«Strategischer Meilenstein» – 25 Jahre Nato-Osterweiterung

«Strategischer Meilenstein» – 25 Jahre Nato-Osterweiterung
Nato-Flagge.

Prag / Budapest – Gerade waren sie noch Mitglieder im östlichen Warschauer Pakt, da traten sie schon der westlichen Nato bei: Vor genau 25 Jahren, am 12. März 1999, wurden Tschechien, Polen und Ungarn Mitglieder des transatlantischen Verteidigungsbündnisses. Das sei ein «strategischer Meilenstein» gewesen, sagt rückblickend der tschechische Brigadegeneral a. D. Frantisek Micanek – genauso wie der EU-Beitritt fünf Jahre später.

Angesichts des nahen Ukraine-Kriegs dürfte den Menschen und Politikern in Prag, Warschau und Budapest dennoch kaum zum Feiern zumute sein. Der damalige tschechische Aussenminister Jan Kavan hatte 1999 bei der Übergabe der Ratifizierungsurkunde in den USA versprochen: «Wir sind entschlossen, der Nato nicht zur Last zu fallen, sondern im Gegenteil: Wir sind bereit, unseren Teil der Verantwortung (…) zu übernehmen und allen Pflichten nachzukommen, die sich aus der Mitgliedschaft ergeben.»

An die Führungsrolle der USA gewöhnt
Man war froh, endlich zum Westen dazuzugehören. Doch das wachsende Sicherheitsgefühl ging in den folgenden Jahren teils mit einem Rückgang der militärischen Fähigkeiten einher. Das sei indes in ganz Europa zu beobachten gewesen, sagt der Verteidigungsexperte Micanek: «Europa hat sich nach der Gründung der Nato 1949 an die Führungsrolle der USA gewöhnt und ist einem vorübergehenden Gefühl der Sicherheit verfallen – ein Mythos, der nun zu einem unangenehmen und schmerzhaften Erwachen geführt hat.»

Tschechien und Ungarn zogen im Jahr 2004 die letzten Wehrpflichtigen ein, Polen folgte vier Jahre später. In der Folgezeit seien zahlreiche neue Fragen aufgetaucht, erinnert sich der Verteidigungsexperte Micanek: «Wie stärken wir das Vertrauen der Öffentlichkeit in die neue Berufsarmee? Was für einen Verteidigungsetat können wir uns leisten? Wollen wir ausländische Militärstützpunkte auf unserem Gebiet?» Vieles davon bewegt die Menschen noch heute.

Umstellung der Militärtechnik ein bis heute bestehendes Problem
Vor der Nato-Osterweiterung hatte es Vorbehalte gegeben, ob die Integration der ehemaligen Ostblock-Streitkräfte in die westlichen demokratischen Strukturen gelingen könne. Diese Sorge hat sich nach Ansicht Micaneks nicht bestätigt: «Soldaten waren und sind flexibel.» Wer zu stark mit der kommunistischen Partei verknüpft gewesen sei, habe die Armee verlassen. Ein bis heute bestehendes Problem sei indes die Umstellung der Militärtechnik von den früheren sowjetischen auf westliche Standards.

Die Abgabe alter Technik an Kiew führt nun zu einem Modernisierungsschub. In einem Ringtausch erhielt Tschechien zum Beispiel von Deutschland Leopard-2A4-Panzer als Ersatz für an die Ukraine gelieferte T-72-Panzer. Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs haben Polen und Tschechien ihre Rüstungsausgaben massiv erhöht. Dass eine neue Ära einer expansiven und aggressiven russischen Politik begonnen habe, sei bereits seit der Krim-Annexion 2014 klar gewesen, merkt Micanek indes kritisch an.

Clintons Hoffnungen
Zum Jahrestag der ersten Nato-Osterweiterung wird der damals federführende US-Präsident Bill Clinton in Prag als Redner auf einer Konferenz erwartet. Dem tschechischen Rundfunk sagte er einmal rückblickend, er habe es für sehr wichtig gehalten, Tschechien, Ungarn und Polen mit offenen Armen zu begrüssen. Damals, als noch Boris Jelzin russischer Präsident war, habe er sogar geglaubt, dass «wir eines Tages ein gemeinsames Bündnis haben könnten, das Russland einschliesst».

Orbans fragwürdige Rolle
Doch es ist ganz anders gekommen. Die Frage, wie man sich zu Russland verhalten soll, sorgt heute für Streit zwischen den Verbündeten. Grund dafür ist vor allem die Haltung Ungarns, dessen rechtspopulistischer Ministerpräsident Viktor Orban gute Beziehungen zum Kreml pflegt. Er plädiert für eine «illiberale Demokratie», bewundert Wladimir Putins autoritären Regierungsstil und übernimmt Teile davon, wie etwa das Schikanieren ausländisch finanzierter Organisationen.

Dabei hatte Ungarn in der Vergangenheit selbst eine Leidensgeschichte mit dem Sowjetimperium: 1956 rollten sowjetische Panzer ein, um den Volksaufstand gegen den Stalinismus niederzuschlagen. Zwar hat Orban Sanktionen gegen Russland zugestimmt, weigert sich aber, Waffentransporte für die Ukraine durch sein Land zu lassen. Zuletzt hat er das Thema Nato benutzt, um den ihm verhassten liberalen Westen unter Druck zu setzen: Unter seiner Regie verzögerte Ungarn die Ratifizierung von Schwedens Nato-Beitritt um viele Monate.

Als Grund nannte Orbans Partei Fidesz, dass man «beleidigt» sei wegen Kritik aus Schweden am Rechtsstaat in Ungarn. Dadurch sei «Vertrauen» verloren gegangen, ohne das man nicht gemeinsam in einem militärischen Bündnis sein könne. Dieser Streit ist inzwischen beigelegt, doch der nächste steht schon vor der Tür: Jüngst hat Ungarns Aussenminister Peter Szijjarto angekündigt, den von den USA, Deutschland und Grossbritannien favorisierten Kandidaten Mark Rutte für den Posten des Nato-Generalsekretärs per Veto verhindern zu wollen. (awp/mc/pg)

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