Bruno Chiomento, CEO EY Schweiz im Interview

Bruno Chiomento, CEO EY Schweiz im Interview
Bruno Chiomento, Verwaltungsratspräsident EY Schweiz. (Foto: EY)

Bruno Chiomento, CEO EY Schweiz. (Foto: EY)

von Robert Jakob

Moneycab.com: Herr Chiomento, das Beratungsgeschäft erlebt gerade wieder eine weltweite Boomphase. Ist die Verunsicherung in der Wirtschaft so gross, dass sich alle Rat von Dritten holen müssen?

Bruno Chiomento: Die Globalisierung, der technische Fortschritt, die Regulierungswut mit immer mehr Vorschriften und die Social Media haben den Pulsschlag der Welt nachhaltig verändert. Die Anforderungen an das Management steigen und sind kaum noch ohne beratende Unterstützung von aussen zu bewältigen. Innovationsfähigkeit, Wachstum, Profitabilität und Risikomanagement sind die vier wesentlichen Faktoren, die über den nachhaltigen Erfolg eines Unternehmens entscheiden. Und genau an diesen Stellschrauben setzen unsere Advisory-Services-Kollegen an.

Wie muss man sich das tägliche Geschäft dieser Advisorykollegen denn vorstellen?

Sie entwickeln und implementieren agile Geschäftsmodelle, optimieren den Vertrieb und die Supply Chain, senken Kosten und helfen, die vielen unternehmerischen Risiken sicher zu umfahren. Und sie sorgen dafür, dass Big Data, Industrie 4.0 und Digital Transformation nicht nur Schlagworte bleiben, sondern messbaren Mehrwert schaffen. Dass der Fokus zurzeit vielfach noch auf Compliance gelegt werden muss, ist verständlich, wird sich aber bald ändern.

Welche Domäne wächst bei EY am meisten? Assurance, Tax, Advisory oder Transactions?

Ganz deutlich Advisory – bei EY Schweiz mit 9,2 Prozent im letzten Geschäftsjahr, insbesondere die Beratung für Banken und Versicherungen.

«Dass der Fokus zurzeit vielfach noch auf Compliance gelegt werden muss, ist verständlich, wird sich aber bald ändern.» Bruno Chiomento, CEO EY Schweiz

Ich nehme an, beim Advisory dreht sich das meiste um Informationstechnologie?

IT ist nur ein Aspekt unter vielen. Um Unternehmen in Bestform zu bringen, folgen wir einem ganzheitlichen Ansatz. Dieser zielt darauf ab, Potenziale freizuschalten, Risiken systematisch zu kontrollieren und die Gesamtperformance des Unternehmens nachhaltig zu verbessern. Die Felder, in denen wir ansetzen, sind: Strategie, Transformation des Geschäftsmodells, Organisation, Prozesse, IT und auch Change Management.

Das generelle Thema Sicherheit ist seit der NSA-Affäre extrem hochgekocht. Merkten Sie dadurch einen deutlichen Umsatzschub?

Ja, wir verzeichnen eine wachsende Nachfrage nach IT- und Datensicherheit. Gemeinsam mit unseren Kunden gestalten, implementieren oder verbessern wir deren interne IT-Kontrollsysteme. Durch die detaillierte Betrachtung von Applikationen, der Infrastruktur und der Datensicherheit werden Risiken identifiziert und durch geeignete Massnahmen reduziert. Wir unterstützen dadurch die Informationssicherheit im Zeitalter von mobiler Kommunikation, sozialen Netzwerken und Cloud Computing.

«Ja, wir verzeichnen eine wachsende Nachfrage nach IT- und Datensicherheit.»

Im öffentlichen Dienst gab es in den letzten Jahren einige spektakuläre Flops im Beschaffungswesen. Worauf führen Sie dies zurück?

Generelle Aussagen sind hierzu schwierig, liegen doch die Fälle sehr verschieden, ein Faktor kann mangelhafte Transparenz im Ausschreibungswesen darstellen.

Gibt es in einigen Bereichen oder gar Branchen so etwas wie Beratungsresistenz?

Grundsätzlich gilt: Wo keine Transparenz herrscht, sind die Risiken grösser. Dazu muss gesagt werden: Jedes Unternehmen, öffentlich wie privat, kann von Betrug, Bestechung und Korruption betroffen sein. Finanzielle Verluste und ein erheblicher Imageschaden sind dann die Folge. Es gilt, Unternehmenswerte und -reputation dauerhaft zu schützen, indem Geschäftsrisiken im Vorfeld vermieden und ein Bewusstsein für Prävention durch Integrität und Transparenz geschaffen werden.

Wie muss man sich die bei EY Kundenakquisition vorstellen? Es werden ja keine Klinken gedrückt…

Viele Kundenbeziehungen sind langfristig gewachsen. Das Vertrauen muss dennoch permanent durch Qualität und Leistung gerechtfertigt werden. Eine weitere wichtige Rolle beim Aufbau von Kundenbeziehungen und Vertrauen in unsere Kompetenz spielen Informationsveranstaltungen zu Gesetzesänderungen oder unsere Studien, die „Thought Leadership“ in vielen Bereichen dokumentieren.

Ferner haben wir die Möglichkeit durch den Vergleich unserer zahlreichen Kunden aus allen möglichen Branchen die jeweiligen „Best Practices“ zu identifizieren und diese in unsere Beratungsleistungen zu integrieren. Deshalb werden wir auch manchmal angefragt, ohne dass wir von uns aus den ersten Kontakt hergestellt haben. Der wichtigste Faktor bleibt aber letztendlich der einzelne Berater oder  die Beraterin, denn er oder sie muss am das Schluss das uneingeschränkte Vertrauen des Mandanten gewinnen und erhalten.

Spüren Sie bei Ihren Banking- oder Versicherungskunden aufgrund der vielen neuen regulatorischen Anforderungen eine verstärkte Nachfrage?

Ja, dies ist der Fall. Eigenkapitalanforderungen, Tax Compliance, Datensicherheit sind wichtige regulatorische Themen, die die Finanzdienstleister gegenwärtig beschäftigen und deren sie in dieser geballten Menge häufig nicht allein Herr werden können. Wir unterstützen sie dabei.

«Die Unternehmenssteuerreform III ist immer noch ein Stück weit „moving target“. Wir empfehlen daher unseren Kunden ein fortlaufendes Monitoring.»

Die Unternehmenssteuerreform III wirft zwar keine riesigen Wellen in der breiten Öffentlichkeit, ist aber in Ihrem Steuerberatungsgeschäft sicher ein extrem heisses Thema. Was können Sie ausländischen Unternehmen mit Sitz in der Schweiz da zurzeit empfehlen?

Die Unternehmenssteuerreform III ist immer noch ein Stück weit „moving target“. Wir empfehlen daher unseren Kunden ein fortlaufendes Monitoring, um auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Hierzu geben wir – neben der individuellen Beratung und Betreuung unserer Kunden – regelmässige Updates, zum Beispiel  über eine von uns eigens eingerichtete Webseite: www.ey.com/ch/USR-III. Trotzdem ist es ratsam, sich schon frühzeitig auf Änderungen einzustellen und auszurichten, denn diese werden mit Sicherheit kommen.

Glauben Sie, dass die sich die Schweiz mit der günstigen Besteuerung der Lizenzboxen Ihre wirtschaftliche Schlagkraft absichern kann?

Wie die Lizenzbox konkret ausgestaltet wird und wie sich die internationalen aber auch kantonalen Anforderungen an eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung in Zukunft ausgestalten werden, steht zum jetzigen Zeitpunkt  noch nicht definitiv fest. Fest steht indessen, dass die Schweiz auch weiterhin ein sehr attraktiver Standort bleiben wird und sich vor internationaler Konkurrenz überhaupt nicht fürchten muss. Aufgrund weiterer Standortfaktoren wie politischer und wirtschaftlicher Stabilität, Rechtssicherheit, und nicht zu Letzt wegen der hohen Lebensqualität wird die Schweiz für erfolgreiche Geschäfte immer sehr attraktiv bleiben.

Wieso hat sich die  Frankenaufwertung denn negativ auf die M&A-Aktivitäten in der Schweiz ausgewirkt?

Der freundliche M&A-Ausblick mehrerer Studien von Ende 2014 macht nun nach dem «Frankenschock» einer vorsichtigeren Einschätzung Platz. Aufgrund der begrenzten Erfahrungen in der Schweiz und anderswo mit negativen Zinsen ist es weiterhin schwierig, die langfristigen Folgen der SNB-Entscheidung abzuschätzen.

Das durch die Zwangsaufwertung günstige Währungs- und Zinsumfeld müsste doch als Katalysator wirken?

Einerseits steigert der neue Wechselkurs die Kaufkraft der Schweizer Unternehmen, die im Ausland nach Übernahmemöglichkeiten Ausschau halten. Andererseits ist der Fokus der Unternehmensleitungen oft stark auf operative Verbesserungen gerichtet, sei es durch Produktionsverlagerungen ins Ausland und/oder Kostensenkungen im Inland.

Einige Unternehmen wiederum suchen zurzeit im Ausland nach Akquisitionen, um ihre Kostenbasis zu verbreitern, was den M&A-Aktivitäten Auftrieb geben würde. Auf jeden Fall müssen in diesem aktuell komplexen Umfeld neue Faktoren im M&A-Entscheidungsprozess berücksichtigt werden. Wir werden die Entwicklung in den kommenden Monaten weiterhin genau beobachten: Dann wird sich herauskristallisieren, welche Wirkungen langfristig bestimmend sein werden.

EY hat weltweit 190’000 Mitarbeiter. Wie verschaffen Sie sich da als Country-Manager aus der kleinen Schweiz heraus Gehör?

EY Schweiz hat eine überdurchschnittliche Relevanz im Verhältnis zu seiner Grösse. Dies liegt zum einen an der herausgehobenen Bedeutung der Schweiz als Wirtschaftsstandort, zum anderen an der globalen Nachfrage nach unseren Dienstleistungen: Wir sind in der Schweiz verwurzelt, erbringen aber auch Dienstleistungen über die ganze Welt, wenn wir für die zahlreichen global tätigen Firmen arbeiten, die ihren Hauptsitz in der Schweiz haben.

Zur Person:
Der 52-jährige Bruno Chiomento wohnt in Basel, ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Nach dem Wirtschaftsstudium an der Universität Basel und an der Harvard Business School ging Bruno Chiomento 1989 zum international tätigen Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen Ernst & Young (EY). Vier Jahre später zog es ihn zurück in die USA, wo er bei der IFAC, International Federation of Accountants, in New York internationale Rechnungslegungs- und Audit-Standards entwickelte und als Wirtschaftsprüfer lizenziert wurde. Als Partner kehrte er schliesslich zu Ernst & Young zurück, wo er 2009 zum CEO der Schweizer Landesgesellschaft gewählt wurde.

Zum Unternehmen:
Die globale EY-Organisation ist eine Marktführerin in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Transaktionsberatung und Rechtsberatung sowie in den Advisory Services. Jedes EYG-Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen. Die EY-Organisation ist in der Schweiz durch die Ernst & Young AG, Basel, an zehn Standorten sowie in Liechtenstein durch die Ernst & Young AG, Vaduz, vertreten. Die Schweizer Ländergesellschaft von EY mit Hauptsitz in Basel erzielte im Geschäftsjahr 2013/2014 einen Umsatz von 573,8 Mio. CHF und belegt in der Schweiz den ersten Platz bei der Prüfung von SMI-Gesellschaften. In der Schweiz kann EY auf eine fast hundertjährige Geschichte zurückblicken, die 1917 mit der Gründung der Allgemeine Treuhand AG (ATAG) begann, welche 1991 zur ATAG Ernst & Young AG wurde, seit 2000 nur noch Ernst & Young genannt.

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