Steinbrück ergreift Flucht nach vorn

Steinbrück ergreift Flucht nach vorn

Kanzlerkandidat Peer Steinbrück.

Augsburg – Mit einer kämpferischen Parteitagsrede hat SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück seine Partei trotz anhaltend schlechter Umfragewerte hinter sich versammelt. «Ich will Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden», rief er am Sonntag den 600 Delegierten in Augsburg zu und wurde dafür mit stehenden Ovationen gefeiert. Fünf Monate vor der Bundestagswahl Der 66-jährige Ex-Finanzminister schwor die Partei auf eine harte Auseinandersetzung mit Schwarz-Gelb bis zur letzten Minute ein. «Auf in den Kampf. Noch 161 Tage bis zum Wahltag», sagte er. Einstimmig verabschiedete die SPD ihr Wahlprogramm, in dem Forderungen des linken Flügels stark berücksichtigt wurden.

Steinbrück war vor vier Monaten zum Kanzlerkandidaten gekürt worden, hat es aber seitdem nicht vermocht, die SPD aus dem Umfragetief zu führen. Sie liegt bei 23 bis 27 Prozent. In der Partei geht man davon aus, dass 30 bis 33 Prozent nötig sind, um einen Regierungswechsel zusammen mit den Grünen herbeizuführen. Steinbrück reagierte gelassen auf die schlechten Werte und verwies auf die jüngsten Wahlergebnisse auf Landes- und Kommunalebene. «Und da sind die Umfragekönige von Schwarz-Gelb im Abwind. Und wir sind im Aufwind.» Union und FDP hätten bei den letzten zwölf Landtagswahlen keine eigene Mehrheit mehr bekommen. Der Bundestag wird am 22. September gewählt.

Generalabrechnung mit Schwarz-Gelb
Die 80-minütigen Rede Steinbrücks war eine Generalabrechnung mit Schwarz-Gelb. «Die Bundesregierung hat nichts mehr im Regal, aber sehr viele schöne Schachteln im Schaufenster», sagte er. «Abwahl lautet die Parole bei dieser Bilanz.» Als Leitmotiv für den Wahlkampf gab der Kanzlerkandidat die Stärkung des Gemeinwohls aus. Für den Fall eines Wahlsiegs versprach er eine Politik mit Leidenschaft, Verantwortungsbewusstsein und Augenmass. Er wolle einen Weg einschlagen, der «weg von der Ellenbogengesellschaft, hin zu einer dynamischen Wir-Gesellschaft» führe.

Die SPD zieht mit einem Programm in den Wahlkampf, das den Titel «Deutschland besser und gerechter regieren: Für ein neues soziales Gleichgewicht in unserem Land» trägt. Es sieht neben einem Spitzensteuersatz von 49 Prozent, einen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde sowie eine Solidarrente von 850 Euro monatlich vor. Zudem will die SPD eine Mietenbremse und ein Milliardenprogramm für Bildung. In dem Wahlprogramm wurden erstmals auch die Bürger beteiligt. 40.000 Vorschläge gingen ein, elf wurden berücksichtigt, darunter ein Verbot der Wasser-Privatisierung.

Umstrittenes Steuerkonzept
Angriffe aus der Union auf das SPD-Wahlprogramm wies Steinbrück zurück. Er verteidigte das umstrittene Steuerkonzept. «Der gut verdienende Facharbeiter wird entgegen mancher Propaganda von unserer Steuerpolitik nicht betroffen. Auch Oma ihr klein Häuschen ist nicht betroffen», betonte er. Die Union im Bundestag kritisierte das Programm als nicht zukunftsfähig. Steinbrück habe kein Konzept vorgelegt, das Deutschland voranbringen könnte, erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Michael Grosse-Brömer. «Es werden Versprechungen gemacht, die nur die Linken in der SPD zufriedenstellen sollen.» Die Steuererhöhungen träfen vor allem den Mittelstand. «Das Ganze ist kein Konzept für die Zukunft des Landes, sondern für einen innerparteilichen Burgfrieden.»

Die Delegierten in Augsburg feierten Steinbrück mit acht Minuten Applaus. Parteichef Sigmar Gabriel lies keinen Zweifel daran, dass die Partei im Wahlkampf zu ihrem Kandidaten stehen werde. «Die SPD steht geschlossen hinter Dir. Du bist einer von uns, Du kannst dich auf uns verlassen», sagte er. Der Parteitag fand wenige Wochen vor dem 150. Gründungsjubiläum der SPD statt, das am 23. Mai in Leipzig gross gefeiert werden soll. Zu den Gästen in Augsburg zählte Grünen-Chefin Claudia Roth, die für eine rot-grüne Koalition warb. «Wir wollen mit Euch zusammen den Politikwechsel schaffen. Und das ist sehr viel mehr als ein Regierungswechsel», sagte sie. «Dieses Land tickt doch Rot-Grün.»

Westerwelles Provokation
Ärger gab es in Augsburg über eine Äusserung von Aussenminister Guido Westerwelle. Der FDP-Politiker hatte den SPD-Wahlkampfslogan «Das Wir entscheidet» mit DDR-Propaganda verglichen. Westerwelle habe die Maske des Aussenministers abgelegt und zeige wieder das alte Gesicht des FDP-Generalsekretärs, sagte Gabriel dazu. «Und das kann er von mir aus nach der Bundestagswahl auch wieder werden.» Der Slogan war auch kritisiert worden, weil er bereits seit 2007 von einer Zeitarbeitsfirma verwendet wird. (awp/mc/ps)

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