«Syriens Kulturschätze in Gefahr»

«Syriens Kulturschätze in Gefahr»

Codex Hammurapi – die ältesten Gesetze. (Foto: Uni Münster)

Münster – Wissenschaftler warnen vor der Zerstörung und Plünderung jahrtausendealter Kulturgüter als Folge des Bürgerkriegs in Syrien. «Durch die Gefechte sterben unzählige Menschen, und auch ihre 5000 Jahre alte Kultur geht verloren, zu der die ältesten Texte der Menschheit gehören», sagt Altorientalist Prof. Dr. Hans Neumann vom Komitee des 32. Deutschen Orientalistentags (DOT), zu dem im September gut 1000 Orientforscher aus aller Welt an der Uni Münster erwartet werden.

Die Fachrichtung der Altorientalistik rechne in Syrien mit unwiederbringlichen Verlusten. «Auch viele Syrer leiden unter den Zerstörungen und Raubgrabungen. Sie sind stolz auf historische Welterbe-Stätten wie Aleppo, Damaskus und Palmyra und gründen ihre Identität auch auf der altorientalischen Geschichte.»

Bedrohtes Welterbe
Die UNESCO hatte syrische Stätten jüngst auf die Liste des bedrohten Welterbes gesetzt. Verlässliche Informationen über den Zustand der Orte gebe es derzeit nicht. «Wir haben es in Syrien wie in Irak und Afghanistan sicher mit massiven Kriegsschäden an historischen Bauten, archäologischen Ausgrabungsstätten und in Museen zu tun», so Neumann, «auch wenn über das konkrete Ausmass kriegsbedingt noch wenig bekannt ist.»

Schmuggler bringen historische Zeugnisse wie Keilschrifttexte, Siegel, Metallgegenstände oder Keramiken, die aus alten Palästen, Tempeln oder Privathäusern stammen, ausser Landes und verkaufen sie auf dem Schwarzmarkt, wie der Experte für sumerische und akkadische Keilschrifttexte mit Blick auf die Erfahrungen seit dem Irak-Krieg erläutert. «Selbst wenn die Stücke beschlagnahmt werden, fehlt uns Forschern der Grabungszusammenhang: In welcher Siedlung, in welchem Haus und in welchem Raum wurden die Stücke gefunden? So lässt sich der komplexe historische und gesellschaftliche Zusammenhang, in dem die Funde standen, nicht mehr rekonstruieren.»

Das Rad erfunden
Um die Tragweite der Verluste einschätzen zu können, sei zu bedenken, dass die Hochkultur des Alten Orients schon im 4. Jahrtausend vor Christus mit den ältesten Texten der Menschheit, geschrieben in Keilschrift, in Mesopotamien im heutigen Irak begonnen habe, so der Experte. Während es in Europa zu dieser Zeit keine entsprechenden Kulturzeugnisse gegeben habe, seien in den altorientalischen Kulturen der Sumerer, Babylonier und Assyrer bereits die ersten Staaten entstanden.

«Errungenschaften wie die Schrift, das Rad, die Bronzeherstellung, die Grossarchitektur, aber auch die ältesten Gesetze – darunter der Codex Hammurapi – sind dem Alten Orient zu verdanken.» Umso dramatischer sei der Verlust archäologischer Hinterlassenschaften und Textüberlieferungen durch Kriege in Syrien, Irak und Afghanistan. (Universität Münster/mc/pg)

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