VW steckt Chipkrise weiter gut weg – Risiken durch Ukraine-Krieg

VW steckt Chipkrise weiter gut weg – Risiken durch Ukraine-Krieg
Produktion des Audi Q4 e-Tron im Werk Zwickau. (Volkswagen AG)

Wolfsburg – Auch der Volkswagen-Konzern hat 2021 ungeachtet der zähen Versorgungskrise mit Mikrochips einen deutlich höheren Gewinn eingefahren. Wie BMW, Mercedes-Benz oder der Opel-Mutter Stellantis gelang es den Wolfsburgern, ihre Finanzkennzahlen zu verbessern. Für das laufende Jahr zeigt sich Europas grösste Autogruppe bisher recht zuversichtlich. Doch insbesondere der Krieg in der Ukraine mit seinen schwer kalkulierbaren Folgen für die Energie- und Rohstoffpreise sowie die Sicherheit lebenswichtiger Lieferketten sorgt für Unruhe.

Noch ist die Lage für VW – trotz des Stresses im Elektronik-Einkauf – relativ komfortabel. Unter dem Strich verdiente das Unternehmensgeflecht mit Marken wie VW-Pkw, Audi, Porsche, Skoda oder Seat im vorigen Jahr 15,4 Milliarden Euro. Wie der Konzern auf Grundlage vorläufiger Zahlen berichtete, waren das nahezu drei Viertel mehr an Nettoertrag als 2020. Nach den coronabedingten Absatzproblemen des Vorjahres wuchs der Umsatz um 12,3 Prozent auf 250,2 Milliarden Euro.

Operative Marge überzeugt Investoren
Die im Dax notierte Vorzugsaktie legte nach dem Handelsstart am Montag um 7,5 Prozent zu, nachdem sie in den vergangenen Wochen deutlich unter Druck gekommen war mit dem Absturz an den Börsen. Bei der von Investoren stark beachteten operativen Marge konnte VW überzeugen, und auch die Aussichten für das neue Jahr wurden vor dem Hintergrund von Lieferproblemen und Ukraine-Krieg überwiegend positiv gewertet. Vor Zinsen, Steuern und Sondereinflüssen blieben 2021 acht Prozent vom Umsatz als Gewinn übrig – mehr als von Analysten zuvor im Schnitt geschätzt. Für die Autobauer ist die Chipkrise Fluch und Segen zugleich: Auf der einen Seite unterbrechen die fehlenden Halbleiter immer wieder die Produktion – auf der anderen Seite aber sorgt die knappe Versorgung mit Neuwagen für einen deutlichen Preisauftrieb am Markt, was die Profitabilität stützt.

In diesem Jahr nimmt VW bei der operativen Marge die Spanne von 7 bis 8,5 Prozent ins Visier, das hatten Experten in etwa so auch auf dem Zettel. Der Dividendenvorschlag fällt mit 7,56 Euro je Vorzugsaktie überraschend hoch aus. Der Ausblick auf 2022 sei sehr solide, urteilte JPMorgan-Analyst Jose Asumendi. Experte Erwann Dagorne von Barclays sprach von einer sehr ermutigenden Zielsetzung des Managements. Und Tim Rokossa von der Deutschen Bank sieht in der «guten Guidance» bereits einige Belastungen rund um den Ukraine-Krieg enthalten.

Preise könnten weiter anziehen
Viele Kunden müssen derzeit lange auf ihren Wagen warten, Rabatte gibt es in den Autohäusern daher kaum. Die Preise könnten infolge zunehmender Energie- und Rohstoffkosten weiter anziehen, deutete Finanzvorstand Arno Antlitz an. Vieles hänge nun von der Entwicklung und Dauer des Konflikts in Osteuropa ab. Sollte dieser länger anhalten, könnte sich womöglich auch unternehmensintern zusätzlicher Sparbedarf ergeben. An den Investitionen halte VW fest.

Fehlende Teile und in der Folge weniger Auslieferungn
Bei den Auslieferungen schnitt der Konzern schlechter ab. Die Zahl der weltweit übergebenen Fahrzeuge sank um 4,5 Prozent auf knapp 8,9 Millionen. Auch nach den ersten beiden Monaten dieses Jahres wurde ein Rückgang gemeldet, es ging um rund ein Sechstel abwärts. Die Kernmarke verhängte wegen fehlender Teile gerade einen Bestellstopp für Plug-in-Hybride. Besonders schmerzlich für VW: Der wichtigste Markt China lag im Januar und Februar um etwa 17 Prozent im Minus.

Hohe Nachfrage nach E- und Hybridautos
Die Toyota-Gruppe lieferte weltweit 10,5 Millionen Autos aus und übernahm in dieser Betrachtung die Führung. Der VW-Konzernabsatz lag zuletzt noch um 2,4 Millionen unter dem Wert des Vor-Corona-Jahres 2019. Jedoch entwickelte sich die Nachfrage nach E- und Hybridautos gut. Bei reinen Stromern verdoppelten sich die Auslieferungen fast.

Chipmangel ein strukturelles Problem
Engpässe bei Elektronik-Bauteilen belasteten die Industrie schwer. Antlitz gab sich vergleichsweise optimistisch: «Wir sehen, dass sich die Versorgung mit Halbleitern verbessern wird, vor allem im zweiten Halbjahr.» Der Chipmangel bleibe indes ein strukturelles Problem.

Bei VW sind schon jetzt einige Standorte auch deshalb auf dem Trockenen, weil in der Westukraine gefertigte Kabelbäume fehlen. Nach den Werken in Sachsen soll es unter anderem in Wolfsburg abermals Schichtausfälle und Kurzarbeit geben. «Wir bekommen aktuell noch einiges an Versorgung, aber es ist natürlich schwierig», meinte Antlitz zur Lage in der Ukraine. «Es wird in den nächsten Tagen sukzessive zu weiteren Einschränkungen kommen.»

Die Ambitionen für das neue Jahr sind gross – bislang jedenfalls. Die VW-Spitze rechnet im günstigsten Fall mit mehr Ertrag und Umsatz. «Aber all dies ist unter dem Vorbehalt der weiteren Entwicklung», so Antlitz. «Es ist noch unklar, wie sich der Ukraine-Konflikt auf die Gesamtlieferketten und auf die Weltkonjunktur auswirken wird.»

Es sei nicht auszuschliessen, dass die steigenden Energiepreise am Ende zum Teil auf die Verbraucher überwälzt werden. Zwar brächten entsprechende Sicherungsgeschäfte Stabilität. «Aber natürlich wird das mittelfristig unser Geschäft beeinflussen – und natürlich wird man das eine oder andere weitergeben müssen.» Im vorigen Jahr seien die renditestärkeren Oberklassemarken «besser durchgekommen als die Volumenmarken». Die erzielten Preise hätten sich zudem erhöht, weil viele Kunden besser ausgestattete Fahrzeuge kauften.

Keine neuen Sparprogramme
Neue Sparprogramme hatte die Leitung nach einem Streit zwischen Betriebsratschefin Daniela Cavallo und Vorstandschef Herbert Diess Ende 2021 ausgeschlossen. Falls die Kosten weiter gesenkt werden müssen, dann nur im Rahmen bestehender Vereinbarungen. Bis 2023 war ein Rückgang um 5 Prozent geplant. Mit Blick auf die Ukraine sagte Antlitz, grosse Investitionsprojekte hätten Bestand. Aber: «Wenn die Krise anhält, kann es zu einer Situation kommen, wo man auf der normalen Fixkostenseite noch einmal deutlich anpassen muss.»

Keine Produktion in und keine Exporte nach Russland
Die Produktion in Russland will VW wie viele andere Firmen zunächst aussetzen. Gleiches gilt für Autoexporte. Zu möglichen Belastungen durch angedrohte Enteignungen sagte Antlitz: «Die Diskussion ist zu früh, das kann ich noch nicht bewerten.» Allgemein erklärte der Konzern dazu: «Inwiefern unser Geschäft in Russland langfristig betroffen sein wird, ist gegenwärtig nicht abzusehen. Wir werden die aktuellen Entwicklungen aber weiterhin sehr aufmerksam verfolgen.»

Die Gruppe ist in der Russischen Föderation bisher mit den Marken VW-Pkw, VW-Nutzfahrzeuge, Skoda, Audi, Lamborghini, Bentley und Ducati vertreten. 2021 wurden in dem Markt knapp 200 000 Autos abgesetzt, etwa 170 000 Fahrzeuge fertigte der Konzern dort. Nicht äussern wollte sich Antlitz zur Frage etwaiger Gas-Importstopps in Westeuropa. Er stellte zu Kohle und Erdgas aber klar: «Wir sind in der Situation, dass wir beide Energieträger nutzen können.» Sein Kraftwerk am Stammsitz Wolfsburg rüstet VW von Kohle auf Gas um.

Diess warnte, der Krieg könnte noch heftigere Auswirkungen haben als die Corona-Krise. Eine in die Länge gezogene Auseinandersetzung würde Europa wohl «sehr viel schlimmer» treffen als die Verbreitung des Covid-19-Erregers, sagte der Manager jüngst der «Financial Times».

Porsche-IPO auf Kurs
Ein Teil der Porsche AG soll an die Börse gebracht werden, der Konzern peilt dafür einen Zeitraum bis zum vierten Quartal dieses Jahres an. «Wir haben die Vorbereitungen nicht angehalten. Im Gegenteil: Sie laufen wie geplant weiter, wir sind zuversichtlich, dass wir dieses Fenster noch erreichen», sagte Antlitz. (awp/mc/pg)

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