Eric Corradin, CEO und Co-Founder Neho, im Interview

Eric Corradin, CEO und Co-Founder Neho, im Interview
Eric Corradin, CEO und Co-Founder Neho. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Corradin, Neho vermittelt Liegenschaften zu einem niedrigen Fixpreis. Wie sind die Reaktionen auf den Angriff auf das traditionelle Provisionsmodell der Immobilienmakler?

Eric Corradin: Am Anfang waren es noch nicht viele Reaktionen. Ich schätze, wir wurden zunächst nicht ernst genommen und viele dachten, wir würden nicht lange durchhalten. Aber in letzter Zeit sind die Kommentare traditioneller Agenturen schärfer geworden, was leider vor allem zu Fehlinformationen auf Social Media führt. Aus Missachtung ist Besorgnis und Unbehagen geworden. Langsam scheint traditionellen Maklern bewusst zu werden, dass sich das Immobilienbusiness verändert und ihr Geschäftsmodell nicht mehr zeitgemäss ist.

Wie ist der Preis von 7500.- Franken für die Vermittlung von Liegenschaften unabhängig von Grösse und Standort berechnet worden?

Unser Ziel war und ist es, einen fairen Preis für den Hausverkauf anzubieten. Wir haben das Ganze aus zwei Perspektiven betrachtet: Von der Kostenseite der Arbeit und von der Preisgestaltung einer traditionellen Agentur. Wir wussten, wie viel Aufwand es im Durchschnitt braucht, um eine Immobilie zu verkaufen. Dies war der Ausgangspunkt der Kalkulation. Es galt, einen Preis festzulegen, der ein wirklich grosser Unterschied für den Kunden bedeutet. Dabei war die Idee, unter einem Prozent des Verkaufspreises zu bleiben. Da der Medianpreis von Eigenheimen bei rund CHF 800’000 liegt, haben wir uns entschieden, den Preis bei CHF 7500 anzusetzen.

«Langsam scheint traditionellen Maklern bewusst zu werden, dass sich das Immobilienbusiness verändert und ihr Geschäftsmodell nicht mehr zeitgemäss ist.»
Eric Corradin, CEO und Co-Founder Neho

Welche Prozesse wurden digitalisiert, um mit diesem Betrag gewinnbringend arbeiten zu können?

Alle, ausser die Beziehung zum Verkäufer: Also vom Erstellen des Bewertungsberichts, über die Online-Kaufabwicklung, die Rechnungsstellung, die Online-Inserate mit der Inserierung auf über 20 Poratlen, dem Erstellen der Verkaufsdokumentation. Ausserdem gehören dazu ein erster Besuch des Käufers anhand eines virtuellen Umgangs, das Onboard der Käufer, der Austausch von Dokumenten und das Management der Angebote.

Wenn jemand ein Haus verkaufen will, gehört er vom Alter her selten zu den «Digital Natives». Wie präsentiert sich Ihr Kundenkreis?

Das stimmt – die Hälfte unserer Kunden ist über 50. Darum haben wir vor allem viel Wert darauf gelegt, dass unsere Plattform sehr benutzerfreundlich ist. Wir haben daher praktisch keine Probleme. Über die Plattform können unsere Kunden stets auf sämtliche Informationen zugreifen und so die Verkaufsschritte mitverfolgen. Bei Bedarf werden sie dabei natürlich von unseren Maklern begleitet.

Welche Aufgaben übernimmt Neho im Verkaufsprozess?

Von der Bewertung bis zum Abschluss des Verkaufs vor dem Notar ist alles in unserem Festpreis von CHF 7500 inbegriffen. Die einzigen variablen Kosten sind die Käuferbesuche, die zusätzlich CHF 200 pro Besuch betragen. Da wir für sämtliche von uns vermarkteten Immobilien zuerst virtuelle Rundgänge durchführen, kommt es bereits in einem sehr frühen Stadium zu einer Qualifizierung der Interessenten. Wir brauchen somit letztlich im Schnitt nur fünf Besuche vor Ort, um eine Immobilie zu verkaufen. Der Eigentümer hat aber auch die Möglichkeit, die Besichtigungen selbst durchzuführen – was natürlich kostenlos ist. Über 80 Prozent unserer Kunden machen das so. Für unsere Makler bedeutet dies letztlich, dass sie weniger unterwegs sein müssen, mehr Zeit haben, sich den Dossiers zu widmen und sehr schnell auf Anfragen reagieren können.

Und welche Aufgaben sind in Ihrem Dienstleistungspaket nicht inkludiert, was muss der Kunde selber machen?

Nichts.

«Da wir für sämtliche von uns vermarkteten Immobilien zuerst virtuelle Rundgänge durchführen, kommt es bereits in einem sehr frühen Stadium zu einer Qualifizierung der Interessenten.»

Was passiert, wenn sich die Immobilie als «unverkäuflich» erweist?

Es lässt sich leider nicht vermeiden, dass sich einige Immobilien nicht verkaufen lassen. Wir arbeiten aber daran, unsere Verkaufsrate noch weiter zu steigern. Bereits heute liegt diese deutlich über den Marktstandards: In etwa 75 bis 80 Prozent der Fälle kommt es zu einem Abschluss. Unser Ziel ist es, innerhalb von zwei Jahren eine Verkaufsquote von 90 Prozent zu erreichen. Wir fokussieren dabei auf Gebiete, die eine hohe Attraktivität aufweisen – Grossstädte und Agglomerationen –, denn dort bringen wir unseren Kunden den grössten Mehrwert. Schliesslich sind in diesen Gebieten die Immobilienpreise höher und die Differenz zwischen unserem Fixpreis von CHF 7500 und einer herkömmlichen, prozentualen Maklerprovision signifikant.

Wie viele Liegenschaften konnten Sie bisher bewerten und im besten Fall auch vermitteln?

Wir haben über 4’300 Immobilien mit unserem Online-Bewertungstool bewertet und fast 500 Bewertungen vor Ort durchgeführt, bei denen der Kunde durch einen Makler betreut wurde. Fast 50 Prozent der Erstgespräche resultieren in Mandaten. Das ist die Stärke unseres Produkt- und Geschäftsmodells. Sobald wir erklären können, was wir tun und wie wir es tun, ist es im Grunde genommen eine Wahl zwischen dem Verkauf auf eigene Faust oder dem Verkauf mit uns. Wir haben nur sehr wenige Interessenten an traditionelle Agenturen verloren – weniger als 5 Prozent.

«Wir arbeiten daran, unsere Verkaufsrate noch weiter zu steigern. Bereits heute liegt diese deutlich über den Marktstandards.»

Sie bieten Ihre Dienstleistungen jetzt auch in Zürich an. Wie sehen die weiteren Expansionspläne aus?

Da wir nun alle grossen Transaktionsregionen der Schweiz abdecken, ist es das Ziel, das Volumen zu erhöhen. Wir hatten im vergangenen Jahr 100 Mandate und planen in diesem Jahr etwa 600. Innerhalb von drei Jahren wollen wir die Nummer eins sein.

Neho ist letztes Jahr mit dem Swiss Real Estate Award im Bereich Proptech ausgezeichnet worden. Wie berurteilen sie den Proptech-Markt in der Schweiz?

Der Markt ist definitiv in Bewegung mit den etwa 200 Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind. Es gibt viele sehr junge Unternehmen, die versuchen, sich durchzusetzen und einen Teil des Marktes zu erobern. Aber es wird nicht für alle Platz haben, sondern vermutlich für jedes Segment nur eine Handvoll.

Herr Corradin, besten Dank für das Interview.

Zur Person:
Der 2005 an der HEC Lausanne diplomierte Wirtschaftswissenschaftler begann seine Karriere bei der Firma PwC. Es folgten drei Jahre in einem Industrieunternehmen und acht Jahre im Private Equity. Als zertifizierter und qualifizierter Makler USPI hat er Neho mitgegründet und die Leitung als CEO übernommen.

Neho

2 thoughts on “Eric Corradin, CEO und Co-Founder Neho, im Interview

  1. Wir von simplehouse – wir bieten ebenfalls seit 2017 Immobilien-Verkaufsdienstleistungen zum Pauschalpreis an – haben auch diese Erfahrung gemacht: Die traditionellen Makler haben unser digital optimiertes Modell ohne Provision anfänglich nicht ernst genommen. Mittlerweile versuchen sie uns mit allen Mitteln schlecht zu reden, obwohl wir genau dieselbe professionelle und persönliche Betreuung wie sie anbieten. Wir sind froh, dass mit Neho in der französischen Schweiz ein weiterer seriöser Anbieter auf den Markt gekommen ist, der zeigt, dass traditionelle Makler mit Provision ein Auslaufmodell sind.

  2. Es wird an der Zeit, dass sich etwas ändert – und Neho macht das richtig. Es ist doch effektiv so, dass ein Immobilienmakler immer (mehr oder weniger) den gleichen Aufwand hat. Egal ob kleine Wohnung oder Luxus-Villa. Der Verkauf einer Immobilie ist m.E. auch bei einer schlechten Marktlage mit gleichem Aufwand verbunden. Ich habe mein Haus via immobilienmakler-uster.ch zum Festpreis verkauft und bin zufrieden. Das ist ein regionaler Makler, der auch ohne Provision arbeitet. Zwar etwas teurer als Neho aber sehr professionell.

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