Türkei: Regierungspartei AKP erobert absolute Mehrheit zurück

Türkei: Regierungspartei AKP erobert absolute Mehrheit zurück
Recep Tayyip Erdogan, türkischer Staatspräsident.

Recep Tayyip Erdogan, türkischer Präsident.

Istanbul – Bei der Parlamentswahl in der Türkei hat die islamisch-konservative Regierungspartei AKP die absolute Mehrheit zurückerobert. Das meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Sonntagabend nach Auszählung von mehr als 95 Prozent der Stimmen.

Vor dem Hauptquartier der türkischen Regierungspartei AKP in Ankara versammelten sich jubelnde und Fahnen schwenkende Anhänger. Sie feierten einen historischen Erfolg und ihren «grossen Meister», Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Seine Partei AKP erhielt fast 50 Prozent der Stimmen. Damit dürfte die AKP auf 316 der 550 Sitze im Parlament kommen, deutlich mehr als die für die absolute Mehrheit benötigten 276 Mandate. Damit verfügt Erdogan im neuen Parlament über genügend Stimmen, um seine Befugnisse als Präsident per Verfassungsreform auszuweiten.

Auf den zweiten Rang kommt die Mitte-Links-Partei CHP mit rund 25 Prozent der Stimmen, gefolgt von der ultrarechten MHP mit rund 12 und der HDP mit knapp über 10 Prozent. Die Kurdenpartei schnitt demnach schlechter ab als bei der Wahl im Juni, zieht aber wieder ins Parlament ein.

In der Türkei waren gut 54 Millionen Staatsbürger zur Wahl aufgerufen. Die 2,9 Millionen wahlberechtigten Türken mit Wohnsitz im Ausland konnten bereits zuvor ihre Stimme in Botschaften und Konsulaten abgeben. 40 Prozent machten davon Gebrauch.

Weg zum Präsidialsystem offen
Präsident Erdogan hatte die Neuwahl angesetzt, weil nach der Wahl im Juni keine Koalition zustande gekommen war. Damals war Erdogans AKP zwar die mit Abstand stärkste Kraft geblieben, hatte aber erstmals seit 13 Jahren ihre absolute Mehrheit eingebüsst.

Damit scheiterte auch Erdogans Plan, per Verfassungsreform ein Präsidialsystem einzuführen. Die prokurdische Partei HDP schaffte es damals zum ersten Mal ins Parlament und nahm der AKP entscheidende Sitze ab.

Nach der Wahl war der Konflikt der Regierung mit den kurdischen Rebellen blutig eskaliert. Der Bürgerkrieg in Syrien erreichte die Türkei nicht nur durch hunderttausende Flüchtlinge, die in dem Nachbarland Zuflucht gesucht haben. Auch die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) verübte mehrere Anschläge.

Tiefe Spaltung dürfte weitergehen
Vor allem der Anschlag auf eine Friedensdemonstration in Ankara am 10. Oktober mit 102 Toten erschütterte das Land tief. Viele Beobachter befürchten, dass die neuerliche Parlamentswahl die tiefe politische Spaltung des Landes nicht beenden wird.

Wegen der Spannungen und aus Angst vor neuen Anschlägen wurde der Urnengang von fast 400’000 Sicherheitskräften abgesichert. Am Wahltag wurden zunächst keine schweren Anschläge oder Gefechte gemeldet. Nur gerade in Diyarbakir im türkischen Kurdengebiet lieferten sich Demonstranten und Polizei nach Bekanntwerden der Hochrechnungen gewaltsame Auseinandersetzungen vor der Zentrale der HDP.

Erdogan, der die Wähler erneut zu einem Votum für eine Ein-Parteien-Regierung aufgerufen hatte, verteidigte am Sonntag nochmals seine Neuwahl-Entscheidung. Nach dem Patt im Juni sei dies eine «Notwendigkeit» gewesen», sagte Erdogan, als er in einem Wahllokal in Istanbul seine Stimme abgab.

Die Türkei habe auf dem Weg zur Demokratie schon «grosse Schritte» zurückgelegt, «und das wird durch die heutige Wahl nochmals bestätigt». Auch Regierungschef Ahmet Davutoglu forderte die rund 54 Millionen Stimmberechtigten auf, den Wahltag zu einem «Fest der Demokratie» zu machen.

Bedeutung für Europa
Das Wahlergebnis in der Türkei hat auch Bedeutung für die EU und für Deutschland. Die Türkei ist das wichtigste Transitland für Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa.

Die EU drängt die Regierung in Ankara, ein Abkommen zur Rücknahme von Flüchtlingen möglichst bald in Kraft treten zu lassen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat der Türkei dafür bei einem Besuch vor zwei Wochen Finanzhilfen, Visa-Erleichterungen für türkische Bürger und Unterstützung bei den EU-Beitrittsverhandlungen in Aussicht gestellt. (awp/mc/ps)

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