Ukraine-Krise: EU und USA erhöhen Druck auf Moskau

Ukraine-Krise: EU und USA erhöhen Druck auf Moskau
Russlands Staatspräsident Wladimir Putin. (Foto: The Presidential Press and Information Office)

Russlands Präsident Wladimir Putin. (Foto: the Presidential Press and Information Office)

Washington / Brüssel / Slawjansk – Mit neuen Sanktionen will der Westen Russland dazu bringen, mässigenden Einfluss auf die moskautreuen Separatisten in der Ostukraine zu nehmen. EU und USA verhängten am Montag zusätzliche Strafmassnahmen. Moskau bezeichnete die US-Sanktionen gegen russische Politiker, Topmanager und Unternehmen als «abscheulich». Internationale Appelle zur Freilassung der in der Unruheregion festgehaltenen Militärbeobachter verpufften. Die Lage dort spitzte sich weiter zu. Bei einem Attentat wurde der Bürgermeister von Charkow lebensgefährlich verletzt.

Der Westen wirft Russland vor, nicht wie im Genfer Friedensfahrplan vereinbart auf die prorussischen Kräfte einzuwirken. Zudem wird davon ausgegangen, dass Moskau im Hintergrund die Fäden der Unruhen zieht.

Die USA verhängten weitere Sanktionen gegen sieben russische Regierungsmitglieder sowie 17 Unternehmen. Darunter seien zwei Mitglieder des engeren Führungskreises von Präsident Wladimir Putin Banken sowie Firmen aus der Energiebranche, teilte das Weisse Haus in Washington mit. Gegen die Einzelpersonen würden Einreiseverbote und Kontensperrungen verhängt. Präsident Barack Obama sagte bei einem Besuch auf den Philippinen, die neuen Sanktionen sollten Putin dazu bewegen, «nicht nur darüber zu sprechen, die Krise in der Ukraine diplomatisch zu lösen, sondern das auch zu tun».

Moskau: «Realitätsverlust» der USA
Russlands Vizeaussenminister Sergej Rjabkow sprach der Agentur Interfax zufolge von einem «Realitätsverlust» der USA. Der Sanktionstext verkenne vollständig die Vorgänge in der Ukraine. Rjabkow kündigte Gegenmassnahmen an.

Die EU-Staaten einigten sich in Brüssel darauf, gegen weitere 15 Personen Einreiseverbote und Kontensperrungen zu erlassen. Bisher hat die EU gegen 33 Ukrainer und Russen, die die Annexion der Krim unterstützt haben, Sanktionen verhängt.

Charkow: Attentat auf Bürgermeister
Die Lage in der Ostukraine schaukelte sich derweil weiter hoch. Wie eine Behördensprecherin mitteilte, wurde dem prorussischen Bürgermeister von Charkow, Gennadi Kernes, in den Rücken geschossen. Sein Zustand galt nach einer Notoperation als stabil. Die Polizei sprach von einem unbekannten Scharfschützen, der den Kommunalpolitiker auf einem Fahrrad traf. Kernes war früher ein Gegner der Westorientierung des Landes, hatte sich zuletzt aber von den radikalen prorussischen Separatisten distanziert.

Mutmasslich moskautreue Aktivisten stürmten Berichten zufolge eine Polizeistation in Konstantinowka. Auf dem Militärflugplatz Kramatorsk beschossen Unbekannte die Regierungseinheiten. Zwei Sicherheitskräfte wurden verletzt.

Prorussische Protestführer fordern in der Region seit Wochen eine Volksabstimmung, eine weitreichende Föderalisierung oder sogar eine Loslösung von der Ukraine – wie zuletzt bei der Halbinsel Krim. Dabei machen sie auch vor der Verschleppung von Ausländern nicht Halt.

OSZE fordert umgehende Freilassung ihrer Beobachter
Wie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verlangte auch die Bundesregierung erneut die sofortige Freilassung des festgehaltenen Teams von Militärbeobachtern. Die Männer würden «gegen jedes Recht und ohne jeden Grund gefangen gehalten», sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Den selbst ernannten Bürgermeister von Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow, forderte er auf, das gesamte Team «unverzüglich, bedingungslos und unversehrt» freizulassen.

Ponomarjow sperrt sich bislang dagegen. Im russischen Staatsfernsehen machte er «weitere Gespräche» zur Voraussetzung für ein Ende der Gefangenschaft. Aussenminister Frank-Walter Steinmeier verlangte in einem Telefonat mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow mehr Engagement von Russland, um die Gefangenen freizubekommen. Der Schweizer Bundespräsident und OSZE-Vorsitzende Didier Burkhalter zeigte sich zuversichtlich, dass Moskau seinen Einfluss geltend machen wird. Entsprechende Signale habe er erhalten.

Die bewaffneten Aktivisten werfen den seit Freitag gefangen gehaltenen Männern «Spionage für die Nato» vor und erwägen einen Austausch mit inhaftierten Gesinnungsgenossen. Die prowestliche Regierung in Kiew lehnt dies ab. Das Berliner Aussenministerium wies die Spionage-Vorwürfe als abwegig zurück.

Die vier Deutschen aus dem festgehaltenen OSZE-Team gehören dem Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr (ZVBw) aus Geilenkirchen in Nordrhein-Westfalen an. Das OSZE-Krisenpräventionszentrum hatte erklärt, die Gefangenen seien keine Mitglieder der diplomatischen OSZE-Beobachtermission. Es handele sich vielmehr um eine Mission unter Leitung der Bundeswehr. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) reiste nach Geilenkirchen, um sich über die Lage zu informieren.

Unmut in der Ukraine über zögerliche Sanktionspolitik
Der ukrainische Präsidentschaftskandidat Pedro Poroschenko äusserte Unverständnis über die zögerliche Sanktionspolitik gegenüber Russland. Der Bundesregierung warf er in einem Interview der «Bild»-Zeitung (Montag) eine zu starke Rücksichtnahme auf möglicherweise steigende Energiepreise vor. Die Ölpreise waren zu Wochenbeginn gestiegen. Händler nannten die möglichen zusätzlichen Russland-Sanktionen als Grund.

Trotz Kritik brach Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) derweil zu einer zweitägigen Russland-Reise auf. In St. Petersburg wollte er unter anderem am Montagabend an einem Empfang der Firma Nord Stream für Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) teilnehmen. Er halte es für wichtig, gerade in schwierigen Zeiten den Gesprächsfaden nicht abreissen zu lassen, sagte Sellering. (awp/mc/upd/ps)

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