Alexander Bojer, CEO Well Gesundheits AG, im Interview

Alexander Bojer, CEO Well Gesundheits AG, im Interview
Alexander Bojer, ab 1.1.2023 CEO bei inacta (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Bojer, die Digitalisierung im Schweizer Gesundheitswesen ist seit vielen Jahren ein grosses Thema. Das betrifft zwar ganz viele Bereiche, aber generell gefragt: Wie digital ist das Schweizer Gesundheitswesen aufgestellt?

Alexander Bojer: Das Schweizer Gesundheitswesen ist weltweit eines der Besten. Die zeitnahe Digitalisierung haben wir aber verpasst. So richtig bewusst ist es uns allen während der COVID-Pandemie geworden – denken wir nur mal an die Faxgeräte. Nun gibt es einige Vorstösse, das Schweizer Gesundheitswesen in das digitale Zeitalter zu transformieren, was ein Schritt in die richtige Richtung ist. Mit Well arbeiten wir aktiv und zeitnah am Thema. Unsere Nutzerinnen und Nutzer können im monatlichen Release-Rhythmus die Neuerungen testen.

Inwieweit sind Leistungserbringer interessiert daran, die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzutreiben?

Wir erfahren grosses Interesse an Well und viel Offenheit zusammenzuspannen und gemeinsam zu gestalten und kreieren. Die Leistungsbringer haben weitgehend erkannt, die Digitalisierung wird von der Bevölkerung gewünscht und bringt viele Vorteile mit sich.

«Das Schweizer Gesundheitswesen ist weltweit eines der Besten. Die zeitnahe Digitalisierung haben wir aber verpasst.»
Alexander Bojer, CEO Well Gesundheits AG

Müssen Nutzerinnen und Nutzer zuerst spüren, dass mögliche Anwendungen ihr Leben vereinfachen können und eine bessere Versorgung ermöglichen?

Ja, eine App wie Well hat es noch nie gegeben in der Schweiz. Es braucht etwas Zeit, die Technologie und die neuen Möglichkeiten im Alltag einzubetten. Es ist ein Mindset-Change, wie damals mit WhatsApp oder Facetime. Heute möchten wir diese Technologien nicht mehr missen. Mit Well erwarten wir ähnliches.

Mit Ihrem offenen Gesundheitsökosystem wollen Sie die existierenden Digitalisierungsprobleme angehen. Welchen Beitrag kann die Well-App leisten?

Die Well-App durchbricht die heutigen Silos. Die Nutzerinnen und Nutzer erhalten Zugang zum Gesundheitswesen und den unterschiedlichen Akteuren. Well ist ein Netzwerk. Darüber hinaus bietet Well Möglichkeiten, medizinisch geprüfte Informationen und Termine zu erhalten bzw. wahrzunehmen. Meine Behandlung muss nicht mehr zwingend vor Ort in Person durchgeführt werden, ich bekomme auch online verlässliche Hilfe, dort wo ich mich befinde. Und drittens bieten wir eine digitale Ablage und auf Wunsch Zustellung medizinischer Unterlagen. Unsere Nutzerinnen und Nutzer bauen ihr persönliches Gesundheitsdossier auf.

Welche Services stehen Nutzern aktuell schon zur Verfügung?

Für jeglichen Austausch mit Ärztinnen und Ärzten muss man sich registrieren, um sicherstellen zu können, ob es sich um die richtige Person handelt. Auch für das E-Rezept muss eine Identifizierung durchgeführt werden. Sämtliche anderen Services sind auch für Nutzer ohne Registrierung verfügbar.

«Meine Behandlung muss nicht mehr zwingend vor Ort in Person durchgeführt werden, ich bekomme auch online verlässliche Hilfe, dort wo ich mich befinde.»

Wie unterscheiden sich die Services und Möglichkeiten zum Informationsaustausch zwischen Nutzern von bei Well angeschlossenen Praxen oder Ärztenetzwerken und dem Rest?

Per Ende April hatten wir rund 4000 Ärztinnen und Ärzte angebunden. Mit diesen Ärztinnen und Ärzten können je nach Netzwerk Dokumente ausgetauscht und Termine online vereinbart werden.

Unabhängig davon tauscht Well aber mit den Krankenkassen keine Daten aus?

Nein, es werden keine Daten mit den Krankenversicherungen geteilt.

Wie profitieren die Leistungserbringer konkret?

Es ist unterschiedlich, je nach Leistungserbringer. Grundsätzlich können die Leistungserbringer ihren Kundinnen und Kunden einen digitalen Zugang zu ihren Leistungen bieten, sich vernetzen und Dokumente austauschen. Weitere spannende Funktionalitäten befinden sich aktuell in der Entwicklung.

Können Sie dazu mehr verraten?

Wir entwickeln in einem Monats-Rhythmus. Das bedeutet, wir können jeden Monat neue Services und App-Verbesserungen bieten. Zudem sind wir mit neuen Partnern im Austausch, um das Angebot auf der Well-App massgeblich zu erweitern.

Welche Rolle spielen die Versicherungen resp. Krankenkassen? Die CSS und Visana sind ja neben Medi24 und Zur Rose Gründungspartner und Investoren von Well.

Die Versicherungen möchten mit der Well-App ihren Kundinnen und Kunden einen verbesserten Zugang zum Gesundheitswesen schaffen – allein konnten sie ein so breites Angebot nicht bieten. Und natürlich sind die Krankenversicherungen aufgerufen, Möglichkeiten zu schaffen, um Kosten im Gesundheitswesen zu dämpfen. Mit Well wird das der Fall sein.

«Natürlich sind die Krankenversicherungen aufgerufen, Möglichkeiten zu schaffen, um Kosten im Gesundheitswesen zu dämpfen. Mit Well wird das der Fall sein.»

Groupe Mutuel, Helsana und Swica entwickeln zusammen mit Medbase und Hirslanden eine weitere Gesundheitsplattform. Es führen bekanntlich viele Wege nach Rom, aber wie sinnvoll sind zwei parallellaufende, doch sehr ähnliche Projekte?

Das gemeinsame Interesse zeigt, es braucht Lösungen für dieses Thema. Wir bieten also das richtige Produkt an. Bewegung im Markt ist grundsätzlich immer positiv und die Konkurrenz belebt. Am Ende werden die Nutzerinnen und Nutzer entscheiden, welche Lösung ihre Bedürfnisse am besten abholt.

Herr Bojer, besten Dank für das Interview.

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