kontrollierte die Ukraine demnach etwa zwei Drittel des Gebiets mit rund 1,67 Millionen Einwohnern. Russland hat das ostukrainische Gebiet Luhansk komplett erobert. Dazu stehen weite Teile der Gebiete Charkiw, Donezk, Saporischschja und Cherson in der Ost- und Südukraine unter russischer Kontrolle.

Lage am Kraftwerk Saporischschja verworren
Sorge bereitet vor allem die Lage am Atomkraftwerk Saporischschja. Russische Truppen halten es seit März besetzt. Es gibt immer wieder Beschuss, für den sich beide Kriegsparteien gegenseitig verantwortlich machen. Am Donnerstag kam es zu einem Notfall, der in umliegenden Regionen zu Stromausfällen führte.

Nach Kiewer Darstellung wurde das AKW nach russischem Beschuss zeitweise komplett vom regulären ukrainischen Stromnetz abgeklemmt und nur noch über eine Notleitung mit Elektrizität versorgt. Zwei Reaktorblöcke seien notabgeschaltet worden. Die russische Besatzungsverwaltung bestätigte die zeitweilige Abschaltung beider Reaktoren, machte aber die ukrainische Armee für die Angriffe verantwortlich. Am Freitag war einer der beiden notabgeschalteten Blöcke nach Angaben beider Seiten wieder am Netz.

IAEA-Mission in den nächsten Tagen?
Vertreter der Atomenergiebehörde IAEA und der Vereinten Nationen sollten bei einem Besuch in Saporischschja nukleare Sicherheitsstandards untersuchen, schrieb der ukrainische Energieminister Herman Haluschtschenko auf Facebook. Er forderte den kompletten Rückzug der russischen Truppen vom AKW-Gelände. Ähnlich hatte sich zuvor der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenkskyj geäussert.

IAEA-Direktor Rafael Grossi bekräftigte seine Bereitschaft, in den kommenden Tagen mit Experten nach Saporischschja zu fahren. Bislang ist eine solche Mission im Streit über Reisemodalitäten nicht zustande gekommen. Nun erklärte der russische Vertreter bei der IAEA, Michail Uljanow: «Es laufen aktive Vorbereitungen für einen Besuch.» Ein russischer Diplomat bei den Vereinten Nationen nannte als möglichen Termin Ende August oder Anfang September. (awp/mc/pg)

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