Wie heiss wird der Arabische Sommer?

Wie heiss wird der Arabische Sommer?

Die Flagge der Aufständischen in Libyen und ein «I like Egypt»-T-Shirt werden in Kairo als Souvenirs feilgeboten. Dabei ist die Arabische Intifada noch lange nicht Geschichte.

Von Gérard Al-Fil

Endlich, heisst es auf den Strassen von Rabat und Manama. Die Marokkaner haben der von König Mohammed VI. entworfenen Verfassungsreform nach offiziellen Angaben zu 98% zugestimmt. So darf u. a. der Monarch nicht mehr den Regierungschef selbst auswählen, sondern er wird von der stärksten Partei im frei gewählten Parlament bestimmt. In Bahrain trat die grösste Oppositiongruppe Al-Wefaq in den Dialog mit der Regierung unter König Hamad Al-Chalifa ein.

Viele Fragezeichen
Dennoch: von einer Beruhigung im Mittleren Osten und Nordafrika (MENA) kann keine Rede sein. Der Arabische Frühling mag saisonal beendet sein. Politisch schwelt die Glut weiter, besonders in Syrien, Libyen und im Jemen. In Syrien lassen junger Protestler und Regimegegner nicht locker, obwohl Präsident Baschar Al-Assad in den meisten Städten noch immer starken Rückhalt geniesst. Angeblich haben die USA Assad einen Freibrief ausgestellt, die vor allem in der syrischen Provinz aktiven Aufständischen in Schach zu halten.

Die Opposition in Libyen unter ihrem Anführer Mustafa Abdul Jalil, die Amtsinhaber Gaddafi seit Monaten mit Gewalt entmachten will, hat gerade mit der Türkei einen neuen Verbündeten gewonnen. Weder NATO-Luftangriffe, an denen sich die Golfstaaten Vereinigte Arabische Emirate (VAE) und Katar beteiligen, noch eine Reihe von Wirtschaftssanktionen konnten Gaddafi bislang in die Knie zwingen.

Labile Reformstaaten
Aber selbst bei den Hoffnungsträgern Marokko und Bahrain bleibt das politische Klima labil. Marokko leidet als Ölimporteur unter steigenden Staatsausgaben und fehlenden Urlaubern. Tourismus, Bergbau und Handel sind die Haupteinnahmequellen im nordwestafrianischen Königreich. Im «Kingdom of Bahrain» hat, wie eingangs erwähnt, die Oppositon zwar den Dialog mit der Königsfamilie begonnen. Sie hat aber auch mit neuen Protesten gedroht, sollten nicht echte politische Reformen folgen und die Macht des Monarchen beschnitten werden.

Kairo und kein Ende
Unterdessen droht Ägypten der Elan der Januar-Revolte, die Ex-Präsident Husni Mubarak nach drei Jahrzehnten Regentschaft aus dem Amt jagte, vollends abhanden zu kommen. Der Grund: die Wirtschaftskraft sinkt ins Bodenlose, weil sich Touristen und Investoren rar machen und nach Dubai und Doha ausweichen.

«Die Januar-Revolution, die Mubarak verjagte, war ein Aufbegehren der politisch Frustrierten. Der nächste Aufstand wird ein Aufstand des Hungers,» heisst es in Kairo, wo es noch immer zu Zusammenstössen zwischen arbeitslosen Jugendlichen und der Polizei kommt. Laut Weltbank sind privaten Unternehmen am Nil seit Anfang 2011 16 Mrd. Dollar entgangen.

Angesichts der weiterhin explosiven Lage im MENA ist mit schnellen Urteilen Vorsicht geboten. Ein sicheres Investitionsumfeld bieten in erster Linie die VAE und Katar. In beiden Golfstaaten kam es (bislang) weder zu Protesten noch zu zivilem Ungehorsam.

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